Lesen Sie in diesem Interview:
- Welche Kriterien für die Teilnahme am Corporate-Ambassador-Programm gelten
- Welche Maßnahmen und Schulungen die Initiative begleiten
- Wie die Idee für das Programm zustande gekommen ist
- Wie der Erfolg des Programms gemessen wird
- Welche Voraussetzungen ein Corporate-Ambassador-Programm braucht
Health Relations: Herr Donner, wer darf bei Ihrem Corporate-Ambassador-Programm überhaupt mitmachen? Wie setzen sich die Teilnehmer:innen zusammen?
Jörg Donner: Grundsätzlich mitmachen kann jeder und jede, der oder die möchte. Die limitierenden Faktoren für das Programm sind Budget und Kapazitäten. Wir haben im ersten Schritt mit 10 bis 15 Teilnehmenden geplant, weil es mit mehr Personen schwieriger wird, beispielsweise die Schulungen durchzuführen und auch die intensive persönliche Betreuung zu leisten, gerade am Anfang.
Health Relations: Und woher kommen die Corporate Ambassadors?
Jörg Donner: Unsere Markenbotschafter kommen aus allen Bereichen und allen Teilen Deutschlands: Vertrieb, Marketing, Medizin, IT und HR sind allesamt vertreten. Uns war der crossfunktionale Ansatz von Anfang an sehr wichtig, damit die Markenbotschafter Sichtbarkeit in unterschiedlichen Zielgruppen und Netzwerken erhalten. Daher haben wir bei der Ausschreibung auch keinerlei Beschränkungen vorgenommen. Jede:r der Lust hatte, konnte sich melden.
Health Relations: Wie viele Kollegen und Kolleginnen waren das?
Jörg Donner: Gut 30 Kolleg:innen sind auf mich zugekommen. Aus denen haben wir dann die Teilnehmenden ausgewählt auf Basis einer diversen Verteilung. Daraus entstand eine Kerntruppe aus 18 Leuten, die dann auch an der ersten Schulung teilgenommen hat. Was ich noch wichtig finde, zu erwähnen: Grundsätzlich sind natürlich alle Mitarbeitenden Markenbotschafter, egal, ob sie in dem Programm sind oder nicht. Wir können ja gar nicht verhindern, dass sie über uns oder über ihre Arbeit schreiben. Unser Anliegen ist es natürlich, dass sie wissen, was sie tun und im besten Fall natürlich Positives schreiben. Das heißt, alle Informationen, die wir mit den Programmteilnehmenden teilen, teilen wir auch mit dem kompletten Unternehmen. Wir stellen alle Präsentationen im Intranet zur Verfügung, alle Manuals, Videos, Learning-Sessions – und jeder und jede, der oder die Interesse hat, kann sich die Infos anschauen.
Health Relations: Was unterscheidet dieses Programm von den gängigen Social-Media-Schulungen, die viele Unternehmen ihren Mitarbeitenden anbieten?
Jörg Donner: Die Schulung ist nicht darauf ausgelegt, Spezialkenntnisse aufzbauen oder zu vertiefen, wie etwa bei einer medizinischen Schulung. Es geht in erster Linie darum, den Menschen die Sicherheit zu geben, sich überhaupt in Sozialen Netzen oder auf LinkedIn bewegen zu können. Wir sind in der Pharmaindustrie sehr strengen Regularien unterworfen. Da herrscht oftmals eine sehr, sehr große Unsicherheit. Es passiert mir immer wieder, dass Mitarbeitende mich zum Beispiel nach Kongressen ansprechen: „Wir hätten gerne etwas gepostet. Aber: Dürfen wir das überhaupt?“ Aus dieser Unsicherheit heraus lassen viele lieber die Finger davon. Das ist nicht das, was wir wollen. Wir wollen natürlich, dass die Leute über ihre Arbeit sprechen, über ihre Qualifikation, und dass sie ihre Expertise nach außen tragen. Deswegen besteht die Schulung in erster Linie aus Aufklärung: Was geht, was geht nicht. Eine weitere Frage, die immer wieder kommt, ist: „Ich weiß gar nicht, was ich da schreiben soll. Ich habe gar nicht genug Themen.“ Viele denken, dass das, was sie täglich machen, niemanden interessiert. Wir bringen den Kolleg:innen daher den Storytelling-Ansatz nahe. Klären auf, wie Zielgruppen aussehen, wie ihr Interesse geweckt werden kann, wie ein guter erster Satz aussieht. Wie man eine Nachricht idealerweise aufbaut und wirklich auf den Punkt kommuniziert.
