Pharmaunternehmen, die früher vor allem Ärztinnen und Ärzte adressierten, treten heute zunehmend auch mit Patientinnen und Patienten in den Dialog. Das zeigt: Gesundheitskommunikation wandelt sich. Ob Ausstellungen, Foren oder Patiententage, Veranstaltungsformate mit Bildungs- und Begegnungscharakter nehmen zu. Sie zeigen, wie stark sich das Rollenverständnis der Industrie verändert hat, nämlich weg vom reinen Produktanbieter, hin zu einem Akteur in der Gesundheitsbildung.

Ein Blick auf aktuelle Beispiele zeigt, wie vielfältig das Spektrum geworden ist. Der Trend geht weg von klassischen Informationsveranstaltungen hin zu Formaten, die Austausch ermöglichen und Emotionen einbinden. Ein Beispiel ist die von MSD initiierte Ausstellung „HPV – WHAT THE FACTS?!“, die seit Herbst 2024 in mehreren Städten gezeigt wird. Sie verknüpft Aufklärung über HPV mit Kunst, Musik und popkulturellen Elementen. Das ist ein bewusster Bruch mit der klinischen Sprache, die viele Präventionsbotschaften lange geprägt hat.

Ziel solcher Formate ist es, Barrieren abzubauen und Gesundheitskompetenz dort zu fördern, wo sie entsteht: im Alltag der Menschen. Wenn Patientinnen und Patienten verstehen, welche Zusammenhänge zwischen Lebensstil, Prävention und Therapie bestehen, verbessert das langfristig auch die Versorgung.

Imagearbeit mit gesellschaftlichem Mehrwert

Patientenevents haben für Pharmaunternehmen eine kommunikative Doppelrolle. Einerseits dienen sie der Aufklärung, andererseits wirken sie imagebildend. Sie schaffen Nähe und Vertrauen, ohne auf Werbung zu setzen. Das ist besonders wichtig in einem Umfeld, in dem Glaubwürdigkeit zur härtesten Währung geworden ist.

Unternehmen wie MSD, Roche oder Pfizer positionieren sich zunehmend als Vermittlerinnenvon Wissen, nicht einfach nur als Absenderinnen von Produktbotschaften. Dahinter steht die Erkenntnis, dass Markenbindung heute anders entsteht als noch vor zehn Jahren. Sie entwickelt sich über Haltung, Relevanz und gesellschaftliches Engagement.

Gleichzeitig sind die Grenzen fließend. Auch wenn Patientenevents keine Verkaufsveranstaltungen sind, zahlen sie indirekt auf das Marketing ein. Sie schaffen ein Umfeld, in dem Vertrauen wächst, und das ist Voraussetzung für jede Form von Akzeptanz, sei es gegenüber Therapien, Technologien oder der Industrie selbst.

Gesundheitskompetenz als Kommunikationsziel

In einer Gesellschaft, in der laut Studien große Teile der Bevölkerung Schwierigkeiten haben, Gesundheitsinformationen richtig einzuordnen, werden Aufklärung und Informationsvermittlung zu zentralen Aufgaben. Ärztinnen und Ärzte haben dafür oft keine Zeit, und Schulen greifen das Thema kaum auf. Pharmaunternehmen schließen hier eine Lücke, die in der öffentlichen Gesundheitskommunikation immer sichtbarer wird und können gleichzeitig über Imagegewinn punkten.

Studien zeigen, wie groß diese Lücke tatsächlich ist. Bereits 2021 kam die Universität Bielefeld zu dem Ergebnis, dass knapp 60 Prozent der Bevölkerung eine eingeschränkte Gesundheitskompetenz haben (Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz). Neuere Daten der TU München von 2024 zeichnen ein noch kritischeres Bild: Die zeigten, dass 76 Prozent der Menschen Probleme haben, Gesundheitsinformationen zu verstehen.

