Die Außendienstmitarbeitenden schließen sich per Video-Call mit Ärzt:innen in kleinen Runden zusammen. Die Projektleiterin stimmt ihr Team per Bildschirm auf die neuen Etappenziele ein. Oder Mitarbeitende, die teils im Büro, teils im Homeoffice sitzen, treffen sich zum digitalen Workshop. Videokonferenzen bestimmen den Arbeitsalltag vieler Branchen. Zunehmend hybride Arbeitssettings und die anhaltende Pandemie machen Präsenztermine schwierig.
Die Kommunikation über die Bildschirmkacheln kann allerdings zu Überdruss und Apathie führen. Studien bestätigen: Videokonferenzen sind anstrengender als Präsenzveranstaltungen. Längst hat sich für dieses Erschöpfungssyndrom ein Buzz-Word etabliert. Von Zoom-Fatigue ist die Rede, wenn es um die generelle Videokonferenz-Müdigkeit geht.
„Wir ermüden über die Wiederholung des immer gleichen Rhythmus,“, fasst Barbara Fernandez, Coach und Führungskräftetrainerin bei der Leaders Academy, das neue Phänomen zusammen.
„Die Feinheiten der Kommunikation waren mit den oft hemdsärmeligen Videokonferenzen am Anfang der Krise fast komplett ausradiert. Jetzt sollte unbedingt nachjustiert werden“, betont die Kommunikationsexpertin.
Denn jede Videokonferenz nach demselben Muster abzuhalten, birgt die Gefahr, dass Inhalte gar nicht ankommen, die Zuhörer:innen abschweifen und die Runde demotiviert verlassen.
Wie gelingt es stattdessen, die Aufmerksamkeit in Videokonferenzen konstant hochzuhalten und das digitale Publikum bis zum Ende mitzunehmen?
1. Die Interaktivität entscheidet über das Gehörtwerden
Ging es zu Beginn der Krise darum, die digitalen Meetings überhaupt erst einmal ans Laufen zu bekommen, braucht es jetzt ein hohes Maß an Interaktivität. Denn die Art und Weise, wie Inhalte vermittelt werden, entscheidet darüber, ob diese auch beim Gegenüber ankommen.
„Leite ich eine Videokonferenz, muss ich mir im Vorfeld Gedanken dazu machen, wie ich mein Thema anders – nämlich interaktiv – erarbeiten kann“, sagt Barbara Fernandez. Beispielsweise sorge der Einstieg über Icebreaker-Fragen in kleineren Runden direkt zu Beginn für ein wachsames Publikum. Das kann im Gespräch mit den Ärzt:innen etwa die Frage sein: Wie war Ihre Erfahrung zu einem bestimmten Krankheitsbild in den vergangenen Wochen?
In größeren Konferenzen eignen sich kurze Umfragen, die direkt per Stimmungsbarometer eingeblendet werden. Die Software hierfür bieten Tools wie Mentimeter.
Bekommen die Zuhörenden zusätzlich Raum für den Austausch untereinander, können Inhalte noch einmal aufgearbeitet werden und bleiben länger in Erinnerung. Programme wie WonderMe und Zoom bieten für mehrere Hundert Teilnehmer:innen die Möglichkeit, sich in thematisch gegliederte virtuelle Räume zu begeben und mit anderen auszutauschen.
2. Ein Rhythmuswechsel sorgt für Überraschungseffekte
Schon ein zehnminütiger Monolog kann einen Video-Call sterben lassen. Bringen Menschen allerdings Abwechslung in ihr Meeting, bleibt ihr Publikum wach und empfangsbereit. Das Einspielen von Bildern, Videos oder auch Illustrationen – wie Graphic Recordings – sorgt nicht nur für einen erfrischenden Medienwechsel, sondern können das Gesagte einprägsam unterstreichen. Bilder stärken das gemeinsame Verständnis und bleiben im Kopf.