„Das funktioniert nur, wenn die Teilnehmenden ihren Job wirklich lieben.“
Health Relations: Haben Sie ein Beispiel für uns, wie der Storytelling-Ansatz genau funktionieren könnte im Corporate-Ambassador-Programm?
Jörg Donner: Ein Kollege erzählte, er sei am 1. Juli 21 Jahre in der Pharmaindustrie und seit 23 Jahren mit seiner Frau verheiratet – ein einschneidendes Datum also für ihn. Super Ansatz für eine schöne Geschichte! Er hat einen Beitrag verfasst, sandte ihn mir dann zu. Ich sagte ihm: „Also prinzipiell kannst du das so machen, aber so, glaube ich, wirst du Ärger mit deiner Frau kriegen. Im Entwurf hatte er sie erst ganz am Ende erwähnt.“ Er hat den Beitrag überarbeitet und herausgekommen ist eine tolle, persönliche Geschichte. Es braucht gar nicht viel, um den Leuten den Kniff nahezubringen, wie sie aus einem Standard-Beitrag ein tolles Posting machen können.
Health Relations: Das ist eine bezaubernde Geschichte. Woher kommt Ihrer Meinung nach die Motivation eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin, eine Geschichte wie diese auch erzählen zu wollen?
Jörg Donner: Das ist eine rein intrinsische Geschichte. Der Kollege lebt seinen Beruf. Das ist, glaube ich, auch eine ganz wichtige Grundvoraussetzung für ein Markenbotschafter-Programm. Das funktioniert nur, wenn die Teilnehmenden ihren Job wirklich lieben. Wenn sie gerne über ihren Job und das Unternehmen sprechen und sich auch freuen, wenn sie darauf angesprochen werden.
“ Seit dem Start unserer LinkedIn-Initiative von knapp einem Jahr haben wir gut 70 Prozent neue Follower gewonnen, rein organisch und – ganz wichtig – in weiten Teilen in unseren Zielgruppen.“
Health Relations: Ist denn diese gesamte Idee für das Programm von Mitarbeitenden an Sie herangetragen worden oder von der Agentur? Wie ist es überhaupt zu diesem Programm gekommen, um mal einen Schritt zurückzugehen?
Jörg Donner: Also ehrlicherweise muss man sagen, die Grundidee stammt aus dem Buch „Die neue Macht der Corporate Influencer“von Klaus Eck. Das fand ich sehr spannend und genau passend zu unserer Situation. Wir wollten uns im Bereich LinkedIn breiter und professioneller aufstellen. Markenbotschafter sind dabei neben dem Corporate-Kanal und den Corporate Ambassadors aus dem Management, ein sehr wichtiger Baustein. Passenderweise kam dazu das Posting eines Bekannten auf LinkedIn, der seinen Vortrags-Foliensatz zu diesem Thema geteilt hat. Daraus entstand dann schnell die Basis für unser Programm. Und das funktioniert bislang sehr, sehr gut.
Health Relations: Wie messen Sie den Benefit?
Jörg Donner: Erfolg ist bei solchen Programmen ja immer eine Frage der Definition. Natürlich schlägt sich das nicht messbar im Absatz nieder. Was ich aber beispielsweise sagen kann, ist, dass wir seit dem Start unserer LinkedIn-Initiative von knapp einem Jahr gut 70 Prozent neue Follower gewonnen haben, rein organisch und – ganz wichtig – in weiten Teilen in unseren Zielgruppen. Das heißt, allein schon die Strategie, regelmäßig zu posten, funktioniert sehr gut. Wir haben im Juni 2023 mit dem Corporate-Ambassador-Programm angefangen und wir haben im Juli, also im ersten Monat, einen deutlichen Zuwachs an Fans, an Engagement und an Impressions erreicht. Meine feste Überzeugung ist, dass sich das Programm deutlich niederschlagen wird in der Reichweite des Unternehmens-Kanals und auch in der Wahrnehmung von Daiichi Sankyo Deutschland.
Health Relations: Ich fand es spannend, dass Sie den Start des Programms auf LinkedIn offiziell verkündet haben. Man hätte das ja auch einfach ohne große Auftaktposting laufen lassen können. Warum haben Sie sich für diese Form der Kommunikation entschieden?
