Wie verbesseren Sie die Candidate Experience für den Arzt?

460
arzt job
© maxsim/ Adobe Stock
Die Candidate Experience des Bewerbers entscheidet darüber, ob ein Klinikum den Mitarbeiter von sich überzeugt oder ihn an eine andere Klinik verliert. Die „Reise“ des künftigen Mitarbeiters  beginnt schon weit vor der Bewerbung.

„Candidate Experience“ oder auch „Candidate Journey“ bezeichnet die Summe der Kontaktpunkte, die ein Bewerber zu einem potenziellen Arbeitgeber hat. Gerade im medizinischen Bereich, wo gutes Fachpersonal rar ist, sollten Kliniken großen Wert darauf legen, eine positive Candidate Experience zu schaffen.

Ein erster Schritt eines guten Candidate Experience Managements ist es, die Perspektive zu wechseln: Spielen Sie den Bewerbungsprozess aus Sicht eines Kandidaten durch! So merken Sie schnell, wo der Bewerbungsprozess hakt.  Sie verlieren zum Beispiel beim Eingeben der Eckdaten in das Online-Formular auf Ihrer Karrierewebsite die Lust? Dann ergeht es dem Kandidaten wahrscheinlich ähnlich. Vielleicht fragt die Einstiegsseite zu viele Informationen ab und sollte verschlankt werden.

1. Touchpoints des Kandidaten vor der Bewerbung

      • Werbung für das Klinikum (Imagebroschüren, Kampagnen)
      • Mediale Berichterstattung (Lokalpresse)
      • Präsenz auf Jobmessen, Hochschulmessen
      • Unternehmenswebsite, Social Media, Blog
      • Influencer (was sagen Ihre Mitarbeiter über Ihr Klinikum?)
      • Arbeitgeber-Bewertungsseiten (Kununu etc.)

Die Candidate Experience lässt sich in drei Phasen unterteilen: Vor der Bewerbung, im Bewerbungsprozess und nach der Bewerbung. Vor der Bewerbung kann man Erstkontakte zu jungen Ärzten sehr gut durch Hochschulmarketing oder – das gilt für die Post-Corona-Zeit – durch einen Ausstellerstand auf Jobmessen wie beispielsweise Operation Karriere erreichen. Tipp: Seien Sie auf diesen Veranstaltungen nicht nur mit dem Personalteam, sondern mit Ärzten vor Ort. Nicht selten entsteht durch den fachlichen Austausch ein Kontakt zum neuen Kollegen. Mit einer Visitenkarte, der Imagebroschüre des Klinikums oder einem gebrandeten Give-away wird sich der Assistenzarzt in spe auch noch nach der Veranstaltung an Sie erinnern.

Bewerbungsprozess transparent machen

Konkret wird die Kandidatenreise bei der aktiven Stellensuche. Gut formulierte Stellenanzeigen, im ärztlichen Bereich ist das Deutsche Ärzteblatt führend mit einem großen Stellenmarkt in Print und Online, und die benutzerfreundliche Gestaltung der Karrierewebsite sind wichtige Stellschrauben in dieser Phase. Wer seine Stellen zusätzlich in sozialen Netzwerken schaltet, solle darauf achten, dass die User dort vor allem mobil unterwegs sind und ein Online-Formular leicht bedient werden kann. Aussagen wie „Melden Sie sich in 3 Schritten an“, erhöhen die Mitmachbereitschaft. Online-Formulare, bei denen der Bewerber auf einen Blick sieht, welche Felder er ausfüllen muss – etwa durch scrollen oder durch eine Gliederung in „Persönliche Angaben“, „Dokumente hochladen“, „versenden“ – sind attraktiver als jene, bei denen der Bewerber erst eine Seite ausfüllen muss, bevor er sich zur nächsten klicken kann. Analysetools wie Google Analytics zeigen, an welcher Stelle Bewerber „abspringen“.

