Dorothee Brakmann, Pharma Deutschland: „Es wird neue Geschäftsmodelle geben“
© Svea Pietschmann Pharma Deutschland
Pharmaunternehmen entwickeln sich zu integrierten Gesundheitsanbietern, die Arzneimittel, digitale Anwendungen und Medizinprodukte verknüpfen. Dorothee Brakmann, Hauptgeschäftsführerin des Branchenverbands Pharma Deutschland, erklärt, warum dieser Wandel neue Geschäftsmodelle erfordert – und welche Rolle digitale Daten dabei spielen.
Health Relations:Die Pharmabranche steht aktuell vor zahlreichen Herausforderungen, politisch und wirtschaftlich. Wie bewerten Sie die derzeitige Situation am Pharmamarkt?
Dorothee Brakmann:Wir befinden uns gerade in einer spannenden Phase, die Chancen bietet, aber auch Risiken hat. Einerseits hat die Bundesregierung erkannt, dass die Pharmabranche eine Schlüsselindustrie für Deutschland ist. Gerade vor dem Hintergrund, dass andere Branchen zunehmend Schwierigkeiten haben, rückt die Pharmaindustrie immer stärker in den Fokus. Zudem gibt es aktuell einen Trend, dass Akademikerinnen, Akademiker und Forscherinnen und Forscher aus den USA wieder vermehrt nach Europa zurückkehren. Deutschland, hat nach wie vor eine hohe Anziehungskraft, gerade im Bereich Forschung und Entwicklung. Andererseits erleben wir aber auch Herausforderungen durch regulatorische Entscheidungen der EU, beispielsweise durch neue Belastungen bei der EU-Abwasserrichtlinie oder den drohenden Einschränkungen bei der Nutzung von Ethanol zur Desinfektion. Solche Maßnahmen gefährden die Attraktivität Deutschlands und Europas als Pharmastandort erheblich.
Digitalisierung als Schlüssel zum Erfolg
Health Relations:Digitalisierung gilt als bedeutender Treiber im Gesundheitswesen. Sind wir Ihrer Meinung nach hier auf dem richtigen Weg?
Dorothee Brakmann:Wir sind zweifellos auf dem richtigen Weg, aber es gibt noch erheblichen Nachholbedarf. Wir verfügen in Deutschland über eine Vielzahl an Daten, doch die große Herausforderung besteht darin, diese auch effektiv miteinander zu vernetzen. Ein großer Hoffnungsträger ist hierbei das „Forschungsdatenzentrum Gesundheit“ des BfArM, das alle Daten zusammenführen soll. Ich bin überzeugt, dass diese Initiative einen echten Durchbruch bedeuten könnte, etwa in der Früherkennung von Krankheiten oder bei der Entwicklung neuer innovativer Arzneimittel, zum Beispiel für seltene Erkrankungen. Wir sehen deutliches Potenzial, wenn wir hier gezielt und verantwortungsvoll vorgehen. Gleichzeitig müssen wir die Bürokratie abbauen und Prozesse vereinfachen, etwa durch digitale One-Stop-Shops, die Unternehmen dabei unterstützen, neue Projekte effizienter umzusetzen.
Health Relations:Stichwort Kooperation – Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit innerhalb der Pharmabranche und darüber hinaus?
Dorothee Brakmann: Kooperationen sind heute wichtiger denn je. COVID-19 war hierbei sicherlich ein Game-Changer, der gezeigt hat, wie erfolgreich Pharmafirmen, Behörden, Kostenträger und Leistungserbringer zusammenarbeiten können, wenn es darum geht, schnell und effektiv Lösungen zu entwickeln. Zukunftsfelder wie die Gen- und Zelltherapie zeigen besonders deutlich, dass kein Unternehmen alleine arbeiten kann. Diese Verfahren sind hochkomplex und erfordern eine intensive Zusammenarbeit zwischen Pharmafirmen, Krankenhäusern und Herstellern von Medizinprodukten. Ich bin sicher, dass wir in naher Zukunft vermehrt integrierte Gesundheitslösungen sehen werden – Arzneimittel kombiniert mit Medizinprodukten und digitalen Komponenten. Dadurch entstehen auch völlig neue Geschäftsmodelle.