Jörg Donner: Das Allerwichtigste bei so einem Programm sind meines Erachtens Wertschätzung und Wahrnehmung. In dem Moment, in dem ich den Leuten ein Gesicht gebe und deutlich mache, „Ihr seid jetzt unsere Ambassadors und ihr seid hier extrem wichtig für uns, für das Unternehmen“, ist es natürlich eine ganz andere Geschichte, als wenn man sagt, „Ja, okay, wir geben euch eine Schulung und dann könnt ihr posten“. Es war tatsächlich so, dass bei der Schulung unser Geschäftsführer und die Leiterin der Onkology Division persönlich dazu gekommen sind, um die Teilnehmer:innen zu begrüßen und um deutlich zu machen, wie wichtig das Programm für das Unternehmen ist . Und diesen hohen Stellenwert kommunizieren wir nach außen und innen.
„Der andere Punkt ist, dass private Kanäle auch private Kanäle bleiben. Sie sind keine Verlängerung der Unternehmenskommunikation, sondern ganz klar private Profile der Mitarbeitenden.“
Health Relations: Gibt es jenseits dieser Wertschätzung weitere Benefits für die Teilnehmenden?
Jörg Donner: Nein. Es gibt keine Incentives dafür. Das soll auch keine zusätzliche Arbeit sein, kein Auftrag, sondern das ist eine rein freiwillige Geschichte und findet auch überwiegend in der Freizeit statt. Die Ambassadors können natürlich auch in Ihrer Arbeitszeit LinkedIn nutzen. Aber das Programm kann nicht ohne privates Zeit-Investment funktionieren, weil LinkedIn beispielsweise auch am Wochenende bespielt wird. Ein persönliches Interesse muss da sein. Der andere Punkt ist, dass private Kanäle auch private Kanäle bleiben. Sie sind keine Verlängerung der Unternehmenskommunikation, sondern ganz klar private Profile der Mitarbeitenden. Es gibt keine Vorgaben, was die Inhalte oder Form der Postings angeht. Wir wünschen uns lediglich, dass etwa der Hashtag #WirsindDaiichiSankyo verwendet oder auch der Unternehmenskanal getaggt wird, wo es sinnvoll ist. Alle zwei Wochen haben wir einen regelmäßigen Jourfix, wo wir uns gemeinsam anschauen, was die erfolgreichsten Postings der letzten Wochen waren. Wir geben Tipps, wie sie noch erfolgreicher werden können. Es hat sich zum Beispiel in den ersten sechs Wochen herausgestellt, dass vielen nicht klar ist, wie Hashtags und Tagging funktionieren. Das ist sehr erklärungsbedürftig, wenn man sich noch nicht lange mit diesen Dingen beschäftigt. Wir haben außerdem ein erstes „Coffee and Learn“ initiiert. Das ist eine einstündige Session, zu der wir einen Experten oder eine Expertin einladen, der oder die uns ein bestimmtes Thema erläutert. Zum Beispiel haben wir demnächst einen Journalisten zu Gast, der uns etwas über die Herausforderungen des berühmt-berüchtigten ersten Satzes erzählen wird. Der richtige Cliffhanger zu Beginn eines Postings ist ja gerade auf LinkedIn sehr wichtig.
Health Relations: Also, die Inhalte, und die Posting-Frequenz kontrollieren sie nicht. Aber wenn ich als Teilnehmerin in irgendeiner Form Unterstützung bräuchte, dann könnte ich sie, zum Beispiel, kontaktieren und sagen: Hey, wie findest du das? Hast du einen Tipp für mich?
Jörg Donner: Ganz genau. Wir bieten allen Ambassadors an, dass sie jederzeit auf uns oder die Agentur zukommen können.
Health Relations: Ist das Corporate-Ambassador-Programm offiziell sozusagen auf ein Jahr oder ähnliches limitiert?
