Dr. Bojan Ljepoja ist promovierter Pharmazeut und leitet bei der Amgen GmbH den Bereich Innovation & Omnichannel. Im Interview spricht er über die wahren Herausforderungen im Omnichannel-Marketing, die Rolle des Vertriebs in einer sich wandelnden Welt und warum Künstliche Intelligenz zwar vieles verändert, aber nicht alles ersetzt.

Was bedeutet der Begriff „Omnichannel“ heute?

Health Relations:Omnichannel bleibt auch in diesem Jahr ein zentrales Thema. Was bedeutet das Konzept jenseits der Schlagworte für Sie?

Dr. Bojan Ljepoja: Omnichannel-Marketing ist für mich kein Selbstzweck, sondern bedeutet in erster Linie: kundenzentriertes Engagement. Es geht nicht darum, noch mehr Kanäle zu bespielen, sondern darum, dass der Kunde oder die Kundin im Mittelpunkt steht. Und da ist es egal, ob sie mit dem Vertrieb, dem Medical-Team oder dem Innendienst sprechen. Diese Trennung, die wir intern machen, ist für die Kundin oder den Kunden nicht sichtbar. Sie wollen Antworten, keine Zuständigkeiten.

Health Relations: Welche Rolle spielt der Außendienst in diesem Modell?

Dr. Bojan Ljepoja: Die Kernaufgabe des Außendienstes hat sich nicht verändert: Es geht um Beziehung, Vertrauen und darum, relevante Informationen zu liefern. Neu ist nur, dass er heute nicht mehr die komplette Klaviatur alleine bespielen muss. Vieles passiert schon vorher, über digitale Touchpoints wie Websites und Newsletter, vielleicht auch Social Media. Das heißt, der Außendienst kann gezielter agieren. Was mich persönlich stört, ist die auf Omnichannel-Veranstaltungen oft wiederholte Forderung, Außendienstmitarbeitende müssten einfach „digital affiner“ sein, und die neuen Technologien intensiver nutzen. Das Handwerk besteht vor allem darin, gute Gespräche zu führen und Vertrauen aufzubauen, die digitalen Tools sollen dabei unterstützen.

Health Relations:Und trotzdem müssen sich viele Außendienst-Mitarbeitende in neue Systeme einarbeiten. Ist das nicht auch eine Frage der Haltung?

Dr. Bojan Ljepoja:Doch, absolut. Lebenslanges Lernen ist eine Voraussetzung. Aber wir sollten uns ehrlich fragen, warum sich manche mit digitaler Technik schwertun. Häufig liegt es daran, dass die Systeme nicht ausreichend aus der Perspektive des Anwendenden entwickelt worden sind. Die gute Anwendung von digitalen Tools setzt voraus, dass sie intuitiv und benutzerfreundlich zu bedienen sind. Leider sind wir als „Techies“ bei solchen Tools oft sehr in schöne Prozesse oder tolle Funktionen „verliebt“, sodass man die Realität und den Kontext der Nutzung übersieht, bei der das Gespräch mit den Ärztinnen oder Ärzten im absoluten Vordergrund steht.

„Auch KPIs brauchen einen Sinn.“

Health Relations:Es wird viel über sinnstiftende Arbeit und Ausrichtung gesprochen – mit dem Schlagwort „Purpose“. Gilt dieser Gedanke auch für die KPI-gesteuerte Steuerung?

Dr. Bojan Ljepoja: Ja, auch KPIs brauchen einen Sinn – gerade im Omnichannel-Setting, in dem eine Flut an Metrics zur Verfügung stehen. Aus der Fülle an Daten müssen wir selektieren und kombinieren: Welche Daten sind relevant, welche Daten geben nur Anhaltspunkte im Kontext, was sind „harte“ Performance-KPIs.? Das wiederum muss im Unternehmen transparent und offen kommuniziert werden, um das Verständnis der Mitarbeitenden zu gewinnen, sodass sie mithilfe von Daten ihren Fokus auf die zu erreichenden Ziele ausrichten können. Es sollte nicht vermittelt werden, dass es nur darum geht, eine Zahl von 16 auf 18 zu bringen. Wir müssen erklären können: Warum hilft es uns, diese Metric zu steigern, was sagt es aus? Zahlen dürfen nie Selbstzweck sein.

Health Relations:Welche Veränderung sehen Sie bei Marketing und Vertrieb konkret?

