Roboterassistierte Chirurgie im OP-Saal: Ist da Vinci die Zukunft?

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Urologische da-Vinci-OP, Albertinen-Krankenhaus, Hamburg

Rund 100 da Vinci-Systeme gibt es derzeit in Deutschland. Auch das Albertinen-Krankenhaus setzt jetzt auf die roboterassistierte Chirurgie (RAC). Wir haben mit Christian Rilz, Geschäftsführer des Albertinen-Krankenhauses, über diese Entscheidung gesprochen.

Seit dem 1. März diesen Jahres ist das Roboter-System da Vinci im OP des Albertinen-Krankenhauses in Hamburg im Einsatz. Es ist das neueste Modell der Serie und trägt den Zusatz X, ein Patientenwagen, der mit vier Armen, einer Konsole und einem Videoturm ausgestattet ist. „Das“, sagt Christian Rilz, „ist die Zukunft.“ Der 46-Jährige ist seit Januar 2018 als Geschäftsführer des Albertinen-Krankenhauses tätig. Die Entscheidung, in das da-Vinci-System zu investieren, sei von seinem Vorgänger Tobias Schwarz gefällt worden. Eine sehr gute Entscheidung, sagt Rilz. „Es ist eine Investition in den Patienten. Geringerer Blutverlust, schnellere Wundheilung, bessere Krankheitsverläufe: da Vinci bringt alle Vorteile eines minimalinvasiven OP-Eingriffs mit.“

Rilz steht hinter der Idee der roboterassistierten Chirurgie. Damit ist er nicht alleine: Einer Umfrage zufolge glaubt jeder zweite Arzt an den alltäglichen Einsatz von OP-Robotern im Jahr 2030. Auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat sich des Themas OP Saal 4.0 angenommen.

Die Kombination aus hoch qualifiziertem Personal und Technologie ist es, die für Rilz ein schlagkräftiges Argument in der umkämpften Gesundheits- und Klinikbranche darstellt.

Der intelligente Operationssaal ist längst kein Zukunfts-Hirngespinst mehr. Immerhin existieren bereits rund 100 da Vinci-Systeme in Deutschland. Der Hersteller, der US-Konzern Intuitive Surgical hat mit seinem Roboterassistenten quasi den Markt besetzt. Weltweit sind rund 4.271 da Vinci-Operationssysteme installiert, 2.770 in den USA (65 %) und 719 in Europa (17 %), 561 in Asien (13 %) und 221 in der restlichen Welt (Stand 30. September 2017). Die Asklepios Klinik in Altona feierte im Februar die 100. OP mit dem System. Das Feedback: Urologen, Bauchchirurgen, HNO-Ärzte und Gynäkologen operieren immer öfter im eigens für das Hightech-Gerät eingerichteten da-Vinci-OP-Saal der Altonaer Klinik. Man hätte sich durch die Technologie einen Standortvorteil verschafft. Fazit: Trotz der hohen Anschaffungskosten hat sich der Invest gelohnt.

Doch selbst die beste Technik bringt nichts, wenn da keiner ist, der sie bedient. „Am Ende hängt der Erfolg nicht an der technischen Ausstattung, sondern am Personal“, sagt Christian Rilz. „Und ich bin sehr froh, dass wir mit unserem Chefarzt der Klinik für Urologie Dr. Henrik Zecha jetzt einen Experten im Team haben, der seit zehn Jahren mit dem System arbeitet und zudem Erfahrung in der Ausbildung von Kollegen mitbringt.“ Seit September 2017 ist Zecha am Albertinen-Krankenhaus tätig, um dort das Gebiet der roboterassistierten operativen Eingriffe voranzutreiben. Eingesetzt wird da Vinci bevorzugt im Bereich der Urologie, aber auch der Gynäkologie und der Chirurgie.