Neue Schnittstellen zwischen Pharma und Ärzteschaft
Health Relations:Inwiefern verändert sich die Zusammenarbeit mit der Ärzteschaft durch diese Entwicklungen?
Dorothee Brakmann: Die Beziehung zwischen Pharma und Ärzteschaft ist zielgerichteter geworden. Was uns eint, ist das gemeinsame Ziel der optimalen Patientenversorgung. Ironischerweise wird uns das auch gemeinsam vorgeworfen. Ärztinnen, Ärzte und Pharmaunternehmen werden im Gesundheitssystem häufig vor allem als Kostenfaktoren betrachtet. Hier müssen wir gemeinsam daran arbeiten, den tatsächlichen Heilungserfolg stärker in den Vordergrund zu rücken und weg vom reinen Verteilungsdenken zu kommen. Personalisierte Ansätze, in denen Ergebnisse statt Mengen bezahlt werden, gewinnen immer mehr an Bedeutung.
Health Relations:Wie hat sich denn die Kommunikation und Ansprache der Ärztinnen und Ärzte seit Corona verändert?
Dorothee Brakmann:COVID-19 hat sicherlich die Art und Weise verändert, wie Ärztinnen und Ärzte erreicht werden können und möchten. Die Ansprache ist deutlich zielgerichteter geworden. Wir beobachten eine zunehmende Individualisierung: Der eine Arzt bevorzugt digitale Formate, die andere Ärztin möchte weiterhin persönliche Treffen. Pharmaunternehmen müssen hier sehr differenziert vorgehen und genau schauen, welche Kommunikationskanäle jeweils am effektivsten sind.
„Wir sehen bereits heute eine Abkehr vom klassischen Modell, in dem Pharmaunternehmen isoliert Arzneimittel entwickeln und vertreiben.“
Health Relations:Wo sehen Sie die Zukunft der Pharmabranche – wird sich die Branche zunehmend mit dem digitalen Gesundheitsbereich vermischen?
Dorothee Brakmann: Definitiv. Wir sehen bereits heute, dass Pharmaunternehmen nicht nur reine Arzneimittelhersteller sind, sondern zunehmend Gesundheitsunternehmen werden, die Medikamente, digitale Lösungen und Medizinprodukte miteinander kombinieren. Ich kann mir gut vorstellen, dass es in Zukunft Gesundheitsmessen gibt, die weniger sektoral sein werden, sondern vielmehr wird es um integrierte, patientenzentrierte Lösungen gehen.
Neue Geschäftsmodelle für eine vernetzte Gesundheitsbranche
Health Relations:Sie sagten es eben:Durch die zunehmende Kooperationen und integrierte Versorgungsansätze entstehen neue Geschäftsmodelle. Wie werden diese Ihrer Meinung nach aussehen?
Dorothee Brakmann:Tatsächlich befinden wir uns mitten in einer tiefgreifenden Transformation, die völlig neue Geschäftsmodelle hervorbringt. Wir sehen bereits heute eine Abkehr vom klassischen Modell, in dem Pharmaunternehmen isoliert Arzneimittel entwickeln und vertreiben. In Zukunft werden wir Gesundheitsunternehmen erleben, die ihre Lösungen stärker integrieren – also Arzneimittel, Medizinprodukte und digitale Gesundheitsanwendungen miteinander verknüpfen. Diese integrierten Ansätze ermöglichen personalisierte Therapien und Versorgungsmodelle, die exakt auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten zugeschnitten sind. Unternehmen werden dadurch zunehmend als ganzheitliche Lösungsanbieter auftreten, was wiederum neue Partnerschaften und innovative Geschäftsstrukturen erfordert. Es entsteht eine spannende Dynamik, in der klassische Grenzen zwischen Branchen verschwinden und wir zunehmend holistische Ansätze verfolgen.
Health Relations:Abschließend – welche Rolle werden Patientinnen und Patienten in diesem Szenario künftig übernehmen?
Dorothee Brakmann:Patientinnen und Patienten werden deutlich mehr Eigenverantwortung und Selbstbestimmung übernehmen. Ich bin eine große Befürworterin davon, gerade bei klar definierten, wiederkehrenden gesundheitlichen Problemen die Selbstmedikation zu stärken. Unsere gut ausgebildeten Apothekerinnen und Apotheker spielen dabei eine entscheidende Rolle, um diesen Prozess sicher und effizient zu gestalten. Dies entlastet nicht nur das Gesundheitssystem, sondern gibt Patientinnen und Patienten auch die Möglichkeit, aktiver und selbstbestimmter zu handeln. Digitalisierung und die elektronische Patientenakte können diesen Wandel zusätzlich unterstützen und beschleunigen.
