Recruiting in Kliniken: „Keine Kompromisse in Personalangelegenheiten“

468

In Zeiten von Fachkräftemangel sind Kliniken froh um jeden Bewerber. Sollte man ihm auch die Stelle geben, wenn das Bauchgefühl sagt, „der Kandidat passt nicht zu 100 Prozent“?

Flops bei der Personalgewinnung will jede Klinik vermeiden. Worauf man bereits bei den Bewerbungsunterlagen achten sollte und mit welchen Fragen man wirklich etwas über die Persönlichkeit des Bewerbers erfährt, sagt Personalberaterin Dorothea Rickert, Geschäftsführerin der HealthCare Personalmanagement GmbH, im Interview.

Health Relations: Es ist schwer, für manche Positionen in Kliniken überhaupt einen passenden Arzt zu finden. Warum sollte man dennoch nicht den Erstbesten nehmen?

Dorothea Rickert: Von Kompromissen in Personalangelegenheiten ist unserer Erfahrung nach dringend abzuraten. Meist sind die negativen Konsequenzen von Personalentscheidungen, die aus einer Notlage heraus getroffen wurden, gravierender als eine temporäre Nichtbesetzung der Position. Eine Fehlbesetzung kann die Motivation des gesamten Teams herabsetzen, funktionierende Abläufe empfindlich stören und die Arbeitsatmosphäre dauerhaft negativ beeinflussen.

Health Relations: Worauf achten Sie bei den Bewerbungsunterlagen?

Rickert: Auf die Vollständigkeit der Zeugnisdokumente, die Aktualität des CV sowie des Fotos und unabdingbar auf die Qualität der Zeugnisaussagen.

„Wir sind der festen Überzeugung, dass das Persönlichkeitsprofil eines Bewerbers mindestens die gleiche Wertigkeit hat wie seine fachliche Qualifikation.“

istock Photos
Mühsam gefundene Ärzte sollen langfristig an das eigene Haus gebunden werden. © iStock Photos

Health Relations: Macht es dabei einen Unterschied, ob ein Arzt oder Pflegepersonal oder ein IT-Mitarbeiter gesucht wird?
Rickert: Auf keinen Fall, die Prozessqualität darf sich nicht nach der zu besetzenden Position richten, sondern muss gleichermaßen auf den Prüfstand kommen. Lediglich das Auswahlverfahren auf Kundenseite variiert mit der Bedeutung der zu besetzenden Position. So gibt es bei Chefarzt-Mandaten ein dreistufiges Verfahren unter Einbeziehung des Aufsichtsrates während es bei anderen Positionen meist 1 bis 2 Präsentationen mit 1 bis 3 Gesprächspartnern sind.

Health Relations: Kommt es nur auf die fachliche Qualifikation an – oder was macht einen Bewerber zu einem interessanten Vorstellungskandidaten?

Rickert: Wir sind der festen Überzeugung, dass das Persönlichkeitsprofil eines Bewerbers mindestens die gleiche Wertigkeit hat wie seine fachliche Qualifikation und insbesondere in Führungspositionen sogar die bedeutsamere Befähigung ist. In Zeiten knapper Personalressourcen ist das Thema Führung ein ganz entscheidendes Kriterium zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit. Mühsam gefundene Ärzte sollen langfristig an das eigene Haus gebunden werden. Dies erfordert neben einer erstklassigen Weiterbildung auch einen zeitgemäßen Führungsstil.

„Suggestivfragen sind im Bewerbungsgespräch fehl am Platz.“

Health Relations: Im Gespräch: Mit welchen Fragetechniken erfährt man Aussagekräftiges von dem Kandidaten? Also Informationen, die man nicht auch im Lebenslauf lesen könnte?

Sich Zeit nehmen – rund 90 Minuten – zeigt die Wertschätzung gegenüber dem Bewerber.

Rickert: Nachdem die Bewerber im Interview zunächst frei ihren Werdegang schildern, stellen wir gezielte Fragen zur Fachlichkeit, Persönlichkeit und Motivation. Suggestivfragen sind hier fehl am Platz. Getroffene Aussagen des Bewerbers werden mit der Aufforderung zur Nennung von Beispielen aus dem Arbeitsalltag validiert. Grundsätzlich müssen mögliche Unklarheiten und Ungereimtheiten sofort kritisch hinterfragt und lückenlos aufgeklärt werden.

Health Relations: Wie viel Zeit sollte man sich für das Gespräch nehmen und wer sollte dabei anwesend sein?

Rickert: Grundsätzlich sollte man sich die Zeit nehmen, die das individuelle Gespräch respektive der Bewerber benötigt. Erfahrungsgemäß sind 90 Minuten hierfür ausreichend und wertschätzend gegenüber dem Bewerber. Das Interview sollte jemand führen, der erstens über ausreichend Erfahrung in der Gesprächsführung und der Branche verfügt und zweitens mit dem Projekt inhaltlich gut vertraut ist, um professionell die richtigen Fragen stellen und im Gegenzug die Erkundigungen des Bewerbers in vollem Umfang befriedigen zu können.

„Körpersprache, Gesten, Mimik und Blickkontakt geben wichtige Informationen über die Persönlichkeit eines Bewerbers preis.“

Health Relations: Welche Aussagekraft haben Ihrer Erfahrung nach nonverbale Aussagen?

Rickert: Körpersprache, Gesten, Mimik und Blickkontakt geben wichtige Informationen über die Persönlichkeit eines Bewerbers preis, ohne dass sich dieser dessen bewusst ist. Der Wahrheitsgehalt dieser meist unbewusst gesendeten Informationen ist entsprechend hoch. Kann ein Bewerber z.B. keinen Blickkontakt halten oder schaut häufig aus dem Fenster, lässt dies Rückschlüsse auf seine generelle Interaktion mit anderen Menschen zu und ist beispielsweise für eine Führungsposition negativ zu bewerten.

Health Relations: Angenommen, der Bewerber wirkt im Vorstellungsgespräch überzeugend. Sollte man ihn das wissen lassen? Wie verbindlich sollte man auftreten?

Rickert: Selbstverständlich. Eine gesunde Feedbackkultur und eine transparente Kommunikation zeichnen ein vertrauensvolles und professionelles Gespräch aus. Der Bewerber soll unbedingt auch von dem Gespräch profitieren dürfen. Ohne Verbindlichkeit entsteht kein Vertrauen.

Dorothea Rickert ist Geschäftsführerin der HealthCare Personalmanagement GmbH. HealthCare Personalmanagement ist eine auf das Gesundheitswesen spezialisierte Personalberatung mit Sitz in Düsseldorf. Seit 12 Jahren vermittelt HealthCare Personalmanagement hochqualifizierte Führungskräfte und Mediziner an deutsche Kliniken, Praxen, Reha-Einrichtungen und Pharma-Konzerne. Kontakt: www.healthcare-personal.de

 

 

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein