Seit zehn Jahren leitet Oliver Ehrnstorfer als Geschäftsführer die Agentur-Geschicke von medical relations in Langenfeld. Uns hat er verraten, wie sich die Healthcare-Kommunikation in diesen Jahren entwickelt hat. Und dass nicht jede Entwicklung ein Umbruch sein muss.
Oliver Ehrnstorfer ist auf dem Sprung. In die USA. In den kommenden Tagen reist er in die Staaten, um ein Pilotprojekt mit anzuschieben. Details kann er zu diesem Zeitpunkt nicht verraten. Nur so viel: Es geht darum, komplexe, wissenschaftliche Informationen innovativ mit Hilfe digitaler Tools zu kommunizieren. „Auf dieses Projekt freue ich mich sehr“, sagt er. Auch wenn er selbst betont, dass Print in der Ärzteschaft nach wie vor weit oben rankt – und digitale Tools den gedruckten Informationsmedien auch in Zeiten der Digitalisierung noch nicht das Wasser abgraben können. „Im Grunde hat sich im Bereich Kanal-Relevanz in der Kommunikation so viel gar nicht getan. Die digitalen Kanäle sind hinzugekommen und werden jetzt in einer Multi-Channel-Strategie mitgedacht.“ Von einem Umsturz in der Branche, ausgelöst durch die Digitalisierung, will er daher nicht sprechen. „Unsere Branche ist eigentlich immer in der Entwicklung. Das ist ja auch das Spannende daran.“
Oliver Ehrnstorfer kennt das Business. Seit Ende der 90er Jahre ist er in der Healthcare-Kommunikation tätig, seit 2008 ist der 48-Jährige Geschäftsführer der Agentur medical relations, laut eigener Aussage die erste Gesundheits-PR-Agentur in Deutschland.
Das ist eine der Herausforderungen für die Zukunft: Wie können wir das Zusammenspiel zwischen Verlagen, Kunden und Agenturen weiterhin positiv gestalten? Wie bringen wir wissenschaftlichen Content an die Zielgruppen – und wie nutzen wir da auch die digitalen Kanäle?
Die 1981 von Dietmar Müller gegründete Agentur hat einen großen Schwerpunkt in der Betreuung von PR-Maßnahmen für verschreibungspflichtige Medikamente; zwei Drittel dieser Maßnahmen richten sich an Fachkreise, ein Drittel an Publikumspresse und Patienten. „Die Zielgruppenansprache“, so Ehrnstorfer, „ist heute noch herausfordernder als früher.“ Das liegt zum einen sicherlich auch an der wachsenden Anzahl der Channels, aber vor allem an der Tatsache, dass die Etats viel fragmentierter sind als früher. „Immer mehr Kunden arbeiten mit gezielteren Budgets. Das sorgt dafür, dass wir heute viel breiter aufgestellt sind als früher.“ Jeder Case verlangt eine passgenaue, auf die Zielgruppe – die Ärzte – abgestimmte Lösung. „Das ist eine der Herausforderungen für die Zukunft: Wie können wir das Zusammenspiel zwischen Verlagen, Kunden und Agenturen weiterhin positiv gestalten? Wie bringen wir wissenschaftlichen Content an die Zielgruppen – und wie nutzen wir da auch die digitalen Kanäle?“
Das Zielgruppenbewusstsein ist aus meiner Sicht Dreh- und Angelpunkt, um den Content an den Arzt zu bringen.
Im Healthcare-Marketing gibt es eine Pflicht. Und eine Kür. „Nehmen wir als Beispiel einen wissenschaftlichen Kongress: Teilnehmende Ärzte und vor allem auch diejenigen, die nicht vor Ort waren, erhalten am Ende die Inhalte in Form eines Corporate-Publishing-Produkts zur Verfügung gestellt. Das ist das Pflicht-Programm.“ Die Kür ist es, sich der Frage zu stellen, wie gewohnte Formen der Content-Aufbereitung durchbrochen und neue Präsentationswege entstehen können. Sei es analog oder digital. Das ist die wahre Challenge. „Wie kann ich den Content attraktiver gestalten? Indem ich zum Beispiel nicht einfach einen Medical Writer beschäftige, der das Ganze schreibt, sondern auch Ärzte aktiv einbeziehe, die ihre beim Kongress gesammelten Kenntnisse gebündelt und kommentiert in die Publikation einbringen. Das macht das Produkt anschaulicher.“ Und zielgruppengenauer. Denn Ärzte wissen, was ihre Kollegen beschäftigt. „Das Zielgruppenbewusstsein ist aus meiner Sicht Dreh- und Angelpunkt, um den Content an den Arzt zu bringen.“
Wie und wo erreiche ich den Mediziner, und wie schaffe ich es, dass ihn mein Content interessiert? Diese Aufgabenstellung ist nicht neu – in Zeiten der kommunikativen Vielfalt und bei einer auch alterstechnisch diffusen Zielgruppe aber nicht einfach zu beantworten. Da gibt es die jungen, digitalen Ärzte. Aber eben auch die älteren. „Die demographische Entwicklung unserer Gesellschaft wird sich natürlich auch in der Ärzteschaft niederschlagen“, sagt Oliver Ehrnstorfer. Das müsse man bei der Zielgruppenanalyse berücksichtigen. Und bei der Auswahl der Kanäle und Tools, auf und mit denen der Content geteilt werden soll. Eine große Baustelle also – und nicht die einzige. „Wenn die Bevölkerung immer älter wird und immer weniger ins Gesundheitssystem einzahlen, dann müssen wir uns überlegen, wie wir auch in Zukunft Innovationen in der Medizin, die Produktion neuer Präparate und deren Einspeisung ins Gesundheitssystem ermöglichen. Ein Problem, das am Ende auch uns als Agentur betreffen könnte.“
Eine weitere Herausforderung sieht Ehrnstorfer im Personalbereich. Der Fachkräftemangel macht sich auch bei medical relations bemerkbar. 21 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen heute. Ein großartiges Team, wie der Geschäftsführer betont. „Das gehört zu den Dingen, die ich für mich als Erfolg verbuche: Dass ich über die Jahre eine so schlagkräftige Mannschaft aufbauen konnte. Allerdings ist es immer schwieriger, geeignete neue Mitarbeiter zu finden. Den Mangel an gut ausgebildeten Personal erleben auch wir.“ Für Oliver Ehrnstorfer selbst ist die Healthcare-Branche nach wie vor eine faszinierende. „Ich habe seit Beginn meiner Karriere Produkte aus dem Bereich der Onkologie begleitet. In der Indikation und Therapie hat sich so viel getan in den letzten Jahren. Oder in der Dermatologie und Rheumatologie, Bereiche mit ganz extremer Innovationsdynamik, die wir bei uns betreuen. Die Entwicklung in der medizinischen Forschung ist einfach enorm!“
Das ist es, was den 48-Jährigen an seinem Job reizt. Die ständige Entwicklung. In dieser Branche braucht es Flexibilität, Beständigkeit und ein hohes Maß an Innovationsfreude. Um das zu bewältigen, sind Marktkenntnisse und Feingefühl von Vorteil. Beides hat sich Oliver Ehrnstorfer in seiner Karriere erarbeitet. 2019 wird für medical relations ein spannendes Jahr. Auch in Langenfeld sind Kundenstämme in Bewegung, der Wettbewerb unter den Agenturen wird nicht kleiner. Und dann ist da noch das Pilot-Projekt, vom dem sich Ehrnstorfer viel verspricht. „Das“, sagt er, „wird fliegen.“
Zur Person: Oliver Ehrnstorfer ist seit 1998 Teil der Healthcare-Branche. Seine Karriere begann er im Unternehmen OgilvyHealthworld, bevor er vier Jahre für das Agenturnetzwerk Publicis Vital PR tätig war. Seit 2008 leitet er als Geschäftsführer die Agentur medical relations. Der 48-Jährige zweifache Vater lebt mit seiner Familie in einem Dorf im Bergischen Land bei Köln.