Auch digital zeigt sich ein ähnliches Muster. Zwar suchen immer mehr Menschen Gesundheitsinformationen im Netz, doch nur etwa ein Drittel fühlt sich laut einer Vergleichsstudie (ResearchGate, 2023) in der Lage, diese Informationen auch für eigene Entscheidungen zu nutzen. Besonders betroffen sind Menschen mit geringem Bildungsgrad oder niedrigen Lese- und Schreibfähigkeiten. Mehr als ein Drittel von ihnen hat eine sehr eingeschränkte digitale Gesundheitskompetenz (JMIR Human Factors, 2025).

Wenn Unternehmen über Erkrankungen, Prävention oder Therapieoptionen informieren, leisten sie daher einen Beitrag zur Gesundheitskompetenz, auch wenn dies nicht ihr primärer Auftrag ist. Für die Industrie entsteht so eine neue Rolle: das Ermöglichen von Wissen.

Gesundheitskompetenz ist dabei kein Marketingziel, aber sie schafft Vertrauen. Und Vertrauen wiederum ist die Basis dafür, dass Patientinnen und Patienten Therapien annehmen, Ärztinnen und Ärzte offen über Innovationen sprechen und Öffentlichkeit pharmazeutisches Engagement als glaubwürdig wahrnimmt.

Vom Sponsoring zum echten Dialog

Früher trat Pharma vor allem durch Sponsoring von Patiententagen oder Selbsthilfeinitiativen auf. Heute gestaltet sie Formate aktiv inhaltlich, methodisch und kommunikativ mit. Dabei steht nicht das Unternehmen im Mittelpunkt, sondern das Thema. Die Akzeptanz solcher Veranstaltungen hängt stark von Transparenz ab. Entscheidend ist, dass klar erkennbar bleibt, wer ein Format initiiert hat und welche Ziele verfolgt werden. Offenheit wird nicht als Widerspruch zu Glaubwürdigkeit empfunden, sondern als Voraussetzung dafür.

Transparenz allein genügt jedoch nicht. Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen setzen klare Grenzen dafür, wie Patientinnen und Patienten angesprochen werden dürfen. Der § 11 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) schreibt vor, dass Aufklärungsformate nur dann zulässig sind, wenn sie sachlich, wissenschaftlich fundiert und produktneutral bleiben. Unzulässig ist jede Form der Emotionalisierung, etwa durch Leidensgeschichten, suggestive Darstellungen oder „Vorher-nachher“-Vergleiche, die den Eindruck einer Erfolgsgarantie erwecken könnten.

Patientenevents können auch für Ärztinnen und Ärzte entlastend wirken. Viele begrüßen Formate, in denen ihre Patientinnen und Patienten seriös informiert werden. Wenn Ärztinnen und Ärzte eingebunden sind, entsteht eine neue Form der Kooperation: Pharma als organisatorische Ermöglicherin, Ärztinnen und Ärzte als fachliche Instanz. Das stärkt den interdisziplinären Dialog und kann Versorgungslücken schließen.

Dialog, der in beide Richtungen wirkt

Pharmaunternehmen profitieren selbst vom Austausch mit Patientinnen und Patienten. Die Rückmeldungen, die in Workshops, Summits oder offenen Foren entstehen, liefern wertvolle Insights über reale Bedürfnisse, Versorgungslücken und Kommunikationsbarrieren. Solche Erkenntnisse fließen zunehmend in Studienkonzepte, Serviceangebote und Informationsstrategien ein.

Gleichzeitig wirkt der Dialog nach innen. Mitarbeitende erleben unmittelbar, für wen sie forschen, entwickeln und kommunizieren. Das verändert die Perspektive und nicht selten auch die Motivation. Viele Unternehmensvertreter berichten, dass Begegnungen mit Patientinnen und Patienten eine starke emotionale Wirkung entfalten und die Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit spürbar machen.

