Pharmaunternehmen beschränken sich längst nicht mehr auf die Bereitstellung von Medikamenten. Sie agieren zunehmend als Mitgestalter der Versorgung – datenbasiert, partnerschaftlich, systemisch. Das zeigt auch die Initiative ATLAS von AstraZeneca.

Früher standen primär Wirkstoffe und deren Wirkungen im Fokus pharmazeutischer Tätigkeiten. Heute zeigt sich ein anderes Bild: Unternehmen wie AstraZeneca investieren gezielt in Versorgungstransparenz, nutzen dafür Expertenwissen, stellen im Gesundheitssystem datenbasierte Erkenntnisse bereit – und treten damit als Mitgestaltende eines lernenden Gesundheitssystems auf. Ein Beispiel ist die Initiative „ATLAS“ des Pharmaunternehmens AstraZeneca, ein Dashboard, das regionale Unterschiede in Diagnostik, Therapie und Versorgung offenlegt – indikationsbezogen, wissenschaftlich und bewusst losgelöst von konkreten Produkten.

„Der Name ist Programm“, sagt Dr. Alexander Unger, Head of IBEX (Innovation & Business Excellence) bei AstraZeneca. „Wir wollen über einen interaktiven Versorgungsatlas Versorgungslücken regional identifizieren, evidenzbasierte Diskussionen ermöglichen und konkrete Verbesserungen für Patientinnen und Patienten anstoßen.“

Das klingt zunächst nach klassischer Versorgungsforschung. Doch die Ambitionen gehen weiter: ATLAS soll nicht nur analysieren, sondern helfen, gemeinsam mit Kooperationspartnern aus der Ärzteschaft, Forschung und weiteren Stakeholdern im Gesundheitswesen Impulse für Versorgungsverbesserungen zu setzen. Erkenntnisse etwa zur COPD-Versorgung in einer Region, in der die leitliniengerechte Therapie signifikant unter dem Bundesdurchschnitt liegt, können Anlass sein, gemeinsam Bewusstsein für die Erkrankung und dessen Therapie zu schaffen sowie Betroffenen die Unterstützung zu bieten, die sie benötigen.

„Die Arbeit beginnt mit Daten – aber sie endet nicht dort.“

Diese systemische Perspektive bringt eine neue Rolle für die Pharmazeutische Industrie mit sich: Sie wird zum Partner und Mitgestaltenden eines nachhaltigen und leistungsstarken Gesundheitssystems. „Wenn wir mit Atlas zeigen, was an Versorgungsqualität möglich ist, senden wir auch ein Signal: Pharmaunternehmen können und müssen Verantwortung über die reine Medikamentenversorgung hinaus für Gesundheitsergebnisse von Patientinnen und Patienten und ein insgesamt nachhaltiges Gesundheitssystem übernehmen“, so Unger. Die Konsequenzen sind tiefgreifend, denn solche Veränderungen im Gesundheitssystem zu bewirken ist komplex und kann nur durch umfassende Partnerschaften mit Wissenschaft, Politik und Stakeholdern in der Versorgung getrieben werden.

Ein weiterer Vorteil: Solche Initiativen werden auch international wahrgenommen und so ist damit auch ein starkes Signal für den Standort Deutschland verbunden, der zugegebenermaßen immer noch um eine führende Rolle in Sachen Datenkompetenz kämpft. Projekte wie ATLAS zeigen, dass dies jedoch kein theoretisches Ziel darstellt, sondern praktizierte Realität sein kann.

Wenn Evidenz zur Kooperationsgrundlage wird

Wie sehr diese Transparenz auch bei unterschiedlichen Akteuren auf Interesse stößt, hat aber auch Unger positiv überrascht. „Ich hatte nicht erwartet, dass so viele sagen würden: ‚Das sind superspannende Daten. Ich wusste gar nicht, dass wir solche wertvollen Insights zur Versorgung in Deutschland haben.’“ Umso wichtiger ist es, gibt er zu bedenken, dass solche Initiativen – ähnliche Versorgungsatlanten stellen etwa das ZI (Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung, Anm.d. Red.) oder die Barmer bereit – weiter gestärkt werden und Angebote geschaffen werden, die in der Praxis ankommen. „Wir haben für zentrale Therapiegebiete, wie Asthma/COPD, Herz- und Niereninsuffizienz, sowie Hypertonie gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern eine erste Basis geschaffen. Für unsere Vision von Echtzeit-Real-World-Daten, die Versorgungslücken nahezu in Echtzeit entdecken und umsetzbare Maßnahmen identifizieren lassen, ist es aber noch ein weiter Weg.“ Dies könne nur über gemeinsame Anstrengungen zum Erfolg führen.

