E-Health-Ideenküche: Start-up trifft Krankenversicherung

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Bei der E-Health-Ideenküche treffen Start-ups auf Krankenversicherungen

Bei der E-Health-Ideenküche der Unternehmensberatung Terra Consulting Partners GmbH präsentieren Start-ups E-Health-Lösungen für die smarte Krankenversicherung der Zukunft. Wir sprachen mit Dr. Evelyn Kade-Lamprecht über den „Szene-Treffpunkt“ für Digital Health.

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen schreitet voran und verlangt von den Akteuren Offenheit gegenüber Trends und neuen Ideen. Die Veranstaltung „E-Health-Ideenküche„, die am 1. März 2018 in Berlin stattfindet, zeigt innovative Digital-Health-Lösungen für Krankenkassen. Wie die smarte Krankenkasse der Zukunft aussieht und welche Rolle Pharma dabei spielt, erzählte uns Dr. Evelyn Kade-Lamprecht, Leiterin Market Service bei dem Veranstalter Terra Consulting Partners GmbH im Interview.

Health Relations: Was erwartet Besucher Ihrer Veranstaltung? Und an wen richtet sie sich?

Dr. Evelyn Kade-Lamprecht: Die Ideenküche ist ein innovatives Veranstaltungsformat, das sich um E-Health-Lösungen für die smarte Krankenversicherung der Zukunft dreht. Die Zielgruppe sind die Top-Entscheider und Projektmanager aus GKV, PKV, der Pharma- und Medizinprodukte-Industrie, Technologie- und Dienstleistungsunternehmen sowie Start-ups der Gesundheitswirtschaft.

Die Ideenküche hat sich als „Szenetreffpunkt“ für Digital Health bei den Krankenkassen fest etabliert. Zu den Teilnehmern aus den Kassen zählen Vorstände, Geschäftsführer, die Fachbereichsleiter des Versorgungsmanagements, IT, Marketing, Unternehmenskommunikation sowie die strategische Projektverantwortlichen und Umsetzer der digitalen und E-Health-Themen.

So sieht die eHealth-Ideenküche aus

Health Relations: Sie sagen, Sie wollen das innovative Veranstaltungsformat zu Digital Health in der GKV sein. Jetzt würde man Krankenkassen nicht zwangsläufig mit dem Terminus „innovativ“ verbinden, wohl eher „konservativ“. Woran zeigt sich das Innovative an Ihrer E-Health-Ideenküche?

Dr. Evelyn Kade-Lamprecht: Wir veranstalten die E-Health-Ideenküche am 1. März 2018 bereits zum vierten Mal. Im Startjahr 2015 waren wir das erste Event, das einen Start-up-Pitch speziell für Krankenkassen organisiert hat. Mittlerweile hat sich die E-Health-Ideenküche zu einer echten Networking-Plattform entwickelt, die Start-ups und Krankenkassen zusammenbringt. Den Start-ups, die bei uns präsentiert haben, hat unser Event nicht nur zu Terminen und Projekten, sondern sogar zu Verträgen mit den Kassen verholfen.

Innovativ ist nicht nur das Networking, sondern vor allem das Programm. So sind alle unsere Referenten ganz besondere Persönlichkeiten mit ausgewiesener Digital-Health-Expertise, die aus ihrer aktuellen Forschung berichten oder Use Cases aus der Praxis beisteuern – alles maßgeschneidert für Krankenversicherungen. Bei anderen Events zu Digital Health sind Krankenversicherungen ja oft nur eine der Zutaten zum Programm. Bei der E-Health-Ideenküche stehen die Kassen hingegen im Mittelpunkt. Wie uns aus den Kassen zurückgespielt wurde, wird die Ideenküche als Impulsgeber geschätzt, der frischen Wind in die Kassenlandschaft bringt. In der Folge beobachten wir, dass es zunehmend spezielle Projektverantwortliche für Digital Health bei den Kassen gibt. In größeren Kassen haben sogar kleine Digital-Health-Units und auch eigene Hubs die Arbeit aufgenommen.

