KI-Agenten sitzen im Pharmamarketing in den Startlöchern und sie sind mehr als ein kurzfristiger Hype, denn sie verändern die Spielregeln im digitalen Gesundheitsmarketing. Sie beschleunigen Prozesse, machen Informationen zugänglicher und eröffnen neue Chancen für Service und Kommunikation. Doch mit ihrem Aufstieg sind zugleich gefordert: klare Leitplanken, Transparenz und ein Umdenken in der strategischen Herangehensweise.

Im Kern sind KI-Agenten digitale Assistenten. Sie verknüpfen geprüfte Inhalte, Daten und Workflows miteinander und werden so zu Werkzeugen, die den Zugang zu Wissen erleichtern. „Im Gesundheitsbereich zeigen sie vor allem dann Wirkung, wenn sie Wissenszugang beschleunigen, z. B. Fachinfo, Studien, und standardisierte Abläufe sicher automatisieren“, erklärt Kim Lander von Smile AI. Entscheidend sei, dass nur freigegebene Quellen genutzt werden. „So entsteht messbarer Nutzen. Produktivität und Nutzererlebnis steigen, ohne die regulatorische Stabilität aufs Spiel zu setzen.“

Der Unterschied zu klassischen Suchmaschinen liegt auf der Hand: Während man früher „Dr. Google“ befragte, liefern heute spezialisierte Agenten Antworten, die im Idealfall auf validierten Daten basieren. Das verändert die Dynamik der Informationssuche für Patientinnen und Patienten, aber auch für Ärztinnen und Ärzte.

Chancen und Risiken in OTC und RX

Mit Blick auf das Pharmamarketing zeigt sich die Ambivalenz dieser Technologien besonders deutlich. „Wo nicht eindeutig ist, ob ein Mensch oder eine Maschine interagiert, drohen verfälschte Reichweiten und unzulässige Dialoge, etwa Off-Label-Aussagen. Im RX-Umfeld ist das besonders sensibel, im OTC-Umfeld verzerren Bots Kampagnenleistung“, sagt Lander.

Doch es gibt auch Chancen. Standardprozesse wie Bestandsabfragen, Terminlogiken oder Servicetickets können automatisiert ablaufen und damit wertvolle Ressourcen freisetzen. Gleichzeitig verändert sich der Blick auf klassische Kennzahlen. Lander: „Steigt der Anteil nicht-menschlicher Kontakte, sinkt die Beweiskraft klassischer Oberflächenkennzahlen. Nötig sind Human-Verified Metriken, Inkrementalitäts-Tests und Qualitätsmaße wie Aufmerksamkeit und sinnvolle Interaktionen.“

Gerade weil Bots und Agenten immer häufiger Interaktionen prägen, wird deutlich: CTR und Conversion reichen als Erfolgsmaßstab nicht mehr aus. Im RX-Bereich zählen qualifizierte HCP-Kontakte, im OTC-Bereich rücken Abverkaufsproxies und Apothekenabdeckung in den Vordergrund.

Compliance by Design

Im regulierten Umfeld des Gesundheitswesens bleibt Vertrauen die härteste Währung. „Compliance-by-Design bedeutet: Regeln sind in die Technik eingebaut. Antworten basieren nur auf freigegebenen Quellen, jede Ausgabe ist versioniert und protokolliert“, so Lander. Technische Schutzmechanismen gegen Prompt-Injection oder Off-Label-Aussagen sowie eine klare Kennzeichnung der KI-Nutzung seien unverzichtbar.

Doch die Debatte endet nicht bei Compliance. Sie öffnet ein viel größeres Feld: Wie müssen Unternehmen Marketing denken, wenn nicht nur Patientinnen und Patienten, sondern auch Ärztinnen und Ärzte beginnen, KI-Agenten für ihre Informationssuche zu nutzen? Wenn medizinische Fachkreise verstärkt mit digitalen Assistenten arbeiten, reicht es nicht mehr, Inhalte ausschließlich für Menschen zu verfassen. Informationen müssen so aufbereitet sein, dass sie maschinell auffindbar, korrekt interpretierbar und in einen sinnvollen Kontext eingebettet werden können. Marketing wird damit zu einer Art „Agenten-Optimierung“ – vergleichbar mit SEO, nur komplexer.

Auf die Pharma-Branche kommt damit auch eine weitere Verantwortung zu, nämlich die nötigen korrekten Informationen frühzeitig bereitzustellen. Denn wenn dies nicht geschieht, entsteht eine Informationslücke, die nur zu schnell mit Falschinformationen oder unseriösen Quellen gefüllt wird.

Neue Rollen für Agenturen – und klare Grenzen für Unternehmen

Auch für Agenturen bedeutet dies ein Umdenken. „Agenturen werden zu System-Architekten und Integratoren: weniger Einmalkampagne, mehr laufende Orchestrierung von Daten, Inhalten und Modellen. Kreativität bleibt zentral, sie verlagert sich stärker in Journey-Design, narrative Systeme über Kanäle hinweg und in die Befähigung der Kundenteams“, erklärt Lander.

Für Unternehmen selbst gilt: Experimente ja, aber innerhalb klarer Grenzen. Landers Rat: „Starten Sie mit klar abgegrenzten, risikoarmen Use Cases und definieren Sie vorab Erfolgskriterien. Verzichten Sie auf unkontrollierte generative Antworten in Patientendialogen, auf Training mit personenbezogenen Daten ohne Rechtsgrundlage und auf synthetische Schein-Interaktionen, die KPIs schönen.“

Und auch wenn KI-Agenten vieles beschleunigen können, bleibt eines unverändert: „KI macht Antworten und Analysen schneller und erlaubt echte Echtzeit-Optimierung, aber Geschwindigkeit ersetzt keine Strategie. Werthaltiges Marketing entsteht, wenn schnelle Tests in ein klares Gerüst aus Zielen, Hypothesen, Messplänen, Markenführung und medizinischer Sorgfalt eingebettet sind.“