Zugang zu relevanten Daten schwierig

Die Herausforderung dabei: Der Zugang zu relevanten Daten ist nicht einfach und oft mit erheblichem Zeitverzug behaftet. So liegen z.B. Routinedaten der ambulanten Versorgung oft erst mit einem Zeitverzug von über einem Jahr vor. Darüber hinaus fehle insbesondere in dynamischen Bereichen wie der Onkologie der Zugang zu notwendigen qualitativ hochwertigen regionalen und verlinkten Daten, wie z.B.  GKV-Routine-, Biomarker- und Registerdaten, so Unger.

Dabei spielen auch regulatorische Herausforderungen eine zentrale Rolle. Das Gesundheitsdatennutzungs- und andere gesetzliche Initiativen haben zwar die Nutzungsmöglichkeiten von Gesundheitsdaten über z.B. das Opt-Out-Konzept bei der elektronischen Patientenakte, der Erweiterungspläne und Zugangsmöglichkeiten für die Industrie für das Forschungsdatenzentrum gestärkt, es gibt aber weiterhin kritische Barrieren. So ist das Forschungsdatenzentrum bisher nicht für ein Echtzeitmonitoring der Versorgungsqualität, wie bei ATLAS, ausgelegt, sondern auf einzelne zeitlich begrenzte Studien. Zudem droht das Forschungsdatenzentrum zu einem Nadelöhr zu werden und hohe datenschutzrechtliche Anforderungen erschweren weiterhin den Zugang zu notwendigen Daten. AstraZeneca arbeitet daher proaktiv an zukunftsweisenden Ansätzen.

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist der Ansatz synthetischer Gesundheitsdaten: Sie sollen es nämlich ermöglichen, datenschutzkonform, schnelleren und breiteren Zugang zu Gesundheitsdaten zu schaffen. Synthetische Daten bezeichnet​ die Generierung von künstlichen, anonymen Daten, mit dem Ziel, die statistischen Verteilungen der Originaldaten zur reproduzieren– ein potenzieller Gamechanger in einem Land, in dem Datenschutz oft Innovationshemmnis ist.

Von der Produktlogik zur Systemkompetenz

Was heißt all das für die pharmazeutische Industrie? Für die Pharmaindustrie bedeutet das alles eine tiefgreifende Neuausrichtung: weg von der Produktlogik, hin zur Systemkompetenz. Der Fokus liegt zunehmend auf Partnerschaften, evidenzbasiertem Handeln und der Frage, wie Daten konkret zu besseren Outcomes führen können – regional, indikationsbezogen und integriert. „Wir sehen, dass ATLAS längst kein Pilot mehr ist“, sagt Unger. „Es ist Teil unseres normalen Arbeitens geworden – und Teil eines neuen Selbstverständnisses von Pharma als aktiv mitgestaltendes Element.“

Die Überzeugung dahinter: Nur durch die Bündelung von Daten, Fachwissen und Ressourcen lassen sich messbare Verbesserungen in der Versorgung erzielen. In Zusammenarbeit mit Forschung, Kliniken und Versorgungsstakeholdern entstehen Lösungen, die den Behandlungserfolg erhöhen und das Gesundheitssystem als Ganzes stärken.

Was ist ATLAS von AstraZeneca?

ATLAS ist eine datenbasierte Versorgungsinitiative von AstraZeneca. Das interaktive Dashboard zeigt regionale Unterschiede in der medizinischen Versorgung – etwa bei COPD, Herz- oder Nierenerkrankungen – und soll gezielt Versorgungslücken aufdecken. Der Fokus liegt auf evidenzbasierten Erkenntnissen, die indikationsbezogen, produktunabhängig und wissenschaftlich fundiert aufbereitet werden.

Ziel ist es, gemeinsam mit der Ärzteschaft, Wissenschaft und weiteren Akteuren konkrete Verbesserungen für Patientinnen und Patienten anzustoßen. ATLAS steht exemplarisch für die Neuausrichtung pharmazeutischer Unternehmen: weg von reiner Produktlogik, hin zur systemischen Mitgestaltung eines lernenden Gesundheitssystems. Dabei spielen auch neue Ansätze wie synthetische Gesundheitsdaten eine Rolle, um datenschutzkonform schneller auf relevante Versorgungstrends reagieren zu können.