Who’s who | Dr. Ute Simon, Novartis: „Eine Chance, sichtbarer zu machen, was wir tun“

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Dr. Ute Simon von Novartis
Dr. Ute Simon, Global Head Medical Affairs on international assignment bei AAA, a Novartis Company © Wolf-Peter Steinheisser | Photography
Dr. Ute Simon arbeitet seit 16 Jahren bei Novartis, ihr Fokusbereich ist die Unterstützung der frühen Studienphasen in der klinischen Forschung. Ihr Job ist Kommunikation. Eine Schlüsselfunktion. Nicht nur in Corona-Krisenzeiten.

„Agilität ist für uns in der klinischen Forschung essenziell. So volatil Indikationen und die Forschung rund um Krankheiten sind, so agil müssen auch die Teams in der klinischen Forschung auftreten“, sagt Dr. Ute Simon. Sie gehört zu jenen, die für Agilität sorgen, die die Kommunikation in und zwischen den Teams fördern und Kooperationspartner aus der Wissenschaft und Forschung sowie das Public Affairs und Governmental Team an einen Tisch bringen. Sie sorgt dafür, dass Informationen fließen. „Ich dirigiere ein Orchester, ohne selber alle Instrumente spielen können zu müssen.“

In Corona-Zeiten sind praktische Maßnahmen gefragt

Seit 16 Jahren ist Ute Simon für das Pharmaunternehmen Novartis tätig, seit 12 Jahren ist sie als Führungskraft in der klinischen Forschung unterwegs. Dabei liegt ihr Fokus auf den frühen Studienphasen 1 und 2. Nachdem sie zuletzt als Head of Clinical Research und Medical Director Early Development and Scientific Relations in Nürnberg Teams von bis zu 250 Mitarbeitern geleitet hat, führt sie jetzt als Global Head Medical Affairs on international assignment den medizinischen Bereich des Start-ups AAA. Vor zwei Jahren hatte Novartis den Krebsspezialisten “Advanced Accelerator Applications” (AAA) gekauft.

„Gerade hier ist das Thema Agilität wichtig, weil die Personaldecke bei AAA weitaus dünner ist als bei der großen Novartis“, erklärt Ute Simon. Sieben direkte Führungskräfte hat sie unter sich – mit weiteren Mitarbeitern in indirekter Führung. Die Herausforderungen, vor die einen agiles Arbeiten stellen kann, spüren sie und ihre Teams gerade jetzt. „Derzeit arbeiten fast alle im Home-Office ob der Corona-Krise. Die Kommunikation muss trotzdem funktionieren, gerade auch mit den Patienten“ Wie sie das hinbekommt?  „Novartis hat ein sehr ausgeprägtes Entwicklungsprogramm. Wir stellen Mitarbeiter schon unter der Maßgabe der Agilität ein. Jemand, der schnell verunsichert ist und sehr feste Strukturen braucht, ist für unser Team nicht zwingend ideal, weil wir dann unterschiedliche Flughöhen haben. Außerdem haben wir unter anderem eine neue Fehler- und Feedbackkultur, nutzen die Digitalwelt, bieten Rotationen an. All das erhöht aus meiner Perspektive die Agilität.“ Derzeit aber sind praktische Maßnahmen gefragt, die den Alltag in Ausnahmezeiten strukturieren und ein wenig Ruhe in ein Team bringen, das sich eben nicht physisch abstimmen kann: „Wir treffen uns alle immer morgens virtuell zum Kaffee. Dann laufen im Hintergrund vielleicht Kinder oder Ehepartner ins Bild, aber all das vermittelt Nähe und fördert die Kommunikation.“


6 Fragen, 6 Antworten. Das Sixpack

Wohnen: Aufgeräumt oder eher lässiges Chaos? Lässiges Chaos. Ich lebe ja mit meinem Mann zusammen (lacht).
Reisen: Pool oder Abenteuer? Abenteuer. Wir haben einen Pickup mit Dachzelt und haben damit extrem viele Reisen gemacht. Wir sehen uns gerne die Welt an, aber bitte nicht im Robinson Club.
Morgens: Kaffee oder Tee? Ich bin Ostfriesin. Raten Sie mal.
Abends: Kochen oder essen gehen? Eher kochen
Streitverhalten: Impulsiv oder überlegt? Impulsiv. Mein Mann, mit dem ich seit 30 Jahren verheiratet bin, ist der Ruhepol in der Beziehung.
Risiko oder Sicherheit? Risiko.


