Ethnomarketing: Wie Sie ethnische Gruppen zielsicher erreichen

Unsere Aufgabe bestand darin, die Bekanntheit einer vererbbaren autoinflammatorischen Erkrankung zu steigern. In Deutschland haben 9 von 10 Patienten dieser Krankheit einen türkischen Hintergrund. Weil diese Krankheit aber eine der seltenen Erkrankungen ist, sind Disease Awareness und das Wissen über Symptome und Behandlungsmöglichkeiten vergleichsweise gering ausgeprägt.
Was ist nun zu berücksichtigen, wenn es darum geht, für eine so definierte Zielgruppe eine Kommunikationskampagne zu entwickeln? Die größte Gefahr im Ethnomarketing liegt darin, an der Zielgruppe vorbeizuarbeiten oder, schlimmer noch, sie durch Unsensibilität zu beleidigen. Die zweite Herausforderung liegt in einem Kanalmix, der unnötige Streuverluste vermeidet.
Dialog mit der türkischen Community suchen
Unsere erste zentrale Frage: Wie muss Kommunikation aussehen, damit sie in dieser Community funktioniert? Diese Frage umfasst natürlich mehr als nur das Visuelle. Wie soll sich die Kommunikation anfühlen? Woran kann sie anknüpfen? In welcher Sprachwelt, wenn nicht gar in welcher Sprache erzählen wir? Eine Literaturrecherche ist zumeist der erste Schritt, um diesen Fragen näherzukommen. Wirklich produktiv wird es hingegen, sobald Sie in den Dialog mit Gesprächspartnern aus der Community startet – idealerweise gleich zu Beginn des Projektes. Dieser Austausch gibt allen im Team die Möglichkeit, sich mit den Werten und der Kultur der Zielgruppe vertraut zu machen. Wer ist zum Beispiel üblicherweise in der Familie für Gesundheitsthemen zuständig? Mit welchen Begriffen wird über die Erkrankung gesprochen? Welche Wortwahl wird hingegen als unpassend empfunden, zum Beispiel auch bei der Bezeichnung der ethnischen Gruppe? Wichtig ist, dass die Gespräche offen und ehrlich stattfinden dürfen. Nur so können Konzepter, Grafiker und Texter ihre Vorstellungen von der Zielgruppe effektiv überprüfen und dazulernen.Was haben wir neu erfahren oder bestätigt gefunden?
- Familie ist vielen Türken in Deutschland wichtiger als den Deutschen ohne Migrationshintergrund. Gemeinschaft ist wichtiger Teil der Kultur und sollte in der Motivwelt berücksichtigt werden.
- Der soziale Zusammenhalt innerhalb der Community ist stark, und häufig sind die Hausärztin oder der Anwalt der Familie ebenfalls türkischstämmig. Da überrascht es auch nicht, dass Mund-zu-Mund-Propaganda im Vergleich einen hohen Stellenwert im Informationsverhalten hat.
- Die große Mehrheit bezeichnet sich als Muslime. Ein Kopftuch ist jedoch keine fixe Norm.
- Die jüngeren Generationen der Türken in Deutschland sprechen fließend Deutsch, wohingegen sich vor allem die Großelterngeneration, erst recht im spezifisch medizinischen Kontext, mit der Sprache schwerer tut. Sollen sich also Großeltern und Onkel und Tanten nicht ausgeschlossen fühlen, müssen Kampagnenmaßnahmen zweisprachig sein.