2. Touchpoints des Kandidaten während der Bewerbungsphase

      • Stellenanzeige (ansprechend, informativ, guter Titel?)
      • Bewerbungsprozess (einfach gehalten? schnelle Reaktionszeiten?)
      • Kontakt (Telefonnummer/E-Mail eines Ansprechpartners im Klinikum?)
      • Vorstellungsgespräch (Dialog statt Fragenkatalog? Vorab Informationen zum Gespräch gesendet?)
      • Karriereseite (informativ? Benefits herausgehoben?)
      • Social Media Recruiting  (authentisch? aktuell?)
      • Probearbeiten / Kontakt zu Mitarbeitern (gut geplant? sind Mitarbeiter zufrieden?)
      • Absage (begründet statt standardisiert? Aufnahme in Talent-Pool? Job-Alerts bei neuen Stellen?)

Dass man den Bewerber nicht „zappeln“ lässt, indem er wochenlang keine Rückmeldung erhält, ist selbstverständlich. Idealerweise wird in der Stellenausschreibung ein Ansprechpartner mit Telefonnummer/ E-Mail genannt. Auch eine Einladung zum Vorstellungsgespräch zählt zu dieser Phase. Was hier oft vergessen wird: Nicht nur der Arbeitnehmer muss sich darauf vorbereiten! Die größten Fehler, die man als Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch machen kann, hat Health Relations hier zusammengefasst. Ein ganz wichtiger Punkt: Seien Sie ehrlich!  „Der größte Fauxpas ist, wenn der geplante Stellenschlüssel nicht mit der tatsächlichen Besetzung übereinstimmt – und Bewerber erst nach Arbeitsaufnahme frustriert merken, dass die Dienstbelastung dadurch wesentlich höher ist, als gedacht“,  sagt Dr. Julia Schäfer, Personalchefin der Uniklinik Bonn.

Der erste Arbeitstag ist entscheidend

Sind sich beide Seiten einig geworden, beginnt Phase drei, in die das Onboarding fällt. Der erste Arbeitstag ist ein wichtiger Touchpoint in der Candidate Journey, da hier der neue Kollege prüft, ob seine Erwartungen der Realität entsprechen. Daher sollte man sich als Arbeitgeber die Fragen stellen: Ist es gewährleistet, dass der Arzt fachlich gut und schnell eingearbeitet wird? Kennt der Kandidat die Softwaresysteme des Klinikums oder benötigt er eine technische Schulung? Wie wird gewährleistet, dass er sich sozial gut integrieren kann? Digitale Sprachtrainings für ausländische Ärzte, die vor dem Jobstart beginnen, können das Ankommen erleichtern (hier erfahren Sie mehr zum Thema Onboarding).

3. Touchpoints des Kandidaten nach der Bewerbung

      • erster Arbeitstag (Wie ist die Willkommenskultur im Klinikum?)
      • Onboardingprozess (Welche Bestandteile gehören für Sie dazu?)
      • digitale Trainings (Sprache, Unternehmenskultur)
      • Gespräche / Feedback (Führungskräfte geschult?)
      • Mitwirken an Projekten / Prozessen
      • Mitwirken an Außendarstellung (Testimonial-Kampagne, Markenbotschafter)

Nach der Anfangsphase gilt es, den Mitarbeiter langfristig zu binden, schließlich ist der Kollege inzwischen gut eingearbeitet und fest ins Team integriert. Jeder gute Mitarbeiter, der aufgrund von Unzufriedenheit das Klinikum wieder verlässt, bedeutet erneute Kosten für die Bewerbersuche und eine höhere Belastung für das Team. Regelmäßige Mitarbeitergespräche und Feedbackrunden sind deshalb ein weiterer Punkt in der Candidate Experience.

Viele Mitarbeiter wünschen sich, „gehört“ zu werden. Sie wollen sich in organisatorische Entscheidungen einbringen, unabhängig davon, ob sie als Assistenzarzt oder Oberarzt einsteigen. Das wiederum wirkt sich positiv auf die Arbeitszufriedenheit aus. Und aus zufriedenen Arbeitnehmern werden Markenbotschafter für das Klinikum.


Dieses Thema könnte Sie auch interessieren:

Onboarding in Krankenhäusern: So gelingt der Start mit neuen Ärzten

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein