Sie treten für Gleichberechtigung und Gleichstellung ein und wollen mehr Frauen im Gesundheitswesen in Führung bringen – auch und gerade in politisch unruhigen Zeiten. Vorstandsvorsitzende Katharina Schmidtke und Vorständin Cornelia Wanke von den Healthcare Frauen e.V. (HCF) erklären im Interview, wieso Haltung jetzt wichtiger denn je ist und welche Rolle Netzwerke dabei spielen.

Health Relations: Frau Schmidtke und Frau Wanke, in welchem Bereich führen Sie aktuell und was hat Sie dazu motiviert, Führungsverantwortung zu übernehmen?

Katharina Schmidtke: Ich bin zum einen Vorstandsvorsitzende der Healthcare Frauen, dort führen wir als Vorstand ein kleines Team. In meiner hauptamtlichen Tätigkeit als Unternehmerin führe ich circa 60 Personen, davon sehr viele Frauen. Und ich führe, weil mir das große Freude macht.

Cornelia Wanke: Auch ich bin Vorständin bei den Healthcare Frauen. Und ich würde Führung sogar noch etwas größer fassen: Wir führen bei den HCF nicht nur unsere angestellten Mitarbeiterinnen, sondern auch in Projekten, in Beiräten etc. Führen bedeutet für mich jedoch nicht nur, Menschen zu führen, sondern auch in Führung zu gehen. Deshalb sehe ich mich als Thought Leaderin im gesundheitspolitischen Bereich – ich gehe dort hinein, wo ich Änderungsbedarf sehe und setze dort mit Projekten an.

Health Relations: Also begreifen Sie Führung nicht nur als personelle Verantwortung, sondern auch darüber hinaus?

Cornelia Wanke: Führung heißt für uns Haltung und Verantwortung übernehmen – vor allem für Dinge, die im Gesundheitswesen nicht so gut laufen oder noch nicht angesprochen sind.

Health Relations: Stichwort Dinge, die noch nicht so gut laufen: In den Führungsetagen der Gesundheitsbranche sind Frauen auch 2025 noch deutlich unterrepräsentiert. Warum?

Katharina Schmidtke: Richtig, zwar machen wir Fortschritte und stehen an manchen Stellen besser da als andere Branchen. Aber es reicht noch nicht. Die Gründe sind vielschichtig. Zum einen gibt es männliche Seilschaften und Männer fördern Männer. Zum anderen gibt es weiterhin Vereinbarkeitsthemen zwischen Familie und Beruf, die es Frauen schwer machen, Führungsverantwortung zu übernehmen.

„Führung heißt für uns Haltung und Verantwortung übernehmen.“

Cornelia Wanke: Bei den HCF verantworten wir beide den Beirat Mentoring. Dabei fällt uns immer wieder auf, wie sehr die Frauen sich anstrengen, wie sehr sie in Führungsposition gehen wollen und wie es sie manchmal schier zerreißt. Oft übernehmen sie gleichzeitig Care-Arbeit und müssen sich im Job, um nach oben zu kommen, viel mehr anstrengen als Männer mit gleicher Qualifikation und auf gleicher Ebene. Es wird ihnen sehr viel abverlangt – und sie setzen sich oft auch selbst mächtig unter Druck.

Health Relations: Was raten Sie jungen Frauen, die im Gesundheitswesen in Führung gehen möchten?

Katharina Schmidtke: Ich rate jungen Frauen dazu, eine gute Ausbildung zu absolvieren. Das machen aber die meisten ohnehin. Ich rate ihnen, nicht nur fleißig zu sein, sondern auch sichtbar. Das fällt manchen schwer. Ich rate ihnen ganz dringend, sich ein gutes, tragfähiges Netzwerk aufzubauen. Und nicht zuletzt: Augen auf bei der Partnerwahl. Der Partner ist ganz entscheidend bei der Frage, ob die Vereinbarkeit von Familie und Karriere gelingt oder nicht.

Cornelia Wanke:Außerdem sollten sie auf ihre Gesundheit achten. Vielen fällt es schwer, Grenzen zu setzen. Wer führen will, muss sagen können: Bis hierhin geht es – weiter nicht.

Health Relations: Welche Rolle spielen Netzwerke auf dem Weg in eine Führungsposition?  

Cornelia Wanke: Für mich ist das Netzwerken entscheidend: sei es, um sich auszutauschen oder sich bei Herausforderungen zu unterstützen. Ganz wichtig ist, das Netzwerken nicht erst anzufangen, wenn man ein Problem hat, sondern frühzeitig Kontakte zu knüpfen. Wichtig dabei ist, nicht nur auf sich zu schauen, was man selbst aus dem Netzwerk bekommt, sondern anderen genauso zu helfen.

Health Relations: Wir leben in politisch unruhigen Zeiten. In den USA etwa bekämpft Trump Bemühungen um Vielfalt und Diversität. Es findet eine Rolle rückwärts statt, was etwa die Gleichstellung von Frauen in Unternehmen angeht. Spüren Sie das bereits in Ihrer Arbeit?

Cornelia Wanke: Ja, diese Entwicklung ist spürbar – auch in Unternehmen, von denen ich es nicht erwartet hätte. Ich hielt die Förderung von Frauen mancherorts für so verankert, dass sie nicht so leicht wieder zurückgedreht werden könnte. Doch leider findet genau das nun statt.

Health Relations: Wie äußert sich dieses Zurückdrehen konkret?

