Content Marketing in der pharmazeutischen Industrie – Tücken, Chancen, Status quo

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Die Pharmabranche gilt als eine der am stärksten regulierten Industrien überhaupt. Zu Recht! Schließlich geht es um ein sensibles und wertvolles Gut – die menschliche Gesundheit. Was bedeutet das für Content Marketing?

Kommunikations- und Marketingverantwortliche stellt dies vor besondere Herausforderungen. Maßnahmen müssen stets mit den Legal- und Compliance-Abteilungen abgestimmt werden. So kann in der Praxis schon mal eine von langer Hand geplante Einführungskampagne verschoben oder gar gestrichen werden. Mitunter kommt es auch vor, dass Journalisten etwas länger auf eine Antwort warten müssen, die zudem nicht gerade gehaltvoll ausfällt. Umso spannender ist es, wie die Branche auf die neue Allzweckwaffe Content Marketing reagiert, die mit Inhalten punktet und zu einem zeitnahen Dialog auffordert.

Pharma Content Marketing – wo stehen wir?

Die Pharmaindustrie hat sich personell gut auf die stärker werdende Bedeutung der digitalen und sozialen Kanäle eingestellt. Mittlerweile hat fast jede Pressestelle mindestens einen Social Media-Manager, der sich um das Verbreiten von Inhalten und die Interaktion mit den Zielgruppen kümmert. Unterstützung erhalten sie von Marketing-Mitarbeitern, die Digital, Innovation, Online oder Multi-Channel in ihren Berufsbezeichnungen tragen.

Content Marketing für Kinder: Lilly Diabetes erzählt gemeinsam mit Mickey Mouse & Co. Stories, die den Umgang mit Diabetes zur natürlichsten Sache der Welt machen. Die Geschichten gibt es in Print und in Rich Media zum Lesen und Anhören.
Content Marketing für Kinder: Lilly Diabetes erzählt gemeinsam mit Mickey Mouse & Co. Stories, die den Umgang mit Diabetes zur natürlichsten Sache der Welt machen. Lilly bietet die Geschichten in Print und in Rich Media zum Lesen und Anhören an.

Die Ergebnisse lassen sich sehen! Beispielsweise produziert Lilly Diabetes Kinderbücher, in denen Disney-Figuren den Umgang mit der Zuckerkrankheit erklären. Die Ratgeber werden sowohl in Kinderarztpraxen ausgelegt als auch in digitaler Form über diverse Online-Kanäle gestreut.

Ein weiteres gelungenes Beispiel ist die #howloveworks-Kampagne von Johnson & Johnson. In einem sehr emotionalen Video wird die Vater-Sohn-Beziehung zum Thema gemacht. Das amerikanische Unternehmen stellt damit eine Analogie zu der eigenen Motivation her, Menschen zu helfen. Bereits eine Million Mal wurde das YouTube-Video aufgerufen. Die Beispiele zeigen, dass ein wichtiges Element des Content Marketings bereits verinnerlicht wurde – das Storytelling.

Gesellschaftliche Verantwortung vs. Gewinnstreben

Die Pharmabranche hat ein Imageproblem! Sie handle zu sehr nach wirtschaftlichen Interessen und ist nicht vertrauenswürdig. Nun hat die Medaille bekanntlich zwei Seiten. Schließlich führt dieses Gewinnstreben auch dazu, dass gesellschaftliche Herausforderungen wie Krebs oder AIDS gebändigt bzw. im Zaum gehalten werden. Warum wird aber die Pharmaindustrie als eher negativ und ein Konzern wie Coca Cola als Lifestyle-Marke wahrgenommen? Ganz einfach: Der Softgetränkehersteller hat eine Content Marketing-Strategie!

Statt mit Werbebotschaften punkten die Amerikaner seit Jahren mit interessanten Inhalten. Im Mittelpunkt stehen auf die Zielgruppe abgestimmte redaktionelle Angebote. So wird über Coca Cola-Cocktails, kochen mit Stevia oder über Tipps zum glücklich Sein berichtet. Bemerkenswert ist die Stringenz, mit der der Getränkekonzern seine Strategie verfolgt. Genau dies sollten sich pharmazeutische Unternehmen zum Vorbild nehmen. Gut gemachte Kampagnen gibt es zuhauf, was fehlt, ist lediglich ein allumfassender Masterplan.

Don’t make compliance feel like the enemy

Compliance als Korrektorat? Sinnvoller ist es, die Kollegen von Anfang an in die Content Strategie einzubinden.
Compliance als Korrektorat? Sinnvoller ist es, die Kollegen von Anfang an in die Content Strategie einzubinden.

Langwierige Freigabeprozesse oder Aussagen wie „so geht das nicht“ sind Marketingverantwortliche in der Pharmazie gewohnt. Die „Spielverderber“ sind in der Regel Compliance- und Legal-Abteilungen. Trotzdem sollte sich jeder Marketer bewusst machen, welchen strategischen Stellenwert die Kollegen haben. Im Pharmabereich geht es nicht nur darum, das Unternehmen vor Schadensersatzklagen zu schützen. Medikamente sind sensible Produkte, die ein „regelkonforme Verhalten“ zum Schutz der Kunden bedingen.