Es sind genau diese Herausforderungen, die Ute Simon an ihrem Job so liebt. Die Tatsache, dass sie „gefühlt als strukturierter Mensch geboren wurde“, hilft ihr dabei, sich selbst gut zu organisieren und die immer neuen Hürden, die sich in der klinischen Forschung oft unerwartet aufbauen, zu nehmen. Die Branche liegt ihr. Eigentlich wollte sie nach dem Abitur Schreinerin werden, studierte auf Lehramt für Biologie und Geografie in Berlin, um dann dank eines Stipendiums zu promovieren. Das war ihr Weg in die Forschung, der sie letztendlich zu Novartis führte. Zwei Kinder hat sie, eine Tochter (18) und einen Sohn (20). Wenn man sie fragt, wie sie Karriere und Kids unter einen Hut bekommen hat, reagiert sie schlagfertig. „Fragen Sie das eigentlich auch Männer?“
Das Orchester Familie muss sie nicht dirigieren. Das könne und dürfe nicht alleine die Aufgabe der Frauen sein. „Es müssen Abstriche gemacht werden. 100 Prozent Mutter geht nicht.“

„Ich glaube, es fehlt uns nach wie vor an der Patientensprache. Wir müssen näher ran und die Informationen alltagstauglich machen.“

Ute Simon fühlt sich wohl in der klinischen Forschung. „Sie ist ein bisschen chaotisch. Ich mag das. Ich bin zwar strukturiert, aber suche eben auch die Bewegung.“ Dass das Bild dieser Branche in der Öffentlichkeit oft negativ geprägt sei und der Impact von Pharmaunternehmen auf die Lebensqualität von Menschen von vielen gar nicht wahrgenommen werde, schmerzt sie. Vielen fehle das Verständnis dafür, wie Medikamente entwickelt werden. Wie viel Budget und Zeit in diesen Prozess fließen würden, wie viele Rückschläge ein Pharmaunternehmen einstecken müsse, bevor ein Medikament auf den Markt kommen könne. „Diese Verfahren darzustellen, ist uns bisher nicht gut genug gelungen. Ich glaube, es fehlt uns nach wie vor an der Patientensprache. Wir müssen näher ran und die Informationen alltagstauglich machen, gerade auch, was die Kommunikation zwischen Arzt und Patienten angeht.“

Corona als Chance und Risiko für Pharma

Aber es stellt sich darüber hinaus die Frage: Wie erreicht man die breite Öffentlichkeit und nicht nur bestimmte Patientenpopulationen mit Informationen? Vor diesem Hintergrund kann die gegenwärtige Corona-Krise für forschende Pharmaunternehmen eine Chance sein, die eigenen Unternehmungen sichtbarer zu machen. Denn der neue Corona-Virus geht alle an. „Das kann eine Chance sein. Aber wie immer gibt es auch Risiken. Wer spricht, wer hört. Und was will gehört werden. Sie können hundertmal etwas richtig machen. Einmal läuft etwas falsch. Das bleibt dann im Gedächtnis. Ich registriere in meinem Umfeld, dass die Menschen ungeduldig sind und sich fragen, warum es so lange dauert, bis ein wirksames Medikament auf dem Markt ist. Hier müssen wir agieren. Das ist nicht von heute auf morgen gemacht. Es gibt wirklich viel zu tun, um zu erklären, was es heißt, ein wirksames und  sicheres Medikament auf den Markt zu bringen. Und nicht nur ein funktionales.“

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