Jörg Donner: Es hat keine zeitliche Begrenzung, ist aber an das Budget geknüpft. Das heißt, spätestens dann, wenn wir über die Budgets des nächsten Jahres reden, werden wir über die Fortsetzung des Programms und seine Entwicklung reden. Dann werden die Kolleg:innen im Management nach Ergebnissen fragen und wir werden sie entsprechend belegen. Das heißt, wir haben natürlich mit der Agentur Feedback-Sessions, in denen wir uns die Zahlen anschauen. Wir haben Metriken und KPI definiert, die man aber auch entsprechend einordnen muss: Was genau bedeutet es, wenn ich mit einem Posting 20.000 Leute oder 80.000 Leute erreiche, was ist dann die Botschaft? Was gewinnen wir darüber? Deswegen ist es auch wichtig, dass das Management von Anfang an mit dabei und überzeugt ist. Ich denke, wir haben im Unternehmen starke Fürsprecher, die auch den Wert dieser Arbeit erkannt haben und überzeugt sind, dass sie sich rentiert. Sie wirkt nicht nur nach außen, sondern definitiv auch nach innen, weil wir die Leute befähigen, in ihren privaten Kanälen besser zu werden, ohne dass direkt der Geschäftssinn dahintersteckt. Und es ergeben sich innerhalb des Unternehmens neue Vernetzungen. Auch ein super schöner Nebeneffekt.
Health Relations: Lassen Sie uns mal kurz über Fallstricke sprechen. Einige haben Sie schon genannt. Welche weiteren Fallstricke gibt es, wenn ich ein Corporate-Ambasssador-Programm plane, aus Ihrer Erfahrung heraus?
Jörg Donner: Ich weiß nicht, ob es ein Fallstrick ist, aber ich habe festgestellt, dass man sehr viel mehr Zeit dafür einplanen muss, als man am Anfang denkt. Es ist einfach eine sehr intensive Begleitung, die man anbieten muss. Ein ganz wichtiger Punkt ist zudem, ständig darüber zu reden im Unternehmen. An jeder Stelle und wann immer es geht. Man muss die Kolleg:innen abholen und zwar von oben nach unten. Es hat keinen Sinn, das Ganze an die Mitarbeitenden auszurollen, wenn die Führungskräfte davon nicht überzeugt sind und nicht verstanden haben, worum es geht. Weiterhin muss man sehr genau schauen, auf welchem Level die Kolleg:innen stehen. An unserem Programm nehmen Menschen teil, die erst frisch ein Profil bei LinkedIn angelegt haben, andere haben schon Erfahrung gesammelt. Es ist ein schmaler Grat, auf dem man sich bewegt, um wirklich alle in den Schulungen mitnehmen zu können.
„Ich finde es viel sinnvoller, sich nur einmal im Monat mit sinnvollem Content mit Mehrwert zu melden, als die Welt mit Postings um der Posting willen zu spammen.“
Health Relations: Planen Sie, das Programm auf weitere Social-Media-Kanäle auszuweiten?
Jörg Donner: LinkedIn ist der Kanal, auf den wir uns spezialisiert haben, denn hier sehen wir den größten Benefit für das Unternehmen und die Mitarbeitenden. Hier bewegen sich Fachgruppen, Ärzte und Ärztinnen. Die Inhalte des Trainings gelten aber weitestgehend natürlich auch für alle anderen Social-Media-Kanäle. Der Hinweis „Schreib‘ nichts auf Social Media, was du nicht auch in der vollen U-Bahn erzählen würdest“ beispielsweise gilt genauso für Instagram, Facebook, Twitter/X und alle anderen Kanäle da draußen.
Health Relations: Es verlangt Mut, auch persönliche Geschichten im Business-Umfeld zu erzählen. Wie handhaben Sie das auf LinkedIn?
Jörg Donner: Ja, es gehören Mut und auch eine gewisse Haltung dazu. Aber man muss ganz klar sagen, auch mein Account ist ein privater Kanal und ich poste auch nicht regelmäßig. Wenn man dem LinkedIn-Algorithmus glaubt, muss man ja eigentlich mindestens ein bis zwei Mal die Woche posten. Da komme ich auch nicht immer hinterher. Das ist aber auch nicht schlimm. Ich finde es wichtig, dass meine Postings zumindest ansatzweise Mehrwert haben und wenn es nur der ist, dass die Menschen etwas über mich oder meine Ansichten erfahren. Weil das natürlich auch das ist, was mich als Kommunikator ausmacht. Dass die Leute einen Eindruck von mir haben. Ich finde es viel sinnvoller, sich nur einmal im Monat mit sinnvollem Content mit Mehrwert zu melden, als die Welt mit Postings um der Posting willen zu spammen.