„Marketing ‚oder‘ Sales?“ Strategisches Marketing aus der Sicht eines Verkaufsprofis.

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Gastautor Jürgen Hoffmann ist leidenschaftlicher Verkaufstrainer. Als ganzheitlicher Querdenker liebt er die einfachen Lösungen. Wie in diesem Beispiel für Strategisches Marketing.

Eingeschränkte Sicht? Wir kennen es vom Autofahren – wenn im Winter die Frontscheiben vereist sind und man es eilig hat, kommt der eine oder andere auf die wenig intelligente Idee, nur einen Sichtstreifen frei zu kratzen.

Das, was wir durch diesen Streifen sehen, ist nur ein Bruchteil unseres üblichen Sichtfeldes – sozusagen ein Blindflug. Dass das Risiko für einen Unfall in dieser Situation ungleich höher ist als wenn ich alles überblicken kann, liegt auf der Hand.

Als Verkaufstrainer arbeitet man in vielen Unternehmen und lernt so auch viele unterschiedliche Arbeitsweisen und Organisationsformen kennen. Ob mittelständisches Familienunternehmen oder Großkonzern – immer wieder treffe ich auf Unternehmen, in denen das Denken an der Abteilungstür aufzuhören scheint. Die Abteilung eines Unternehmens ist im Grunde nicht mehr als ein freigekratzter Streifen auf einer großen Scheibe. Dieser Artikel ist ein Plädoyer für abteilungsübergreifendes Denken und Handeln.

Als Verkaufstrainer habe ich es meist mit zwei konkreten Abteilungen zu tun: Marketing & Sales

Jürgen Hoffmann Jürgen Hoffmann ist leidenschaftlicher Verkaufsprofi und Problemlöser. In den Gefilden von Marketing & Sales wünscht er sich mehr Empathie und Harmonie.
Jürgen Hoffmann ist leidenschaftlicher Verkaufsprofi und Problemlöser. Für Marketing- & Sales-Aktivitäten wünscht er sich mehr Empathie und Harmonie.

Zwar werden gerade diese beiden Abteilungen häufig in einem Atemzug genannt – wirklich zusammenarbeiten tun sie aber eher selten. Da kommen Marketingfachleute z.B. auf die Idee, Außendienstverkäufer mit Zollstöcken als Werbegeschenk auf Kundenfang zu entsenden – weil der Kunde sich ja über kleine Geschenke freut und ein Zollstock (Wirtschaftlichkeit lässt grüßen) nicht gleich wieder weggeworfen wird. Dass der Zollstock weder etwas mit dem Geschäft des Unternehmens noch dem Angebot des Verkäufers zu tun hat – egal, ist ja geschenkt, und einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins…

Wenn es einen „Bad Oscar“ für schlechtes Marketing gäbe, bräuchten wir deutlich mehr als 24 Disziplinen, in denen es einen Gewinner gibt, denn wo man auch hinschaut – wirklich vernetzt denken nur die wenigsten…

Ich wünsche mir, dass möglichst jeder Verkäufer einmal sechs Monate im Service als Bedienung arbeitet, um auf diese Weise praktisch zu erlernen, was Kundenorientierung wirklich heißt und vor allem erlebt, was sie wert ist. Das lässt sich ganz einfach messen, nämlich am erhaltenen Trinkgeld. Und ebenso, wie Service-Erfahrung einen Verkäufer sehr bei der Entwicklung einer nachhaltig erfolgreichen Verkaufspersönlichkeit unterstützt, könnte ein kurzzeitiger Abteilungswechsel für so manchen Marketeer ebenfalls eine wertvolle Intervention hin zu deutlich mehr Marketing-Erfolg sein.

Mein Tipp: Wenn Du Marketingverantwortlicher bist, gehe hin und begleite die Verkäufer(innen) einige Tage bei Akquise, Präsentation und Angebotserstellung. Erlebe die Reaktion der Kunden und unterhalte Dich mit dem Verkauf über Erfahrungen und über aus Vertriebssicht wirksame Unterstützung durch das Marketing, und vor allem: Beginn vernetzt zu denken – abteilungsübergreifend, denn wie bei einem Orchester auch tobt der Saal nur dann vor Begeisterung, wenn das Orchester wie „eine Stimme“ gespielt hat.

Und um aus einem potenziellen Interessenten einen Stammkunden zu machen, sind eine Menge Musiker notwendig (z.B. Produktion, Verkauf, Marketing, Vertriebsinnendienst, Service…)

Bei Strategischem Marketing bestimmt die Harmonie den Erfolg

Wie sehr sich ein abteilungsübergreifendes Agieren lohnen kann, möchte ich gerne am folgenden – branchenfremden – Beispiel verdeutlichen:

Ausgangslage: Ein Freizeitbad mit angegliedertem Biergarten und großem Sauna-Bereich möchte seine Besucherzahlen deutlich erhöhen und vor allem auch den Biergarten je nach Wetterlage flexibel öffnen, um unnötige Personalkosten bei schlechtem Wetter vermeiden zu können.