So entsteht ein Kreislauf, in dem beide Seiten gewinnen: Patientinnen und Patienten erhalten Orientierung und Gehör, während Pharmaunternehmen Nähe, Verständnis und Authentizität gewinnen. Gerade in Zeiten, in denen Vertrauen zu einer der wichtigsten Ressourcen geworden ist, sind solche Begegnungen weit mehr als Kommunikationsformate. Sie sind gelebte Kultur.

Ausgewählte Beispiele für Patientenevents in der Pharmaindustrie

Roche Summer Summit

Roche nutzt dieses Format, um Patientinnen und Patienten eine Stimme zu geben. Sie teilen ihre Erfahrungen, bringen Perspektiven in Forschungs- und Entwicklungsprozesse ein und diskutieren mit Vertreterinnen und Vertretern des Unternehmens über Versorgung, Innovation und Teilhabe. Der Summit steht für einen neuen Dialog auf Augenhöhe zwischen Unternehmen und den Menschen, für die geforscht wird.

Patient:in im Fokus – Herbstforum

Das Herbstforum richtet sich an Patientinnen- und Patientenvertreterinnen und -vertreter sowie sogenannte Patient Experts. Gemeinsam mit Fachleuten aus Wissenschaft und Industrie werden Themen wie klinische Forschung, Shared Decision Making oder digitale Teilhabe diskutiert. Ziel ist es, Barrieren abzubauen und patientenzentrierte Versorgung als gemeinsame Aufgabe zu begreifen. Ausgerichtet wird es von Amgen, AstraZeneca, Roche und Brystol Myers Squibb.

Pfizer Patienten Dialog

Das Event bringt einmal jährlich Patient:innen und Pharmaunternehmen zusammen: Vertreter:innen von Patientenorganisationen verschiedenster medizinischer Fachrichtungen, aber auch Gäste aus Wissenschaft und Medizin und Gesundheitspolitik diskutieren über aktuelle Themen aus Gesundheit, Forschung und Versorgung. Ein wichtiges Ziel der Veranstaltung ist es, die partnerschaftliche Kooperation mit Patientenorganisationen zu stärken und gemeinsam die Versorgung in Deutschland zu verbessern. Die Perspektiven von Betroffenen sollen frühzeitig in die Entwicklung und Kommunikation von Gesundheitslösungen einbezogen werden.  

MPN-Patiententage von Novartis (Leben mit Blutkrankheiten)
Unter dem Dach von Leben mit Blutkrankheiten lädt Novartis regelmäßig zu Patiententagen für Menschen mit myeloproliferativen Neoplasien (MPN) ein. Die Veranstaltungen bieten medizinische Fachvorträge, Workshops und Austausch mit Expertinnen und Experten. Ziel ist es, Betroffene zu informieren, zu stärken und in ihrer Krankheitsbewältigung zu unterstützen.

Verantwortung und Reputation

Patientenevents zeigen exemplarisch, wie sich die Rolle der Pharmaindustrie wandelt. Unternehmen, die sich gesellschaftlich einbringen, übernehmen Verantwortung und gewinnen zugleich Reputation. Sie erweitern ihr Kommunikationsspektrum über Fachärztinnen und -ärzte hinaus und positionieren sich als Partnerinnen in der Gesundheitsbildung.

Dabei bleibt eine zentrale Herausforderung bestehen, nämlich glaubwürdig zu bleiben. Die Grenze zwischen Aufklärung und Marketing verläuft schmal. Entscheidend ist, ob die Inhalte einem öffentlichen Interesse dienen oder vorrangig Unternehmensziele verfolgen. Wer langfristig Vertrauen aufbauen will, muss bereit sein, Wissen zu teilen, ohne es sofort in Marktvorteile zu übersetzen.

Patientenevents sind außerdem mehr als PR-Maßnahmen, sondern auch Ausdruck einer neuen Haltung in der Gesundheitskommunikation. Sie verbinden Information, Dialog und gesellschaftliche Verantwortung und schaffen so die Grundlage für das, was heute im Pharmamarketing am meisten zählt: nachhaltiges Vertrauen.