Für die Pharmaindustrie müssen die strengen Regularien bei der Umsetzung einer Content Marketing-Strategie kein Nachteil sein. Wichtig ist, die Compliance-Kollegen früh in das Boot zu holen. So können bereits früh Richtlinien erarbeitet werden, die das korrekte Wording festlegen. Auch Themenpläne sollten von Anfang an zwischen den Abteilungen abgestimmt werden. Zudem sollten sich die Marketing-Verantwortlichen angewöhnen, Inhalte gesammelt einzureichen. Mit der Salami-Taktik macht man sich in Compliance-Abteilungen keine Freunde.

Pharmareferent als gern gesehener Problemlöser

Gezieltes Content Marketing kann den Verkauf unterstützen: Vor, während und nach dem Verkaufsgespräch.
Gezieltes Content Marketing kann den Verkauf unterstützen: Vor, während und nach dem Verkaufsgespräch.

Aufgrund der Arbeitsverdichtung wird es für Pharmareferenten immer schwieriger, Termine mit Ärzten zu vereinbaren. Da sich immer mehr Mediziner über die für ihre Berufsausübung wichtigen Themen im Netz informieren, kann Content Marketing einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die persönliche Beziehung zum Arzt zu stärken. Zunächst stellt das Pharmaunternehmen nützliche Inhalte wie Richtlinien, Behandlungsbeispiele oder Lernvideos zur Verfügung. Wichtig ist, dass der Mehrwert für den Arzt im Vordergrund steht und nicht der Verkauf.

Durch entsprechende Analysetools erhält der Außendienstmitarbeiter im Vorfeld eines Termins wertvolle Details über den Informationsbedarf des Mediziners. Er kann somit adäquat auf die Bedürfnisse des Doktors eingehen und wird als Problemlöser wahrgenommen. Digitale Kommunikationskanäle geben schließlich allen Beteiligten die Möglichkeit, zeitsparend und flexibel zu interagieren.

Return on Investment – Was kommt hinten bei raus?

Ob Absatzerhöhung oder Image-Aufbau: KPIs müssen vorab aufgestellt und quantifiziert werden.
Ob Absatzerhöhung oder Image-Aufbau: KPIs müssen vorab aufgestellt und quantifiziert werden.

Wer Content Marketing professionell angehen will, sollte in eine entsprechende Infrastruktur investieren. Content Management-Systeme und -Analysetools müssen implementiert werden und auch an qualifiziertem Personal für die Content-Generierung sollte man nicht sparen. Nun herrscht in den zum größten Teil börsennotierten Pharmaunternehmen ein starkes Return-on-Investment-Denken. Mit möglichen Follower-Zahlen und Facebook-Likes sind Entscheidungsträger wohl kaum von einem Investment zu überzeugen.

Und genau hier liegt die Stärke einer gut durchdachten Content Marketing-Strategie. Sie setzt voraus, dass gleich am Anfang die unternehmerischen Ziele festgelegt werden. Soll beispielsweise ein bestimmtes Image aufgebaut oder einfach der Umsatz gesteigert werden? Um Ziele messbar zu machen, arbeitet ein Content Marketer mit so genannten Key Performance Indicators (KPI) wie Interaktions- und Konversionsraten, Sentiments – die die Stimmungslage messen – oder Reichweitenanalysen. Wichtig ist hierbei, dass ein anfänglich definiertes Ziel quantifiziert wird, um somit den Erfolg messen zu können. Im Rahmen eines professionellen Content Controllings ist damit gewährleistet, dass der Wert der Investition sichtbar ist.

Die Angst vor dem Shitstorm

Damage-Control-Strategien beugen Shitstorms vor.
Kundendialog in Social Media: Damage-Control-Strategien beugen Shitstorms vor.

Die Demokratisierung der Medien macht Schluss mit der Einbahnstraßen-Kommunikation. Heutzutage stehen uns eine Vielzahl von Informationsquellen zur Verfügung, aus denen wir wählen können. Zudem möchten wir mitreden und involviert werden. Die streng regulierte Pharmaindustrie reagierte darauf eher zögerlich und neigte dazu, Dialogfunktionen einfach auszuschalten. In der Zwischenzeit hat sich viel geändert. Boehringer informiert beispielsweise vorbildlich in verschiedenen sozialen Netzen über Krankheitsbilder oder Forschungsergebnisse. Zudem nutzen die Ingelheimer ihre Online-Auftritte als Feedback-Kanal. Wie ist das möglich?

Ob Facebook, Twitter oder Pinterest: Boehringer Ingelheim agiert vorbildlich in den Sozialen Medien.

Professionelle Content Marketer verfassen im Vorfeld Handlungsanweisungen, nach denen im Krisenfall zu verfahren ist. Im Rahmen des „Damage Control“ wird das Netz täglich nach kritischen Inhalten durchsucht, um dann adäquat nach den vorher definierten Anweisungen zu reagieren. So hält sich das „Shitstorm“-Potenzial in Grenzen und Pharma kann die neuen Dialogmöglichkeiten im Internet nutzen.

Die Bestandsaufnahme zum Thema Content Marketing fällt positiv aus. Pharmaunternehmen haben die ersten Schritte gewagt und sehenswerte Kampagnen hervorgebracht. Trotzdem fehlt den Konzernen immer noch der Mut, dass Thema ganzheitlich und großflächig aufzusetzen. Branchen-Expertin Kim Soth bringt dies in ihrem Blog-Beitrag Who Will Lead Healthcare Content Marketing out of the Dark Ages? auf den Punkt. Also ihr Mercks, Pfizers und Sanofis da draußen: Wer von euch übernimmt die Rolle des „Thought Leaders“ – des Vordenkers in Sachen Pharma Content Marketing?

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