Hinzu kommen interaktive Tools, die genutzt werden können. Über digitale Pinnwände lassen sich Key Messages besser hervorheben und Inhalte gemeinsam erarbeiten. Entsprechende Angebote gibt es nicht nur bei Teams und Zoom. Auch Miro-Board oder Padlet sind inzwischen beliebte Möglichkeiten. Mit dem häufig auch in Schulen verwendeten Tool „Padlet“ lassen sich Texte, Bilder, Videos und Sprachaufnahmen auf einer Oberfläche sammeln. Miro bietet, wie an einem realen Whiteboard, die Möglichkeit, Zeichnungen zu erstellen, virtuelle Post-its zu pinnen oder auch Bilder und Diagramme hinzuzufügen.
3. Die virtuelle Präsenz steigern
„Entscheidend für einen guten Kontakt zum Publikum ist mein Sendungswille“, so Barbara Fernandez. Viele Redner oder Rednerinnen verlieren ihre Präsenz hinter dem Monitor, indem ihr Blick wandert und keinen Bezug herstellt. „Schaue ich hingegen bewusst in die Kamera – zentriert auf Augenhöhe – mit dem klaren Ziel, mein Gegenüber erreichen zu wollen, kommt das, was ich sage auch an“, erklärt die Expertin für Körpersprache und Auftritt. Dazu sollte sich jeder, der eine Videokonferenz leitet, im Vorfeld die eigene Haltung bewusst machen. Sprich:
- Mit welchem Mindset gehe ich in das Meeting? Will ich ein Problem lösen? Oder überzeugen? Oder Nähe herstellen?
- Welche Kernbotschaften will ich meiner Zuhörerschaft mit auf den Weg geben?
Sind die Ziele einer Videokonferenz klar, fällt es leichter, bestimmten Aussagen mit der eigenen Stimme Nachdruck zu verleihen. Denn auch über die Sprache lässt sich viel Nähe erzeugen. Ein Vortrag, der einer Dramaturgie folgt, fesselt ein Publikum mehr als monotone Reden in ein und derselben Stimmlage.
Dazu sollte sich der Moderierende gedanklich voll auf das bevorstehende Meeting einstimmen, empfiehlt Barbara Fernandez. „Mache ich mir bewusst Gedanken über meine Wirkung, meine Haltung und meine Key Messages, komme ich stärker in Resonanz mit den Menschen“, sagt die Führungskräftetrainerin.
4. Vertrauen schaffen über Humor und Empathie
Videokonferenzen wirken nicht nur auf der sachlichen Ebene nach, sondern auch auf der Beziehungsebene. Stellt man sich selbst die Frage, welche Videokonferenzen der vergangenen Monate in Erinnerung geblieben sind, sind es wahrscheinlich die, in denen viel Platz für Menschlichkeit gegeben war.
Über Emotion, Empathie und Humor gewinnt man Vertrauen – auch in virtuellen Meetings. So plädierten in einer Studie des Instituts für Beschäftigung und Employability mehr als 50 Prozent der Befragten für Humor als wirkungsvolle Methode im Kampf gegen die Zoom-Fatigue.
Humor und soziales Miteinander funktionieren über den Bildschirm allerdings selten adhoc. Um diese als strategischen Bestandteil von Videokonferenzen zu etablieren, braucht es eine Art Drehbuch. „Remote fehlen informelle Momente der Kommunikation. Und die muss ich reflektieren, neu finden und versuchen herauszuarbeiten. Wertvolle Inhalte brauchen das richtige Transportmittel“, so Barbara Fernandez. Wer also mehr Zeit in die Didaktik steckt, kann seine Botschaften besser platzieren.
5. Das Set-up muss stimmen
Ein quäkender Sound und schlechte Bildqualität sind auf Dauer anstrengend. Nicht nur für das Publikum, auch für den Redner oder die Rednerin selbst. Wer also häufig Videokonferenzen führt, sollte in ein Mikrofon und Boxen investieren, um unnötigen Stress zu reduzieren.
