Frühe Berufsorientierung als Mittel gegen den Fachkräftemangel

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Ein dringendes Problem, dem sich derzeit nahezu alle Krankenhäuser stellen müssen, ist der Fachkräftemangel. So geht es auch den Verantwortlichen im Krankenhaus Angermünde in Brandenburg. Daher arbeiten sie seit Jahren mit der Oberschule „Ehm Welk“ zusammen.

Ziel der Zusammenarbeit ist, Schüler möglichst früh an die Berufsbilder im Gesundheitsbereich heranzuführen. Dafür beteiligt sich die Klinik an dem „Projekt Praxislernen“, das von der Oberschule initiiert wurde. Dabei tauschen Neunt- und Zehntklässler den Klassenraum mit dem Krankenzimmer und können praktische Erfahrungen in der Gesundheits- und Krankenpflege machen. Annerose Prager, Pflegedienstleiterin im Krankenhaus Angermünde, berichtet, welchen Nutzen das Krankenhaus von der Berufsorientierung hat.

Health Relations: Seit Jahren kooperieren Sie mit der Ehm Welk-Oberschule. Wie sieht diese Kooperation genau aus?

Annerose Prager: Die Schüler der Schule absolvieren bei uns ihre Schulpraktika. Das passiert zum Teil als Block innerhalb von ein bis drei Wochen oder jeweils dienstags in den Schulwochen.

Health Relations: Kürzlich haben Sie einen neuen Vertrag unterschrieben, der die Berufsorientierung noch vertiefen soll.

Annerose Prager: Ja, bisher war außerhalb des Praktikumsvertrags mit jedem Schüler vertraglich nichts geregelt. Nun ist unsere Zusammenarbeit, wie sie bisher erfolgte, schriftlich fixiert. Zusätzlich bietet die Schule an, den Austausch untereinander zu verstärken, z.B. durch die Teilnahme einer Krankenhausvertreterin an Elternabenden, die dabei u.a. die Ausbildungsmöglichkeiten im Krankenhaus vorstellt. Darüber hinaus übernimmt das Krankenhaus eine Patenschaft für Schüler, die sich als besonders geeignet für die Gesundheitsberufe erwiesen haben. Diese dürfen dann in den Ferien gegen Entgelt bei uns arbeiten und erhalten vorzeitig einen Ausbildungsvertrag.

Health Relations: Warum haben Sie sich als Krankenhaus entschlossen, sich darum zu bemühen, Schüler möglichst früh eine Berufsorientierung zu bieten?

Annerose Prager: Die Gründe liegen in den sinkenden Bewerberzahlen und dem damit einhergehenden fehlenden Nachwuchs an Fachkräften.

Health Relations: Wie erfolgreich ist das „Projekt Praxislernen“?

Annerose Prager: Wir haben die Möglichkeit, potenzielle Bewerber für die Ausbildung frühzeitig kennenzulernen. Außerdem können wir ein positives Bild der Gesundheitsberufe vermitteln und bieten individuelle Entwicklungsmöglichkeiten in der beruflichen Orientierung. Beispielsweise können „schlechte“ Schüler durchaus gute oder sehr gute „Praktiker“ sein. Die Schüler haben auch Vorteile: Sie können sich ausprobieren und lernen neue Berufsbilder kennen.

Health Relations: Welche Vorteile haben Sie als Krankenhaus davon?

Annerose Prager: Das Projekt hilft uns bei der Nachwuchssicherung von Fachkräften. Das ist notwendig, um die Gesundheitsversorgung stabil aufrechterhalten zu können. Darüber hinaus leisten wir damit einen Beitrag für unsere Region, indem wir z.B. junge Leute an ihren Wohnort binden, und außerdem vermitteln wir ein positives Image der Region nach außen.

Health Relations: Hilft es Ihnen auch zu verstehen, was jungen Leuten für ihre zukünftige Berufsausübung wichtig ist?

Annerose Prager: Eher weniger, denn dafür sind die Schüler meist zu unerfahren. Was jungen Mitarbeitern für ihre Berufsausübung wichtig ist, lernen wir aber von unseren Azubis.

Health Relations: Und was ist das?

Annerose Prager: Sie wünschen sich eine geregelte Arbeitszeit. Ausreichend Freizeit zu haben, ist ihnen auch wichtiger geworden. Außerdem wollen sie frühzeitig vertragliche Sicherheit haben. Das bieten wir ihnen beispielsweise durch einen Arbeitsvertrag, den sie bereits sechs Monate vor dem Ende der Ausbildung unterschreiben können.

Health Relations: Wie finden die Schüler das Projekt?

Annerose Prager: Die Reaktionen sind sehr unterschiedlich: Manche Schüler tun sich sehr schwer, fallen dann oft aus. Sie wirken überfordert oder desinteressiert. Aber es gibt auch viele andere, die sehr interessiert und eifrig sind. Manche sind sogar bereit, außerhalb der festgelegten Praktika zum Arbeiten zu kommen.

Beitragsbild: © GLG/Ronald Mundzeck

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