FAQ: Patientenevents in der Pharmaindustrie

Was sind Patientenevents in der Pharmaindustrie?
Patientenevents sind Veranstaltungsformate, bei denen Pharmaunternehmen Patientinnen und Patienten aktiv einbinden. Ziel ist, Gesundheitswissen zu vermitteln, Vertrauen zu fördern und den Dialog zwischen Industrie, Fachwelt und Öffentlichkeit zu stärken. Dazu gehören Patiententage, Awareness-Ausstellungen, Workshops, Summits und digitale Formate.

Warum werden Patientenevents für Pharmaunternehmen immer wichtiger?
Patientenevents stärken die Beziehung zwischen Unternehmen und Öffentlichkeit. Sie fördern Gesundheitskompetenz, schaffen Transparenz und zeigen gesellschaftliche Verantwortung. In einer Zeit sinkender Gesundheitskompetenz werden sie zu einem strategischen Instrument moderner Pharmakommunikation.

Welchen Nutzen haben Patientenevents für Pharmaunternehmen?
Pharmaunternehmen profitieren mehrfach: Sie erhalten wertvolle Insights aus dem direkten Dialog mit Patientinnen und Patienten, erkennen Versorgungslücken und Kommunikationsbedarfe und können ihre Strategien daran ausrichten. Zudem steigern sie Motivation und Identifikation der Mitarbeitenden, die erleben, welchen Unterschied ihre Arbeit im Leben von Menschen macht.

Wie profitieren Patientinnen und Patienten von solchen Formaten?
Patientenevents stärken das Verständnis für Prävention, Diagnostik und Therapie. Sie fördern Eigenverantwortung, ermöglichen Begegnungen mit Fachleuten und machen komplexe Themen verständlich. Für viele Betroffene sind sie ein Ort des Austauschs, der Orientierung und emotionalen Rückhalts.

Wie tragen Patientenevents zur Gesundheitskompetenz bei?
Indem sie medizinisches Wissen in alltagsnaher Sprache vermitteln und den Zugang zu verlässlichen Informationen erleichtern. Sie ergänzen ärztliche Aufklärung und erreichen Zielgruppen, die über klassische Informationskanäle schwer zugänglich sind.

Wo verläuft die Grenze zwischen Aufklärung und Marketing?
Transparenz ist der entscheidende Maßstab. Solange die Inhalte sachlich, produktneutral und wissenschaftlich fundiert sind und die Absenderin klar erkennbar bleibt, gelten Patientenevents als Aufklärung und nicht als Werbung. Rechtlich bewegen sie sich im Rahmen des Heilmittelwerbegesetzes.

Welche Bedeutung haben Patientenevents für Ärztinnen und Ärzte?
Viele Ärztinnen und Ärzte begrüßen diese Formate, weil sie Patientinnen und Patienten fundiertes Wissen vermitteln und so das Arztgespräch entlasten. Werden Ärztinnen und Ärzte als Partnerinnen und Partner eingebunden, entsteht ein glaubwürdiger, multiperspektivischer Austausch.

Wie verändern Patientenevents die Pharmakommunikation langfristig?
Sie verschieben den Fokus von der Produktkommunikation zur Vertrauenskommunikation. Unternehmen, die offen in den Dialog gehen, positionieren sich als Partnerinnen im Gesundheitswesen und gewinnen Reputation, Glaubwürdigkeit und Zugang zu neuen Perspektiven.

Welche Rolle spielt Vertrauen im Gesundheitswesen dabei?
Vertrauen ist die neue Währung der Gesundheitskommunikation. Patientenevents bieten eine Möglichkeit, es zu verdienen – durch Dialog, Transparenz und echte Begegnung. Sie zeigen, dass Kommunikation mehr ist als Reichweite: Sie ist Beziehung

Disclaimer: Dieser Kasten wurde mithilfe von KI erstellt.