Uwe Marquardt, Kreativ-Geschäftsführer bei Scholz & Friends Health und Juror beim COMPRIX, entwickelt seit Jahren Kampagnen für Pharmaunternehmen. Beim wichtigsten Kreativpreis der Branche sieht er, was möglich ist und in der Realität oft unterbleibt: kreative Konzepte, die Komplexität verständlich machen, Ärzte als Menschen ansprechen und sich nicht hinter Stockfotos verstecken. Ein Gespräch über wissenschaftliches Storytelling, Mut zur Eigenständigkeit und die Kunst, in zehn Sekunden zu überzeugen.

10 Sekunden, um zu überzeugen

Die Forschungsabteilung eines Pharmaunternehmens entwickelt über Jahre hinweg einen Wirkstoff, testet ihn in präklinischen und klinischen Studien – auf Sicherheit, Wirksamkeit, Dosierung. Dann, nach weiteren Monaten, erfolgt die Zulassung. Parallel dazu beginnt der Job der Kreativen – von Menschen wie Uwe Marquardt, Managing Director Creation bei Scholz & Friends Health. Er hat am Ende 10 Sekunden, um den Arzt mit seiner Idee zu überzeugen. Wenige Sekunden, um Aufmerksamkeit zu erzeugen, damit eine Botschaft ihre Wirkung entfaltet. In wenigen Worten und mit eindrücklichen Bildern muss verständlich werden, worum es geht. „Möglichst schnell, möglichst klar und mit eindeutigem Nutzen für den Patienten“, sagt Marquardt.

So wie die Idee für einen TV-Spot, der vor einigen Jahren für das Fluorid-Gel „elmex Gelée“ umgesetzt wurde. Im Zentrum: ein Ei, dessen Schale als Symbol für Zahnschmelz stand. Mit Fluorid behandelt und in Säure gelegt, sah man deutlich, dass die behandelte Stelle am Ei weniger angegriffen wird. „Für mich ist das eine perfekte Verbindung von Wissenschaft und Kreativität.“ Kreativität ist für ihn vielschichtig. Sie zeigt sich im Keyvisual einer Kampagne – oder in einer Mode-of-Action-Visualisierung, die komplexe medizinische Prozesse verständlich macht. Oder in klugen Maßnahmen für den Außendienst, die im direkten Kontakt mit den Medizinerinnen und Medizinern stehen und mehr Zeit haben, mit guten Argumenten zu überzeugen. Doch auch hier gilt: Komplexe Inhalte schnell und klar vermitteln.

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© COMPRIX

COMPRIX: Deutschlands Award für exzellente Kreativität in Healthcare

Am 12. Juni 2026 werden in Köln die im deutschsprachigen Raum wichtigsten Awards für hervorragende Healthcare-Kampagnen verliehen. Am 3. November 2025 beginnt die Einreichungsphase für den Award und endet im Februar 2026. Ausgezeichnet werden die Agenturen und ihre Auftraggeber für die besten und kreativsten Werbemittel und Kampagnen, Anzeigen, Radio- und TV-Spots, Online-, Multimedia- und anderen Kommunikationsmaßnahmen. Der Preis für kreative Healthcare-Kommunikation wird vom COMPRIX-Beirat ausgerichtet, dem auch der Deutsche Ärzteverlag angehört.


Von Zigaretten zur Health-Kommunikation

Uwe Marquardt hat in der Werbung vieles gesehen. Er entwickelte Promotions, Plakate und Kinospots für einen amerikanischen Zigarettenhersteller, bevor ihn ein Auftrag für eine Zahnpasta-Marke in die Gesundheitskommunikation führte. Und die lässt ihn bis heute nicht los. Heute betreut er Professionals-Kampagnen etwa zu onkologischen Produkten, Lungenfibrose und Migräne. „Es geht darum, schwierige Inhalte greifbar zu machen. Das erfordert Kreativität – verbunden mit Intelligenz. Wissenschaftlichkeit und Kreativität schließen sich nicht aus, sie ergänzen sich hervorragend.“

Kreativität entsteht in seinen Augen nur, wenn Agentur und Kunde sie zulassen und bereit sind, Risiken einzugehen. „Beide Seiten müssen es wollen.“ Wenn sich COMPRIX-Juror Marquardt die dort eingereichten Kampagnen ansieht, wirkt es, als gäbe es in Deutschland kein Kreativitätsproblem. Doch beim Blick in die Fachzeitschriften stellt er fest: „Die Qualität ist oft durchwachsen.“ Das liegt auch an stereotypen Stockbildern einer Klischee-Ärztewelt. Werden sie aus Ideenmangel genutzt, wirken sie austauschbar und beliebig. Mit einer starken Idee hingegen kann selbst Stock funktionieren.