Die Kombination aus hoch qualifiziertem Personal und Technologie ist es, die für Rilz ein starkes Argument in der umkämpften Gesundheits- und Klinikbranche darstellt. „Wir befinden uns auf dem Markt in einem Wettbewerb. Und sind verpflichtet, kontinuierlich in unsere technische Ausstattung und in unser Personal zu investieren.“ Beides bedingt sich, auch wenn es um den Wettbewerb um Fachkräfte geht. Denn qualifizierte Mitarbeiter im OP sind heiß begehrt. Und natürlich ist die technische Ausstattung des Arbeitsbereiches ein relevanter Faktor für die Entscheidung für einen Arbeitsplatz. Kliniken stehen somit indirekt unter Investitionsdruck.

Für Patienten ist es ungemein schwierig, die Qualität von medizinischen Prozessen zu beurteilen. Eine gute Ausstattung ist für diese greifbar. Und wird somit zum Kriterium für die Qualität einer Klinik.

Nicht nur für Healthcare Professionals, auch für den Patienten ist die technische Ausstattung eines Krankenhauses ein Indiz für die Qualität der medizinischen Versorgung. Und für diese legt er mitunter Strecken zurück. Man spricht von einer Entscheidung der Füße: Bei der Wahl eines Krankenhauses spielt die Nähe zum eigenen Wohnort eine absolut untergeordnete Rolle. „Für Patienten ist es ungemein schwierig, die Qualität von medizinischen Prozessen zu beurteilen. Eine gute Ausstattung ist für diese greifbar. Und wird somit zum Kriterium für die Qualität einer Klinik“, erklärt Rilz. Nicht umsonst finden im Albertinen-Krankenhaus unterschiedliche Veranstaltungen statt, die Patienten das Gerät näherbringen oder auch eventuelle Ängste bezüglich roboterassistierter Chirurgie nehmen sollen. „Die sind sehr gut besucht“, sagt Rilz. „Das Interesse ist groß.“

Und noch ein Argument spricht für das roboterassistierte System: Im Personal- und Klinikmarketing lässt sich das da Vinci-System, losgelöst von den medizinischen Vorteilen, die das System bietet, hervorragend platzieren.

Auf der finanziellen Seite sind hingegen noch viele Fragen offen. Eingriffe mit da Vinci sind kostenintensiver aber noch nicht abrechenbar. So erklärte bespielsweise Dr. Bernd Stechemesser aus Köln beim Bundeskongress Chirurgie im März 2017 in Nürnberg: „Es ist (…) ein Wahnsinn, dass wir im ambulanten Bereich nur 250 Euro für eine Leistenhernienoperation erzielen, während ein OP-Roboter im Krankenhaus allein Sachkosten von mindestens 3.000 US-Dollar (ca. 2578 Euro, Anm. d. Red.) verursacht.“ Damit sich das Gerät amortisieren würde, müssten mindestens 350 Robotereingriffe pro Jahr durchgeführt werden.

Christian Rilz, Geschäftsführer Albertinen-Krankenhaus, über das da Vinci System im OP-Saal
Christian Rilz, Geschäftsführer der Albertinen-Krankenhaus/Albertinen-Haus gGmbH

Auch Christian Rilz weiß um diese Problematik. „Da Vinci ist noch nicht entgeltrelevant. Noch nicht. Die Politik aber möchte gute Qualität belohnen. Nur was ist gute Qualität in der Gesundheitsfürsorge? In dieser Diskussion befinden wir uns.“ Für ihn ist eine Lösung die Nutzung von Synergien. Bei welchen Eingriffen macht der Einsatz von da Vinci Sinn? In welchen operativen Bereichen bietet das System Mehrwerte für Patient und Arzt? Diese Bereiche zu finden und zu analysieren, um Synergien zu bilden und das System optimal auszulasten, das sei eine der zentralen Fragen, so Christian Rilz.

Die Frage, ob roboterassistierte Systeme wie da Vinci die Zukunft sind, scheint obsolet. Wir sind bereits mittendrin in der digitalen Entwicklung. Albertinen-Krankenhaus-Geschäftsführer Rilz jedenfalls freut sich, dass seine Klinik nun auf diese innovative Technik zurückgreifen kann. Er sieht mehr Chancen als Risiken. „Letztendlich“, sagt er, „haben wir einen medizinischen Auftrag. Und den nehmen wir gerne an.“

Beitragsbild: © Bertram Solcher / Albertinen Krankenhaus, Hamburg

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