Große Klinik versus kleine Klinik: Was sind die Herausforderungen im Recruiting?
Recruitingexperte Henrik Zaborowsi erklärt, warum kleine Kliniken im Recruitingprozess Vorteile gegenüber großen Häusern haben und was letztere sich von der Konkurrenz abschauen können.
Henrik Zaborowski:Am Ende des Tages ist das immer individuell, aber man kann an dieser Stelle ein Krankenhaus wie jedes andere Wirtschaftsunternehmen betrachten. Der Vorteil der großen Häuser ist oft, dass sie bekannter sind und sie oft nach dem Motto „groß gleich erfolgreich, gleich gut“ wahrgenommen werden. Das zieht in der Regel mehr potenzielle Bewerber an. Währenddessen müssen die kleinen um Aufmerksamkeit kämpfen. Ein Beispiel: Die Uniklinik Köln kennt jeder, das Krankenhaus Köln-Porz nicht unbedingt.
Health Relations: Das sind die Vorteile der großen Häuser und welche Nachteile haben sie?Henrik Zaborowski:Diese Aussage ist natürlich pauschalisierend, aber groß bedeutet oft auch unpersönlich. Viele große Arbeitgeber ruhen sich oft auf ihren vermeintlichen Vorteilen aus oder fühlen sich in der überlegenen Position. Sie haben das Gefühl, unter Bewerbern auswählen zu können. Bei kleineren Kliniken ist das individuelle Eingehen auf Bewerber oft besser. Diese bekommen dann das Gefühl, man gibt sich mehr Mühe.
Health Relations: Womit stehen sich manche Häuser denn selbst im Weg?Henrik Zaborowski: Manchmal sind es administrative Prozesse, in denen erst geklärt werden muss, wer sich um welche Aufgabe kümmert. Möglicherweise will erst der Oberarzt alles absegnen. Er ist aber gerade beschäftigt und dann dauert so ein Bewerbungsprozess schnell mal zwei Wochen. Zu lange Einstellungsverfahren führen dazu, dass Bewerber das Handtuch schmeißen. In größeren Kliniken wird oft in Prozessen gedacht. In kleineren gibt es dann dagegen eine Person, die die Prozesse sein lässt und sich kümmert und genau dieses Kümmern macht dann den Unterschied.
Health Relations: Wie zeigt sich das beim Bewerber?Henrik Zaborowski: Zum Beispiel ruft jemand zeitnah beim Bewerber an, fragt, wann dieser Zeit hat und macht für den nächsten Tag einen Termin für ein Gespräch aus. In großen Häusern wird erst der Prozess angeschaut, ein Termin für in zehn Tagen festgelegt. Erst dann wird geprüft, ob der Bewerber Zeit hat. Mit Schnelligkeit, Flexibilität und einer persönlichen Note punkten kleinere Krankenhäuser. Das können sich größere Kliniken abschauen.
Health Relations: Große Häuser haben oft professionelle Webseiten. Die sind aber häufig unpersönlich. Was ist hier das Problem?Henrik Zaborowski: Das Kernproblem ist, dass man für jede Zielgruppe die relevanten Informationen liefern muss. Es gibt aber unterschiedliche Zielgruppen wie das Pflegepersonal, Ärzte, Medizin-ITler etc. Für all diese müsste ich eigentlich zielgerichtete Informationen zu Verfügung stellen. Da scheitern schon die meisten Karrierewebsites. In der Regel liest man Informationen über das Krankenhaus mit Bettenanzahl, ob man Maximalversorger ist und so weiter, aber das interessiert die Zielgruppe nicht. Oft wird das Ganze noch mit glattgebügelten, von der Unternehmenskommunikation freigegebenen Pressetexten unterfüttert. Da fragt man sich dann als Bewerber, wie authentisch das ist. Health Relations: Und was sollten Kliniken stattdessen machen?Henrik Zaborowski: Wie gesagt, idealerweise stellt man für jede Bewerberzielgruppe relevante Informationen zu Verfügung. Um einen echten Eindruck von dem Krankenhaus zu vermitteln, sollte man vielleicht Mitarbeiter zu Wort kommen lassen. Da bietet sich die Pflegedienstleitung, der Chefarzt oder zukünftige Kollegen an. Man kann auch mal über die Schattenseiten sprechen, zum Beispiel, indem man auch mal zugibt, dass im eigenen Krankenhaus auch nicht immer alles Gold ist, was glänzt oder man den Job auch nicht neu erfindet. Das wirkt ehrlich und authentisch. Das zaubert vielleicht nicht mehr Bewerber, aber die fünf, die sich die Karriereseite anschauen, fühlen sich dann eher abgeholt. Die Botschaft ist: Da hat sich jemand Mühe gegeben und vielleicht gibt man sich auch Mühe, wenn ich als Mitarbeiter dort arbeite.