Dr. Bojan Ljepoja: Früher, ohne die Kanäle, Daten und anderen Möglichkeiten, die wir heute haben, waren die Marketing-Teams deutlich weiter weg von den Kundinnen und Kunden, die Vertriebsmitarbeitenden waren mit der Aufgabe, eine Customer-Journey abzubilden, eher auf sich alleine gestellt. Heute ist klar, dass Marketing vordenken, Kundinnen und Kunden verstehen und gemeinsam mit dem Vertrieb Inhalte strategisch einsetzen muss. Der Vertrieb hingegen braucht nicht mehr alle Inhalte im Kopf zu haben, sondern muss die richtigen Fragen stellen und passende Angebote machen können. Die Rollen nähern sich einander an.


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Pharma Sales & Marketing im Zeitalter der KI. Die DigIT Pharma & eHealth 2025 lädt vom 1.–3. September 2025 nach Berlin.

Kernthemen dieses Jahr sind:

      • SCALING OMNI CHANNEL
      • COMMERCIAL EXCELLENCE, MARKETING & VERTRIEB
      • MARKTZUGANG
      • NEUE DIGITALE KANÄLE UND PLATFORMEN
      • DATEN & DATENGESTEUERTE HERANGEHENSWEISE
      • MINDSET UND CHANGE
      • KOMMUNIKATION MIT HCP VERBESSERN
      • MEDIZINTECHNIK MARKETING & SALES
      • GENERATIVE AI
      • GOODBYE WRITING – HELLO PROMPTING

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Neue Technologien, alte Fragen

Health Relations:Wo sehen Sie die Rolle von KI in diesem Zusammenspiel?

Dr. Bojan Ljepoja: KI bietet riesiges Potenzial dabei, Prozesse zu vereinfachen. Wir sollten sie aber nicht mystifizieren und als Allheilmittel verstehen. Gut ist, wenn KI dem Außendienst zeigt, was sich seit dem letzten Kontakt bei der Kundin oder beim Kunden getan hat. Noch besser, wenn sie Vorschläge macht, wie ein nächster Schritt aussehen könnte. Aber ob das sinnvoll ist, muss am Ende immer noch ein Mensch entscheiden. Dabei ist die Qualität der vorhandenen und gesammelten Interaktionsdaten viel wichtiger, als die KI, die nur den Output liefert.

Health Relations:Und wie gehen Sie mit der Verunsicherung im Außendienst um, die solche Veränderungen auslösen?

Dr. Bojan Ljepoja: Das ist ein zentraler Punkt. Unser Umfeld und die Bedingungen ändern sich in einer ganz neuen Geschwindigkeit. Wo wir lange Zeit mit denselben Mustern erfolgreich arbeiten konnten, erleben wir jetzt, dass Anpassungen in einem immer höheren Takt notwendig sind. Getrieben durch Digitalisierung, Zugangsbeschränkungen in den Praxen und Kliniken, informierte Patientinnen und Patienten. Wir brauchen Mut zur Vereinfachung. Und gutes Change Management. Reine Informations- und Trainingsangebote reichen nicht immer aus; stattdessen muss Veränderung durch Führungskräfte vorgelebt werden.

Health Relations:Man könnte zusammenfassend sagen: Wir reden zu viel über Technologie und zu wenig über Menschen.

Dr. Bojan Ljepoja:Richtig! Wenn Technologie nicht genutzt wird, deutet das erstmal darauf hin, dass der Nutzen fehlt oder nicht ausreichend vermittelt wurde. Menschen lehnen Technik nicht ab, wenn sie hilfreich ist. Mitarbeitende für Systeme zu begeistern, klappt nur, wenn die Anwendung intuitiv ist, sinnvoll erscheint und echte Unterstützung bietet.

Health Relations:Was ist für Sie das eigentliche Ziel von Omnichannel-Marketing?

Dr. Bojan Ljepoja: Effizienz ist gut. Aber das eigentliche Ziel ist Wirkung. Weniger Kontakte, die besser vorbereitet sind. Weniger Material, das besser passt. Weniger Silos, mehr Zusammenarbeit. Dabei hilft die Technologie und das ist wunderbar. Aber der Ausgangspunkt bleibt der Mensch, unabhängig davon, ob man Kunde, Kollege oder Gesprächspartner ist. Nur wenn wir das im Blick behalten, ist Omnichannel-Marketing mehr als ein Buzzword.

Dr. Bojan Ljepoja ist Speaker bei der DigIT Pharma & eHealth 2025 (s. Kasten).