Der Hintergrund sollte zudem so gewählt sein, dass er nicht ablenkt. Das gelingt zum einen, wenn die Umgebung dunkler und man selbst optimal ausgeleuchtet ist. Kaltes indirektes Licht verspricht eine gute Sichtbarkeit und leuchtet gleichmäßig das Gesicht aus.
Zum anderen sollte der Hintergrund „schlicht und persönlich, aber nicht privat“ sein, rät Barbara Fernandez. In die Praxis übersetzt heißt das: Anstatt Familienfotos und Büchersammlung, lieber die Pflanze oder Wandfarbe, die ich mag. Eine fokussierte Umgebung entspannt Redner:in und Zuhörerschaft gleichermaßen.
Das Corporate Media-Team des Deutschen Ärzteverlags hat bereits zahlreiche digitale Experten-Roundtables durchgeführt und wertvolle Erkenntnisse zum optimalen Setting gesammelt. In dem Format kommen Expert:innen eines Fachgebiets virtuell zusammen. Nach kurzen Impulsvorträgen findet eine Expertendiskussion statt. Das ist wichtig für den reibungslosen Ablauf:
- Im Vorfeld: Kurze Technik-Checks mit allen Teilnehmer:innen, die präsentieren.
- Keine Veranstaltung ohne professionelle Moderation: So kann die Einbeziehung aller Teilnehmer:innen und der thematische Fokus gewährleistet werden.
- Anwesenheit des Moderators im Filmstudio des Deutschen Ärzteverlags: Durch die professionelle Studioausrüstung – Mikrofon, Ausleuchtung, Hintergrund – sind digitale Präsenz und Qualität höher.
- Begrenzung auf maximal 5 Expert:innen bzw. 5 Impulsvorträge, um das Publikum nicht zu überfrachten und allen Teilnehmer:innen ausreichend Redezeit zu geben.
- Vortragslänge: Der Umfang der Vorträge sollte der geplanten Redezeit angemessen sein. 50 PowerPoint-Folien für 15 Minuten Redezeit mitbringen, funktioniert nicht.
- Dauer: Die gesamte Veranstaltung sollte für nicht länger als 3 Stunden geplant sein. Wichtig: Ein bis zwei kurze Pausen einplanen.
Mehr Informationen zum Angebot des Deutschen Ärzteverlags finden Sie hier!
6. Der digitale Raum braucht Kunstpausen
Als besonders wirkungsvoll im Kampf gegen die Zoom-Fatigue eignen sich die Begrenzung der Meeting-Dauer sowie Pausen zwischen den virtuellen Sessions, so die Studie des Instituts für Beschäftigung und Employability. Führungskräfte tun also gut daran, sich vorab Gedanken darüber zu machen, wie sie ein Meeting entlasten können.
- Welche Punkte kann ich aus der Videokonferenz herausziehen und meinem Publikum im Vorfeld oder Nachgang mitgeben?
- Und an welchen Stellen kann ich sinnvolle Pausen auch innerhalb meines Meetings setzen, um meinem Gegenüber die Möglichkeit zu geben, das Gesagte zu verinnerlichen?
Fazit: Videokonferenzen publikumswirksam gestalten
Wie kann ich die Aufmerksamkeit meiner Zuhörer:innen in der Flut der Videokonferenzen zurückgewinnen oder dafür sorgen, dass diese gar nicht erst verloren geht? Diese Frage wird hybride Arbeitssettings mehr und mehr bestimmen. Damit das Publikum am Ball bleibt, brauchen virtuelle Meetings einen dynamischen Rhythmuswechsel und ein hohes Maß an Interaktivität. Aber auch die Herangehensweise des Gesprächsführers bzw. -führerin spielt eine Rolle. Die richtige Haltung und Vorbereitung können die virtuelle Präsenz entscheidend verbessern.