Henrik Zaborowski ist seit Ende seines Studiums im Jahr 2000 in der Recruitingbranche tätig. Nach mehreren Stationen als freiberuflicher und angestellter Personalberater, u.a. bei der access AG und der Promerit AG, sowie als Inhouse Recruiter ist er seit Ende 2013 als Recruitingcoach und Interim Recruiter selbständig.
Health Relations: Welche Vorteile haben große Krankenhäuser im Recruitingprozess gegenüber kleinen?"Arbeitgeber müssen in Zukunft schneller und direkter werden und sich mehr Mühe geben."Health Relations: Sie sagten eben, dass man das nicht pauschalisieren kann.Henrik Zaborowski: Ja, sehen Sie: Heute funktioniert alles nur über Schnelligkeit, persönliche Nahbarkeit und das individuelle Eingehen auf den Bewerber. Das ist der Schlüssel. Das können große Krankenhäuser auch, wenn sie entsprechend eingestellt sind und kleine können es manchmal nicht, weil die Personalabteilung vielleicht völlig überfordert ist. Aber tendenziell kann man festhalten, dass eine Klinik stärker in Prozessen denkt, je größer sie ist. Das macht das Unternehmen behäbiger und unpersönlicher. In einem kleinen Haus ruft der Chefarzt vielleicht eher mal den Bewerber persönlich an. Health Relations: Welche Schlüsse ziehen Sie aus diesen Beobachtungen?Henrik Zaborowski: Arbeitgeber müssen in Zukunft schneller und direkter werden und sich mehr Mühe geben. Da würde ich per se einen kleinen Vorteil bei den kleinen Krankenhäusern sehen. Health Relations: Oft haben kleine Häuser nicht so professionelle Bewerberseiten, ist das ein Problem?Henrik Zaborowski: Wie gut eine Webseite gepflegt ist, ist natürlich kein Indikator für die Qualität der Pflege eines Hauses, aber natürlich isst das Auge immer mit. Und wenn die Seite in den 90ern stehengeblieben ist, fragt sich der Bewerber schon, auf welchem Stand die allgemeine technische Ausstattung der Klinik ist.
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Health Relations: Große Häuser haben oft professionelle Webseiten. Die sind aber häufig unpersönlich. Was ist hier das Problem?Henrik Zaborowski: Das Kernproblem ist, dass man für jede Zielgruppe die relevanten Informationen liefern muss. Es gibt aber unterschiedliche Zielgruppen wie das Pflegepersonal, Ärzte, Medizin-ITler etc. Für all diese müsste ich eigentlich zielgerichtete Informationen zu Verfügung stellen. Da scheitern schon die meisten Karrierewebsites. In der Regel liest man Informationen über das Krankenhaus mit Bettenanzahl, ob man Maximalversorger ist und so weiter, aber das interessiert die Zielgruppe nicht. Oft wird das Ganze noch mit glattgebügelten, von der Unternehmenskommunikation freigegebenen Pressetexten unterfüttert. Da fragt man sich dann als Bewerber, wie authentisch das ist. Health Relations: Und was sollten Kliniken stattdessen machen?Henrik Zaborowski: Wie gesagt, idealerweise stellt man für jede Bewerberzielgruppe relevante Informationen zu Verfügung. Um einen echten Eindruck von dem Krankenhaus zu vermitteln, sollte man vielleicht Mitarbeiter zu Wort kommen lassen. Da bietet sich die Pflegedienstleitung, der Chefarzt oder zukünftige Kollegen an. Man kann auch mal über die Schattenseiten sprechen, zum Beispiel, indem man auch mal zugibt, dass im eigenen Krankenhaus auch nicht immer alles Gold ist, was glänzt oder man den Job auch nicht neu erfindet. Das wirkt ehrlich und authentisch. Das zaubert vielleicht nicht mehr Bewerber, aber die fünf, die sich die Karriereseite anschauen, fühlen sich dann eher abgeholt. Die Botschaft ist: Da hat sich jemand Mühe gegeben und vielleicht gibt man sich auch Mühe, wenn ich als Mitarbeiter dort arbeite.
Henrik Zaborowski ist seit Ende seines Studiums im Jahr 2000 in der Recruitingbranche tätig. Nach mehreren Stationen als freiberuflicher und angestellter Personalberater, u.a. bei der access AG und der Promerit AG, sowie als Inhouse Recruiter ist er seit Ende 2013 als Recruitingcoach und Interim Recruiter selbständig.