Dentalmarkt: Übernahmen durch Private Equity

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Kürzlich erschien die erste wissenschaftliche Studie, die die Übernahmen von Zahnarztpraxen durch Investmentfonds untersucht. Die Ergebnisse bestätigen einen Marktumbruch.

Das Jahr 2018 markierte einen Wendepunkt im Dentalmarkt: Das war das Jahr, in dem eine steigende Anzahl von Private-Equity-Gesellschaften in den deutschen Gesundheitssektor einstiegen und zahnmedizinische Facharztpraxen übernahmen. Das Institut Arbeit und Technik (IAT) an der Westfälische Hochschule hat diese Entwicklung nun erstmals wissenschaftlich untersucht. Für die Studie wurden Transaktionsdaten aus verschiedenen Quellen von 2013 bis zum 1. Halbjahr 2018 ausgewertet.

Übernahmen betreffen besonders Zahnarztpraxen

Die Forscher ermittelten insgesamt im Gesundheitssektor rund 130 Übernahmen von Unternehmen mit einem medizinischen und pflegerischen Bezug. Dabei hat die Dynamik insbesondere in den letzten Jahren zugenommen.

Vor allem in der Zahnmedizin ist der Trend zur Übernahme festzustellen. Hier zeigt sich, dass die übernehmenden Private-Equity-Gesellschaften mehrheitlich bereits fachgleiche Ketten im europäischen Ausland betreiben. Die Ketten expandieren vor allem über den Kauf von Praxen, deren Inhaber einen Nachfolger suchen. Bis Jahresende 2018 befanden sich laut Studie 60 zahnmedizinische Standorte (MVZ, Praxis eines MVZ, Zahnklinik) in der Hand von Beteiligungsgesellschaften.

Alle übernommenen zahnmedizinischen Einrichtungen gehören zu einer der sieben zahnmedizinischen Ketten, die derzeit in Deutschland durch Private-Equity-Eigentümer (Nordic Capital, Schweden; Quadriga, Deutschland; EQT, Schweden; Summit Partners, USA; Investcorp, Bahrain; Altor Equity, Schweden; Jacobs Holding, Schweden) aufgebaut werden. Auffällig ist, dass bereits zwei der Ketten an eine weitere Private-Equity-Gesellschaft weiterverkauft wurden.

Strukturen und Marketing vereinheitlicht

Nach dem Kauf oder Zahnarztpraxen der MVZ durch die Private Equity-Gesellschaften erfolgt in der Regel der Aufbau einer neuen Dachmarke und eines gemeinsamen Marketings. Außerdem werden einheitliche Strukturen etabliert, beispielsweise in der Buchhaltung und Abrechnung gegenüber den Krankenkassen, Personalwesen, IT, Einkauf und beim Monitoring der Anforderungen, die der Gesetzgeber und die Krankenkassen stellen. Auch die Einrichtung einer spezifischen Wertschöpfungskette, etwa bei der Bestellung von Materialien, stellten die Forscher fest. Außerdem registrierten sie einen unternehmensübergreifenden Wissensaustausch mit dem Ziel, die medizinischen Abläufe zu optimieren. International operierende Unternehmen werden darüber hinaus eine länderübergreifende Zusammenarbeit forcieren, so die Ergebnisse der Studie.

Alle Investmentgesellschaften geben an, die Käufe der Fachpraxen nicht als Gelegenheitsinvestment zu betrachten, sondern als „besondere Konsolidierungschance“ in einen großen Markt. Dies hat nach Aussagen der Forscher tiefgreifende Auswirkungen: „Die Marktöffnung von 2015 wird als Game-Changer betrachtet, der zwangsläufig zu einer Neuordnung dieses Marktes führen wird.“

Zahnärzte warnen vor „Ausverkauf“

Vonseiten der zahnärztlichen Vertretungen werden diese Entwicklungen mit Sorge betrachtet. Der Präsident der Bundeszahnärztekammer Dr. Peter Engel übte schon im vergangenen Jahr Kritik und warnte vor einem Ausverkauf zahnmedizinischer Versorgung. „Wir haben bereits heute besorgniserregende Entwicklungen bei den Dentalketten in vielen EU-Mitgliedstaaten. Auch in Deutschland sind Dentalketten auf dem Vormarsch. Wir dürfen nicht die gleichen Fehler machen, wie andere Länder. Patientenschutz muss vor Rendite-Interessen gehen.“

Anlässlich des Deutschen Ärztetages 2018 sagte Dr. Wolfgang Eßer, Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung: „Reine Zahnarzt-MVZ und deren Ketten unter Kontrolle von versorgungsfremden Investoren befeuern das Praxissterben und damit Unterversorgung in ländlichen und strukturschwachen Gebieten, während sie Über- und Fehlversorgung in Großstädten und einkommensstarken Regionen forcieren. Das gefährdet die Sicherstellung der flächendeckenden und wohnortnahen Versorgung, gefährdet das Recht auf freie Arztwahl der Patienten und schadet der Freiberuflichkeit, die dem Patientenwohl verpflichtet ist.“

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