Health Relations: Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft der digitalen Medizin aus?

Dr. Evelyn Kade-Lamprecht: Die digitale Unterstützung bei Diagnosen und digitale Therapien sind heute keine Science-Fiction mehr. Bei ersten Kassen bekommen die Versicherten bereits die „App auf Rezept“, zum Beispiel zur Behandlung von Tinnitus oder zur Amblyopie-Therapie, einer Sehschwäche von Kindern. Die Online-Videosprechstunde mit dem Arzt zieht in den Praxisalltag ein. Die elektronische Patientenakte öffnet der personalisierten Medizin die Türen; künstliche Intelligenz und medizinische Expertensysteme machen eine individuelle proaktive Versorgungssteuerung möglich. Die Patienten wollen die vernetzte Medizin und wählen sich ihre Ärzte, Krankenhäuser und Krankenkassen danach aus, ob diese die Innovationen unterstützen bzw. bezahlen.

Auch Thema bei der eHealth-Ideenküche: Telemedizin

Die Pharmaunternehmen sind ein wichtiger Treiber von Digital Health im Zusammenspiel mit den Krankenkassen.

Health Relations: Welche Rolle spielt Pharma dabei?

Dr. Evelyn Kade-Lamprecht: Die Pharmaunternehmen sind ein wichtiger Treiber von Digital Health im Zusammenspiel mit den Krankenkassen. Für die Entwicklung digitaler Services, die über die Versorgung mit Arzneimitteln hinausgehen, ist der Schulterschluss mit den Krankenversicherungen eine wichtige Voraussetzung. Daher freuen wir uns, dass viele Pharmaunternehmen die Ideenküche für das Networking mit den Krankenversicherungen nutzen und dass Pfizer mit der langjährigen Partnerschaft ein wichtiges Signal für die Pharmabranche setzt.

Health Relations: Wie wird sich die Rolle von Pharma künftig ändern?

Dr. Evelyn Kade-Lamprecht: Egal, ob gesund oder krank – die Kunden wünschen sich die für ihr jeweiliges Lebensszenario beste individuelle Gesundheitsvorsorge und Versorgung. Die Versorgung mit Arzneimitteln und Impfstoffen wird dabei auch in Zukunft wichtig sein und für die Pharmaunternehmen das Kerngeschäft bleiben. Digitale Patientenprogramme können eine sinnvolle Ergänzung zu den Medikamenten darstellen und Patienten helfen, bessere Behandlungsergebnisse zu erzielen. Ebenso wie die Kassen muss sich die Pharmabranche mit neuen Geschäftsmodellen beschäftigen, in denen Kooperationen mit Start-ups als Innovationstreiber ihren Platz finden.

Health Relations: Wie wird sich die Arbeit der Krankenkassen durch die Digitalisierung verändern?

„Die Kassen müssen sich von ihrer Sozialversicherungsdenke lösen.“Dr. Evelyn Kade-Lamprecht: Digitale Innovationen erfordern neue Arbeits- und Denkweisen in den Kassen sowie Agilität und Risikofreude. Dazu müssen sich die Kassen von ihrer gewohnten Sozialversicherungsdenke lösen. Schnelle Entscheidungen und Flexibilität stoßen an die Grenzen der SV-Regularien. Der strenge Datenschutz setzt enge Grenzen. Wer sich aber immer nur an den Barrieren festbeißt, wer keinen Mut hat, etwas Neues auszuprobieren, wer Momente des Scheiterns nicht als Chance des Lernens begreift, wird als Gesundheitspartner für die Kunden nicht mehr relevant sein.

Health Relations: Wie sieht die smarte Krankenkasse der Zukunft aus?

Dr. Evelyn Kade-Lamprecht: Die Kunden kreieren eine völlig neue Messlatte für das Ökosystem „Krankenkasse“, das sich im Digitalisierungszeitalter plötzlich mit branchenfremden Wettbewerbern wie dem Technologiekonzern Apple vergleichen lassen muss. Um echte Innovationen in den hochregulierten Gesundheitsmarkt zu bringen, darf ein Ausharren in den gelernten analogen Denkrastern einer Krankenversicherung keine Option mehr sein. Das still im Hintergrund laufende Betriebssystem „Krankenkasse“ hat ausgedient.

Die smarte Kasse der Zukunft muss kompromisslos kundenzentriert und individuell sein. Die Kunden erwarten maßgeschneiderte digitale Prozesse, die ihnen echten Mehrwert und Entlastungen bringen. Smarte Assistenten ermöglichen das Begleiten des Versicherten in den verschiedenen Gesundheits- und Krankheitssituationen. Lästige Standard-KV-Angelegenheiten erledigen, bei Bedarf den Arzt per Videosprechstunde konsultieren oder den Gesundheitszustand und die Vitaldaten mittels künstlicher Intelligenz überwachen zu lassen – das alles wird in der Kasse der Zukunft selbstverständlich sein.

Die Kunden möchten aktiv in die Versorgung einbezogen werden, ihre Daten sammeln und einsehen und digitale Angebote selbst wählen. Allerdings möchten die Versicherten an jeder Stelle ihrer digitalen Reise selbstbestimmt entscheiden, welche digitalen Services, Therapieangebote und Kommunikationskanäle sie für sich persönlich nutzen wollen. Daher ist für die Kasse der Zukunft die digitale Transformation nur zu schaffen, wenn es gelingt, die eigene Organisation und alle Prozesse um den Kunden herum zu strukturieren und dabei den Versicherten in den Mittelpunkt zu stellen.

„Die Vernetzung aller Marktteilnehmer wird verpflichtend.“Ähnlich wie bei Uber, Apple, Google, Amazon und Facebook werden die Start-ups und Technologiepioniere neue Schnittstellen kreieren, die in naher Zukunft über den Erfolg des Geschäftsmodells Krankenversicherung mitentscheiden können. Dabei wird die Vernetzung aller Marktteilnehmer verpflichtend.

Health Relations: Aktuell gerät die Digitalisierung im Gesundheitswesen mal wieder ins Stocken. Der Gesetzgeber hat kürzlich erst die Frist für den Startschuss der ersten Online-Anwendung der Elektronischen Gesundheitskarte verschoben. Ist es nicht ein wenig zu weit in die Zukunft gegriffen, jetzt schon von der smarten Krankenkasse zu sprechen?

Dr. Evelyn Kade-Lamprecht: Der digitale Zug rollt ja bereits. Neue, teils branchenfremde Firmen fordern die etablierten Akteure der Krankenkassen heraus. Daher sollten sich die Krankenversicherungen dringend mit völlig neuen Geschäftsmodellen für die Zusammenarbeit mit den innovativen Vorreitern, E-Health-Start-ups und digitalen Technologiepionieren auseinandersetzen. Auch wenn die Begriffe „smart“ und „Geschäftsmodell“ noch Fremdwörter in einer Sozialversicherung sind.

Krankenkassen tun gut daran, wenn sie offen für Kooperationen sind und Mut zum Querdenken sowie zu innovativen Geschäftsmodellen zeigen. Dies wird mittelfristig auch den Druck auf die Richtlinienmacher erhöhen.

Frau Dr. Evelyn Kade-Lamprecht stellt die eHealth-Ideenküche vor.Dr. Evelyn Kade-Lamprecht ist Partner der Terra Consulting Partners GmbH und Leiterin der Market Services. Nach ihrem Studium der Betriebswirtschaft und der Promotion zum Dr. oec. war sie unter anderem Beraterin bei Roland Berger und Geschäftsführende Gesellschafterin der GKL-Handelsmarketing GbR.

Bild einer Videosprechstunde: © rocketclips/fotolia.com
Bild einer E-Health-Ideenküche + Bild von Frau Dr. Kade-Lamprecht: © Terra Consulting Partners
Titelbild: © iStock.com/domoyega

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