Über Pharma Deutschland
Pharma Deutschland ist ein Branchenverband der pharmazeutischen Industrie in Deutschland. Er repräsentiert rund 400 Mitgliedsunternehmen mit etwa 80.000 Beschäftigten bundesweit. Der Verband engagiert sich in der politischen Interessenvertretung und bietet Unterstützung für seine Mitglieder sowohl im Bereich der verschreibungspflichtigen (#Rx) als auch der nicht verschreibungspflichtigen (#OTC) Humanarzneimittel. Darüber hinaus umfasst sein Tätigkeitsfeld auch Medizinprodukte wie Medical Apps und digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA). Die Mitgliedsstruktur ist überwiegend mittelständisch geprägt.
Wie sich die Pharmabranche in Deutschland verändert – 6 zentrale Fragen und Antworten
Wie verändert sich das Geschäftsmodell pharmazeutischer Unternehmen?
Laut Pharma Deutschland entwickeln sich pharmazeutische Unternehmen zunehmend zu Gesundheitsdienstleistern. Neben der Arzneimittelherstellung werden verstärkt digitale Anwendungen und Medizinprodukte in integrierte Versorgungslösungen eingebunden. Ziel ist eine stärker vernetzte Versorgung, die sich an den individuellen Bedürfnissen von Patientinnen und Patienten orientiert.
Welche regulatorischen Herausforderungen beeinflussen den Pharmastandort Deutschland?
Nach Einschätzung von Pharma Deutschland gefährden neue regulatorische Vorgaben auf EU-Ebene, wie die EU-Abwasserrichtlinie oder Einschränkungen beim Einsatz von Ethanol, die Attraktivität des Standorts Deutschland. Diese Maßnahmen erhöhen den administrativen und wirtschaftlichen Druck und erschweren Investitionen in Forschung und Produktion.
Welche Rolle spielt die Datenvernetzung im Gesundheitswesen?
Pharma Deutschland sieht in der Datenvernetzung einen zentralen Hebel für eine effizientere Gesundheitsversorgung. Trotz großer Datenmengen fehlt es an strukturierter Integration. Projekte wie das Forschungsdatenzentrum Gesundheit sollen künftig verschiedene Datenquellen bündeln und dadurch Fortschritte bei Früherkennung, Diagnostik und Arzneimittelentwicklung ermöglichen.
Warum gewinnen Kooperationen innerhalb der Gesundheitsbranche an Bedeutung?
Nach Einschätzung von Pharma Deutschland sind komplexe Therapieformen wie Gen- und Zelltherapien ohne sektorübergreifende Zusammenarbeit nicht realisierbar. Kooperationen zwischen Pharmaunternehmen, Kliniken, Medizintechnikherstellern und anderen Partnern sind notwendig, um integrierte und effektive Versorgungsmodelle zu entwickeln und umzusetzen.
Wie verändert sich die Kommunikation zwischen Pharmaunternehmen und der Ärzteschaft?
Pharma Deutschland beobachtet eine zunehmende Individualisierung in der Arztkommunikation. Ärztinnen und Ärzte haben unterschiedliche Präferenzen – einige bevorzugen digitale Formate, andere setzen weiterhin auf den persönlichen Austausch. Pharmaunternehmen reagieren darauf mit differenzierten Kommunikationsstrategien, um den jeweiligen Informationsbedarf besser abzudecken.
Welche Bedeutung hat die Rückkehr von Forschenden aus den USA für die Pharmaforschung in Deutschland?
Pharma Deutschland weist auf eine wachsende Rückkehr von akademischen Fachkräften aus den USA nach Europa hin. Diese Entwicklung stärkt den Forschungsstandort Deutschland, insbesondere im Bereich der Arzneimittelentwicklung. Gründe für die Rückkehr sind unter anderem attraktive Rahmenbedingungen in Forschung und Lehre sowie die hohe Reputation des Standorts.
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