Immer mehr junge Unternehmen und Communities gehen neue Wege, um kreative Lösungen für die vielfältigen Herausforderungen im Gesundheitswesen zu entwickeln.
Viele der großen Player im Gesundheitswesen tun sich schwer mit echter Innovation. Dies ist aus meiner Sicht völlig normal und kein Vorwurf an die Industrie. Denn Unternehmen sind oftmals im „Innovator’s Dilemma“ gefangen: Sie orientieren sich an Kunden, dem Wettbewerb und ihren Investoren. Die Folge: Innovationen spielen sich eher im Rahmen von Verbesserungen bestehender Produkten und Lösungen und weniger in der Entwicklung völlig neuer Ansätze ab.
Auf diese Weise entsteht Raum für immer mehr junge Unternehmen und Communities, die unter dem Sammelbegriff Health 2.0 neue Wege gehen, um kreative Lösungen für die vielfältigen Herausforderungen im Gesundheitswesen zu entwickeln.
Möglich macht dies die zunehmende Digitalisierung in der Gesundheitsbranche. Sie sorgt dafür, dass die Kosten, neue Ideen auf dem Markt zu bringen, drastisch sinken. In anderen Branchen hat man sich schon daran gewöhnt, dass theoretisch ein Computer, günstige Hardware, Kreativität, Mut und Leidenschaft ausreichen, um ein Business zu etablieren. Dies ist nun auch zunehmend im Healthcare-Sektor der Fall. Und genau hier liegt die große Stärke der Start-ups: Mit Begeisterung Dinge neu zu denken und anzupacken, unkonventionelle Allianzen zu schmieden und gemeinsam an Lösungen zu tüfteln – diese Herangehensweise bietet ein enormes Potenzial für unser Gesundheitswesen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass sich nicht nur immer mehr Risikokapitalgeber, sondern auch etablierte Healthcare-Unternehmen für Start-ups und Communities aus dem Health 2.0-Umfeld interessieren. Dabei stellt sich für viele Unternehmen die Frage, wen sie da eigentlich vor sich haben und welche Möglichkeiten es für Partnerschaften und Kooperationen gibt.
Health 2.0 Meetups
In einem ersten Schritt sollten sich Unternehmen darüber klar werden, wie eine Health 2.0 Community tickt und welche Spielregeln gelten. In vielen deutschen Städten haben sich sogenannte Health 2.0 Meetups etabliert, die eine erste Anlaufstelle bieten. Da jede Community sich etwas anders positioniert, möchte ich hier die Health Hackers Erlangen als Beispiel nehmen – auch weil ich hier als Mitinitiator die besten Einblicke habe. Was vor rund zwei Jahren als loser Zusammenschluss von Programmierern, Ärzten und Tüftlern mit der Leidenschaft für neue Technologien im Gesundheitswesen begonnen hat, ist mittlerweile ein gemeinnütziger Verein mit regelmäßigen Treffen und Events, der auch das Interesse der Industrie geweckt hat.
Dos and Dont’s für Unternehmen
Und genau hier wird es spannend: Vertreter von Unternehmen sind nämlich herzlich willkommen und ausdrücklich erwünscht – wenn sie bereit sind, sich auf die Kultur und die Werte der Community einzulassen. Dazu zählt die Bereitschaft, sich auf Augenhöhe zu begegnen und ein Geben und Nehmen auf Open Source-Basis zu akzeptieren. Oder anders gesagt: Wer zu bürokratisch auftritt, Informationen zurückhält und versucht, sich mit NDAs und Co. abzusichern, wird es schwer haben, Teil einer Health 2.0 Community zu werden. Schaffen sie es allerdings, über ihren Corporate-Schatten zu springen, bieten sich für Unternehmen viele spannende Möglichkeiten: Sie lernen in einem frühen Stadium neue Technologien und Start-ups kennen, können im Rahmen von Hackathons selbst Aufgabenstellungen einbringen, die für ihr Unternehmens relevant sind, und erhalten Zugriff auf Talente mit Expertise und Leidenschaft.
Mehr Raum für Innovationen
Natürlich wird auch in Zukunft der erste Reflex der Industrie sein, spannende Start-ups und damit Innovationen einzukaufen. Hier ist die größte Herausforderung, bestehende Kulturunterschiede zu überwinden, Start-ups in die Wertschöpfungskette zu integrieren und dennoch ihre Innovationskraft zu bewahren. Parallel dazu gibt es aber immer mehr etablierte Healthcare Player, die neue Wege gehen und reale sowie virtuelle Räume für Innovationen schaffen. Dort versammeln sich interne und externe Experten aus verschiedenen Disziplinen, um gemeinsam an den Ideen und Lösungen für das Gesundheitswesen von morgen zu tüfteln – offen, transparent und partnerschaftlich. Ein spannender Ansatz für eine neue Innovationskultur mit einem enormen Potenzial für unser Gesundheitswesen.