Warum aber kommen so viele Kreative auf ähnliche Ideen? Für Marquardt liegt das an den oft identischen Wirkversprechen der Produkte. „Es geht fast immer um die Verbesserung des Gesundheitszustands oder die Verlangsamung eines Verlaufs. Deshalb ist Kreativität der entscheidende Differenzierungsfaktor.“  Künstliche Intelligenz eröffne faszinierende Möglichkeiten für die Kreation: „Am Ende hängt jedoch alles vom kreativen Kopf ab, der dahintersteckt.“

Den Arzt als Mensch erreichen

Entwickelt Uwe Marquardt eine Kampagne, versetzt er sich in die Situation des Arztes oder der Ärztin und wählt einen empathischen Kommunikationszugang. „Den Arzt sehe ich nicht nur als Fachmann, sondern als Mensch. Nur weil er einen weißen Kittel trägt, ist er kein Roboter. Er reagiert auf dieselben Dinge wie wir alle.“ Mit Humor in der Werbung ist er vorsichtig. Bei schweren oder chronischen Erkrankungen ist er fehl am Platz. Und ein weiteres Kreativitätsprinzip hat er sich zu eigen gemacht: Bei RX-Kampagnen nimmt er die Patientenperspektive ein und stellt sich die Frage: „Wenn der Patient das jetzt sehen würde, würde er sich verstanden oder auf den Schlips getreten fühlen?“

Studien und Fakten sind wichtig, um den Gesundheitsnutzen eines Medikaments zu belegen. „Doch auch eine Tabelle kann emotional sein. Wenn daraus hervorgeht: Patienten leben im Schnitt 2,67 Jahre länger, dann geht es nicht nur um Zahlen, sondern um mehr Zeit mit der Familie. Das ist emotionale Kommunikation.“

Internationale Kampagnen: Kein Copy-and-paste

Könnte Uwe Marquardt im RX-Marketing etwas grundlegend verändern, dann würde er bei internationalen Copy-Paste-Kampagnen sein Veto einlegen. Beispielsweise unterscheiden sich die Gesundheitssysteme in den USA und Deutschland grundlegend: Was in Deutschland verschreibungspflichtig ist, kann eine Patientin in den USA, überspitzt ausgedrückt, womöglich im örtlichen Drugstore kaufen. Kulturelle Bezüge funktionieren zudem nur im jeweiligen Sprachraum. „Ich wünsche mir mehr Mut zur Eigenständigkeit in der Kreation. Ein One-fits-all-Ansatz wird der lokalen Zielgruppe oft nicht gerecht.“

Im Consumer-Bereich werden aufwändige Marketing-Tests durchgeführt, im RX-Bereich sind die Zielgruppen kleiner und spezifischer. Um hier Ton und Botschaft richtig zu treffen, sind andere Kreativitätstechniken gefragt. Ganz wichtig sind ihm Gespräche mit Ärztinnen und Ärzten über ihre Probleme, Fragen und Informationsbedürfnisse. Ebenso wichtig ist das Feedback vom Außendienst, der im direkten Gespräch mit dem Mediziner auch erfährt, was nicht verstanden wurde. Nicht zuletzt sind die Gespräche mit den Medicals in der Agentur und in den Pharmaunternehmen für ihn wichtig. Sie liefern medizinische Hintergründe und helfen, Ideen umsetzbar zu machen. Und was, wenn am Ende jemand aus dem Legal-Team sagt „Das geht nicht!“? Davon lässt sich Marquardt nicht abschrecken, dann wird nach einer neuen Lösung gesucht: „Die Regularien des HWG sind streng – aber sie fordern unsere Kreativität heraus. Das macht den Job spannend.“