Merck: Nachhaltigkeit als Voraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit

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Prof. Dr. Herwig Buchholz, Global Head of Corporate Sustainability Merck Group © Merck
Merck hat ambitionierte Nachhaltigkeits- und Klimaziele. Im Jahr 2040 will das Unternehmen klimaneutral sein, berichtet Prof. Dr. Herwig Buchholz, Global Head of Corporate Sustainability Merck Group.

Health Relations: Merck will im Jahr 2040 klimaneutral sein. Wie wollen Sie das erreichen?

Prof. Dr. Herwig Buchholz: Auf dem Weg zu Klimaneutralität haben wir uns ambitionierte Zwischenziele gesetzt. Merck wird seine direkten Treibhausgasemissionen bzw. Emissionen durch zugekaufte Energie bis 2030 um 50 Prozent  im Vergleich zum Jahr 2020 zu senken. Bis dahin werden wir auch 80 Prozent unseres Stromverbrauchs aus erneuerbaren Quellen decken. Es ist klar, dass dafür große Veränderungen nötig sind. Allen voran gilt es, die prozessbedingten Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Darüber hinaus setzen wir auf grüne Energie. Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor ist unsere Lieferkette: Indirekte Treibhausgasemissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette wird Merck bis 2030 um insgesamt 1.500 Kilotonnen CO2-Äquivalente reduzieren.

Health Relations: Das sind langfristige Ziele. Welche Maßnahmen setzen Sie jetzt schon um? Welche sollen noch folgen?

Prof. Dr. Herwig Buchholz: Wir haben beispielsweise in unserem Life-Science-Geschäft Produktionslinien auf einen PFC-freien Betrieb umgestellt und senken so die prozessbedingten Treibhausgasemissionen. Genauso ist in puncto grüner Energie ein Zwölfjahresvertrag für erneuerbare Energien in den USA ein wichtiger Baustein. Dieses „Virtual Power Purchase Agreement“, das wir Anfang 2021 geschlossen haben, umfasst 68 Megawatt: Das entspricht 65 Prozent unseres gesamten Stromverbrauchs in den USA, wo wir als Unternehmen den höchsten Energieverbrauch verzeichnen. Ein Windpark entsteht derzeit in Texas und soll 2022 fertiggestellt werden. Beim Thema Kreislaufwirtschaft – das ist sehr wichtig für uns – laufen viele Aktivitäten im Zusammenhang mit unseren Rohstoffen, Produkten und besonders auch den erforderlichen Verpackungsmaterialien.

„Nur wenn wir einen nachhaltigen Mehrwert-Beitrag für die Gesellschaft schaffen, können wir auch in Zukunft unsere Wettbewerbsfähigkeit sichern.“

Health Relations: Sie haben damit eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt. Kommunizieren Sie diese auch nach außen?

Prof. Dr. Herwig Buchholz: Wir kommunizieren alle wichtigen strategischen Themen an unsere Stakeholder. Und Nachhaltigkeit hat schon immer einen hohen Stellenwert in unserem Unternehmen gehabt. Für uns gehören nachhaltiges Wirtschaften und profitables Wachstum zusammen: Nur wenn wir einen nachhaltigen Mehrwert-Beitrag für die Gesellschaft schaffen, können wir auch in Zukunft unsere Wettbewerbsfähigkeit sichern. Darüber möchten wir unsere Stakeholder transparent und umfänglich informieren – sowohl über unsere Aktivitäten und Erfolge als auch über Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind. Das tun wir zum einen selbst aktiv über unseren jährlich erscheinenden Nachhaltigkeitsbericht, unsere Website, Pressemitteilungen und natürlich auch über Social Media. Zum anderen lassen wir uns von externer Seite über Ratings bewerten – beispielsweise über das Carbon Disclosure Project – und können so unsere Leistungen mit denen anderer Unternehmen vergleichen.

Health Relations: Sie wollen einen Beitrag in den Bereichen Wissenschaft & Technologie, Wertschöpfungskette und Klima & Umwelt leisten. Warum in diesen drei Bereiche?

Prof. Dr. Herwig Buchholz: Wissenschaft und Technologie sind für uns der Schlüssel zu Fortschritt. Das lehrt uns auf beeindruckende Art und Weise auch die COVID-19-Pandemie. Technologischer Fortschritt und die das Problemlösungspotenzial der Wissenschaft können nachhaltig Mehrwert für die Gesellschaft schaffen und das Wohlergehen vieler Menschen verbessern – so unser Selbstverständnis. Als Unternehmen wollen wir wirtschaftlich erfolgreich sein und durch unsere Geschäftstätigkeit einen positiven Wertbeitrag für die Gesellschaft erzielen. Unser Bestreben ist es dabei, gesellschaftliche Folgekosten zu vermeiden. Unsere Wertschöpfungsketten sind ein wichtiger Hebel, um unseren Einfluss auf die Gesellschaft und die Umwelt zu steuern. Ambitionierte Klima- und Umweltziele sind essenziell, um den großen Herausforderungen der Gegenwart zu begegnen.

Health Relations: Welche Veränderungen führen Sie im Unternehmen ein?