Cornelia Wanke: Programme, die die Karrierewege von Frauen unterstützen, werden einfach eingestellt. Das hat mich wirklich erschüttert. Viele Unternehmen scheinen den Wert hinter der Gleichstellung immer noch nicht zu sehen: dass gemischte Teams wesentlich besser performen. Offensichtlich waren die Programme zur Gleichstellung bei vielen Firmen nur etwas, dass sie eben umsetzen mussten.

„Programme, die die Karrierewege von Frauen unterstützen, werden einfach eingestellt. Das hat mich wirklich erschüttert.“

Health Relations: Wie kann es nun weitergehen?

Cornelia Wanke: Wir als Frauennetzwerke müssen jetzt zusammenarbeiten und Pflöcke einschlagen. Wir müssen intensiv für Gleichberechtigung und Gleichstellung kämpfen. Denn von alleine vorwärtsgehen wird es nicht, im Gegenteil: Das Erreichte kann ganz schnell wieder weg sein. Wir müssen weiter aufklären, politisch agieren und auch die Frauenquote weiter fordern. Ich bin zwar keine Freundin der Quote – nur ist sie in diesem Fall etwas Verbindliches, und das brauchen wir gerade.

Health Relations: Auf welche Führungseigenschaften kommt es jetzt mehr denn je an?

Katharina Schmidtke: Haltung ist jetzt herausragend wichtig. Und Haltung ist auch das, was man zeigt, wenn keiner hinschaut. Außerdem brauchen wir männliche Verbündete. Die gibt es da draußen und wir müssen Veränderungen gemeinsam anstoßen.

Cornelia Wanke: Frauen sollten zudem Netzwerke in ihren eigenen Unternehmen aufbauen. Sie sollten nicht alleine kämpfen, sondern sich mit anderen unterhaken und bereit sein, in eine Art Kampfmodus zu gehen. Das ist nicht schön, aber ich glaube, dass es den jetzt braucht.

Health Relations: Die HCF haben eine Studie zum Thema Wechseljahre und Leadership veröffentlicht. Wieso haben Sie dieses Thema ausgewählt?

Katharina Schmidtke:Die Wechseljahre betreffen die Hälfte der Bevölkerung, sie haben Einfluss auf das ganze Leben – und Berufsleben. Doch noch immer sind sie ein Tabuthema. Deshalb haben wir sie in den Fokus genommen.

„Die Wechseljahre betreffen die Hälfte der Bevölkerung, sie haben Einfluss auf das ganze Leben – und Berufsleben.“

Cornelia Wanke: Tabus brechen kann man nur, wenn man eine gute Grundlage hat. Deswegen haben wir unsere Studie aufgesetzt und waren selbst überrascht, was da so herausgekommen ist.

Health Relations: Welche Ergebnisse haben Sie besonders überrascht?

Cornelia Wanke: Zum Beispiel, dass Frauen in Führung sich durchbeißen und sich in den Wechseljahren nichts anmerken lassen. Über 80 Prozent etwa haben sich wegen wechseljahresbedingter Beschwerden noch nie krankschreiben lassen – egal, wie schwerwiegend die Symptome sind. Wir wissen, dass fast die Hälfte auch an psychischen Problemen wie Depressionen leidet. Fast 40 Prozent der Frauen ziehen am Ende dann Konsequenzen aus ihren Symptomen, indem sie etwa Arbeitsstunden reduzieren, eine Beförderung ausschlagen oder sich eine Auszeit nehmen. Und gut sieben Prozent gehen sogar in den Vorruhestand. Das hat mich erschüttert, denn das können wir uns als Gesellschaft ökonomisch nicht leisten und die Frauen selbst auch nicht.

Health Relations: Was glauben Sie, woran liegt es, dass Frauen glauben, sich im Stillen durch die Wechseljahre durchbeißen zu müssen?

Katharina Schmidtke:Das liegt an der starken Tabuisierung. Solche typischen Frauenthemen bespricht man nicht bei der Arbeit und erst recht nicht, wenn man mit Männern zusammenarbeitet. Hinzu kommt, dass viele Frauen in dieser Lebensphase mehrfach belastet sind: Man ist in den Wechseljahren, hat aber oft auch pflegebedürftige Eltern oder Schwiegereltern. Trotzdem wollen die Frauen auch im Job zeigen, dass sie volle Leistung bringen können. Das ist ein Thema, das schon früher beginnt und Frauen durch ihr Berufsleben begleitet: „Eine Frau mit den kleinen Kindern? Die stelle ich mal lieber nicht ein. Die ist ja dann ständig krank mit den Kindern zu Hause.“ Das haben viele schon erlebt – und wollen es nicht noch mal erleben, wenn sie offen über ihre Wechseljahre sprechen.

Health Relations: Wie sind die nächsten Pläne der Healthcare Frauen?

Cornelia Wanke: Aus der Wechseljahresstudie werden wir Handlungsempfehlungen für die Führungsebene ableiten. Wir werden im Beirat Gesundheitsförderung weiter intensiv daran arbeiten, möglichst viele Menschen über Frauengesundheitsthemen, über Gender Health und Gender Data Gap zu informieren. Und wir werden politisch Druck machen.

Katharina Schmidtke: Neben dem Thema Wechseljahre bespielen wir zudem weitere Frauen-Gesundheitsthemen, etwa die weibliche Herzgesundheit oder Brustkrebs. Außerdem bauen unser Mentoringprogramm für Frauen im Gesundheitswesen um und neu auf. Und wir werden auf politischer Ebene auf unsere neuen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner zugehen. Wir haben viel vor.