Die drei wichtigsten Herausforderungen:

  1. Wie erreichen wir es, dass unsere Gäste häufiger zu uns kommen?
  2. Wie schaffen wir es, unsere Gäste über aktuelle Aktionen – wie z.B. den geöffneten Biergarten – zu informieren?
  3. Wie schaffen wir es, unsere Aktionen sowohl zeitnah als auch wirksam an unsere Kunden zu kommunizieren?

Die Idee: Wir benötigten die E-Mail-Adressen der Gäste, verbunden mit der gesetzlich vorgeschriebenen Einverständniserklärung. Da diese aber kaum jemand preisgibt, um anschließend beworben zu werden, bedurfte es einer charmanten Idee. Jeder erhält gerne ein Geburtstagsgeschenk – die eigene Währung des Freizeitbades besteht unter anderem aus der Möglichkeit, Freikarten verschenken zu können, womit sich die Kosten der Aktion in Grenzen halten.

Die Umsetzung: Zunächst wurde ein kleiner Flyer mit Abrisskarte gestaltet, auf dem das Geburtstagsgeschenk – der Freieintritt – in den Fokus gestellt und sozusagen „by the way“ die E-Mail-Adresse abgefragt wurde. Als Grund wurde hierbei angegeben, dass a) die Freikarten nur per E-Mail versendet werden und b) der Gast mit Hilfe des Newsletters stets auf dem aktuellen Stand bleibt und die Möglichkeit erhält, an Sonderaktionen wie Gewinnspielen mit Candlelight-Dinner in der Sauna gewinnen zu können. Dann…

  1. … wurden die Kassenmitarbeiter am Eingang mit dem Sammeln der E-Mail-Adressen beauftragt und für diese Aufgabe geschult
  2. … hat die Marketingabteilung für die CI-konforme Umsetzung gesorgt und kontextbezogene Werbemittel (wie Geburtstagskarte, Gutscheine) entwickelt
  3. … wurden die Kundendaten mit ihrem jeweiligen Interesse (Sauna, Schwimmkurse, Kinderschwimmen, Biergarten, Wellness…) in eine Online-Datenbank eingetragen, um so ein effizientes und vor allem streuverlustarmes Newsletter-Management zu ermöglichen
  4. … wurde eine Facebook-Fanpage eingerichtet, zu der alle Gutscheininhaber in der ersten E-Mail des Freizeitbades herzlich eingeladen wurden
  5. … wurden Aktionen – wie der geöffnete Biergarten oder auch die lange Saunanacht mit Live-Musik – über E-Mail und Facebook kommuniziert

Der Erfolg:

  1. Innerhalb von weniger als vier Wochen hat die Facebook-Fanpage mehr als 1.000 Stammgäste des Freizeitbades als „Freund“ gewonnen.
  2. Die Freunde der Fanpage haben Informationen wie Öffnungszeiten und Events wie die Saunanacht einfach mit ihren eigenen Freunden geteilt – und damit direkte Werbung für das Freizeitbad gemacht.
  3. Sowohl Biergarten-Management als auch Gästezahlen und Event-Auslastung konnten mit Hilfe dieses kleinen strategischen Ansatzes signifikant gesteigert werden.

Vielleicht sagen Sie jetzt: „Na wunderbar, und was hat das mit uns zu tun?“ Vielleicht nichts, vielleicht aber auch alles, denn wenn nicht Sie, die Marketingverantwortlichen, wer sonst soll die wichtige Aufgabe des abteilungsübergreifenden Agierens dann übernehmen?

 

Jürgen Hoffmann bietet seine Marketing- & Sales-Trainings über LIFE'S'COOL an: „Hinter jedem Prozess stehen Menschen, die mit und für Menschen arbeiten. Wir vermitteln Freude am Tun, denn sie ist einer der wirksamsten Motivations-Turbos.“
Jürgen Hoffmann bietet seine Marketing & Sales Trainings über LIFE’S’COOL an: „Hinter jedem Prozess stehen Menschen, die mit und für Menschen arbeiten. Wir vermitteln Freude am Tun, denn sie ist einer der wirksamsten Motivations-Turbos.“

 

 

 

 

 

2 Kommentare
  1. Eigentlich ist das eine Binsenweisheit. Nur wer einmal selbst verkauft hat, ist auch ein guter Marketingfachmann.
    Nicht ohne Grund werden bei P&G Absolventen von der Universität
    erst einmal zum Verkaufen ins Feld geschickt, um zu lernen, wie man im Kopf der Kunden denkt.

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