Prof. Dr. Herwig Buchholz: Nachhaltiges Handeln ist ein integrierter Bestandteil unserer Geschäftstätigkeit und Unternehmensstrategie. Deshalb müssen alle Bereiche an entsprechenden Konzepten und Steuerelementen beteiligt sein. Alle Unternehmensbereiche arbeiten zurzeit an Strategien zur Umsetzung der Ziele, die übergreifenden Gruppenfunktionen von Merck unterstützen mit übergreifenden Tools, wie Analysen, Datenbanken und Trainings im Bereich Nachhaltigkeit. Und natürlich beziehen wir alle Mitarbeitenden in diese Veränderungen ein – informieren sie, schulen sie und schaffen Anreize für nachhaltiges Verhalten. Wir werden zudem auch die langfristige variable Vergütung der Geschäftsleitung ab 2022 mit messbaren Fortschritten bei der Erreichung unserer Nachhaltigkeitsziele  zu verknüpfen.

Mercks Nachhaltigkeitsziele

Merck hat sich mit seiner Nachhaltigkeitsstrategie drei neue Ziele gesetzt:

– Im Jahr 2030 erreicht Merck durch nachhaltige Wissenschaft und Technologien Fortschritt für mehr als eine Milliarde Menschen.

– Bis 2030 verankert Merck Nachhaltigkeit in allen unseren Wertschöpfungsketten.

– Bis 2040 wird Merck klimaneutral und reduzieren unseren Ressourcenverbrauch.

Um Mercks Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, konzentriert sich das Unternehmen auf sieben Fokusfelder: 1. nachhaltige Innovationen und Technologien für die Kunden

2. Beitrag der Technologien und Produkte zu Gesundheit und Lebensqualität

3. Nachhaltigkeitskultur und Werte

4. Nachhaltigkeit und Transparenz in der Lieferkette

5. gesellschaftliche Akzeptanz in allen Regionen sicherstellen

6. Klimawandel und Emissionen

7. Wasser- und Ressourcennutzung

Health Relations: Das sind umfassende Veränderungen, die Sie umsetzen und planen. Woran werden das Ärztinnen und Ärzte bemerken?

Prof. Dr. Herwig Buchholz: Wir sind spezialisiert auf Medikamente, die Patienten zugutekommen, für deren Erkrankungen es bisher keine zufriedenstellenden Behandlungsmöglichkeiten gibt – das gibt Ärzten zusätzliche Optionen. Auch Aspekte wie eine umweltfreundliche Verpackung spielen bei Medikamenten zunehmend eine Rolle. Hier gibt es Optionen für Optimierungen, die wir nutzen. Im Bereich Medizinprodukte haben wir Programme, etwa für Recycling. Bestehende Produktionsprozesse unterliegen strengster Aufsicht durch die Behörden und können häufig nicht so einfach verändert werden. Bei neuen Prozessen versuchen wir, umweltfreundliche Alternativen zu entwickeln, z.B. bei der Wahl der verwendeten Rohstoffe und Herstellungsprozesse.

Darüber hinaus gibt es immer noch viele Menschen, die keinen oder kaum Zugang zu Gesundheitsversorgung haben. Hier nutzen wir beispielsweise spezielle Preisstrategien für Länder mittleren oder niedrigen Einkommens. Dadurch erhalten Beteiligte der Gesundheitssysteme vor Ort Zugang zu Behandlungsmöglichkeiten, die ihnen sonst verschlossen bleiben würden. Oder wir führen weltweit Aufklärungskampagnen durch, um gemäß unserer Expertise das Wissen vor Ort über Krankheiten zu erweitern.

Health Relations: Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit heute in Ihrer Kommunikation und im Marketing – einmal in Bezug auf das Marketing und die Kommunikation selbst und inwiefern nutzen Sie die Verbesserungen bei der Nachhaltigkeit in der Kommunikation in Bezug auf die Schärfung Ihres Unternehmensprofils?

Prof. Dr. Herwig Buchholz: Die Verbindung von Nachhaltigkeit und Geschäftstätigkeiten ist ein kritischer Erfolgsfaktor – das gilt auch für die Kommunikation. Produkte, die einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten, werden in ihren besonderen Eigenschaften natürlich auch entsprechend beworben. Die große Nachfrage seitens unserer Kunden rückt diese Aspekte immer mehr ins Blickfeld und ist daher auch Bestandteil unseres Marketings. Wichtig ist für uns, dass das Nachhaltigkeitsprädikat für ein Produkt oder Projekt auf soliden Füßen steht. Sonst setzt man sich schnell dem Vorwurf des Greenwashings aus.

Beispielsweise haben wir eine neue Methodik entwickelt, mit der wir positive und negative Auswirkungen unserer Aktivitäten auf die Gesellschaft bewerten (Impact Measurement). Sie heißt „Sustainable Business Value“ (SBV). Entlang der kompletten Wertschöpfungskette untersuchen wir sieben Dimensionen: Umwelt und Nachhaltigkeit, Wertschöpfung (wirtschaftlicher Wert), Gesundheit und Wohlbefinden der Verbraucher, Digitalisierung und Datenschutz, Werte und Ethik, Steuerungs- und Regelungssysteme sowie gesellschaftliches Engagement. Die SBV-Berechnung hilft uns, Geschäftsmodelle aus einer gesellschaftlichen Perspektive zu betrachten – und so unser Profil als nachhaltiges Unternehmen zu schärfen.

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