Heute entstehen täglich Milliarden von Datenpunkten. Da reicht es nicht mehr aus, sich im Pharmamarketing auf interne Quellen zu verlassen. Wer wirklich relevante Inhalte schaffen will, muss lernen, externe Datenströme intelligent zu bündeln – trotz aller Fragmentierung, Heterogenität und technischer Hürden.

In einer Welt, in der Menschen täglich Unmengen digitaler Spuren hinterlassen, wäre es fahrlässig, das Marketing nur auf interne Daten zu stützen. Besonders im Pharmamarketing zeigt sich: Wer wirklich verstehen will, was die Zielgruppe Ärztinnen und Ärzte bewegt, oder wie Patientinnen und Patienten sich informieren oder welche Versorgungslücken es gibt, muss über die eigenen Datengrenzen hinausdenken. Die entscheidenden Impulse kommen heute nicht selten von außen – aus klinischer Praxis, aus Social Media, aus Versorgungsdaten oder Patientenerfahrungen.

Doch genau hier liegt die Herausforderung: Diese externen Daten sind meist unstrukturiert, fragmentiert oder inkompatibel mit internen Systemen. Sie stammen aus Studien, Health Apps, Abrechnungsdatenbanken oder anonymisierten Patientenerfahrungen – und müssen erst sinnvoll zusammengeführt, analysiert und nutzbar gemacht werden. Das ist alles andere als trivial – aber absolut notwendig, wenn Pharmamarketing relevant bleiben will.

Von Insights statt von Intuition gesteuert

Noch zu oft zeichnet sich im Pharmamarketing ein klassisches Bild: Ein Produktlaunch steht an, das Marketing entwickelt auf Basis historischer Daten und Bauchgefühl eine Kampagne, hofft auf Reichweite und Resonanz – und wundert sich, wenn beides ausbleibt. Moderne Pharmaunternehmen denken anders. Sie nutzen externe Datenquellen, um Zielgruppen besser zu verstehen, Bedürfnisse frühzeitig zu erkennen und Inhalte kontextbezogen auszuspielen. Sie hören zu, bevor sie sprechen.

Besonders relevant in diesem Zusammenhang sind folgende Datenquellen:

  • Real-World-Daten (RWD) aus dem Versorgungsalltag und von Krankenkassen
  • Social Listening, besonders zu Patientenbedürfnissen und Arztmeinungen
  • Interaktionsdaten aus Fortbildungsplattformen und digitalen Touchpoints
  • Claims-Daten zu Verordnungsverhalten von Ärztinnen und Ärzten sowie regionalen Trends
  • Marktforschungsdaten zu Awareness, Affinitäten und Barrieren

Doch wie kann es Pharmaunternehmen gelingen, dieses Mosaik an Informationen in eine schlüssige Marketingstrategie zu überführen?

Herausforderung: Fragmentierte Datenströme bündeln

Eine der größten Herausforderungen im Pharmamarketing liegt nämlich in der Heterogenität der verfügbaren Daten. Unterschiedliche Formate, Erhebungskriterien, Datenqualitäten und Granularitätsstufen erschweren es, externe Datenquellen einfach und nahtlos zu integrieren. Plattformen wie IQVIA, Komodo Health oder Flatiron liefern zwar wertvolle Informationen, doch ohne ein übergreifendes System zur Harmonisierung bleiben diese oft isoliert und schwer nutzbar.

Erfolgreiche Marketingteams setzen daher auf umfassende Data Integration Frameworks. Diese beinhalten etwa leistungsfähige Datenschnittstellen (APIs), die externe Plattformen anbinden und so den Zugang zu relevanten Daten ermöglichen. Ergänzt wird dies durch KI-gestützte Matching-Algorithmen, die etwa Patientensegmente identifizieren oder Therapiepfade rekonstruieren können. Dashboards, die Insights aus unterschiedlichen Quellen in Echtzeit bündeln, helfen dabei, diese Informationen strategisch nutzbar zu machen. Gleichzeitig sorgen klare Governance-Richtlinien dafür, dass Datenschutzbestimmungen wie die DSGVO eingehalten und Compliance-Anforderungen erfüllt werden.

Beispiel Bayer: Externe Daten für gezieltere Kampagnenführung

Das Pharmaunternehmen Bayer geht hier mit gutem Beispiel voran. Der Konzern nutzt gezielt externe Datenquellen, um Kommunikationsstrategien zu verfeinern. Unter anderem setzt Bayer auf Tools, die Social Media und Plattformverhalten auswerten, um zu verstehen, wie über bestimmte Indikationen gesprochen wird, welche Begriffe dominieren und welche Sorgen oder Informationslücken bestehen. Zusätzlich bindet Bayer Versorgungsdaten – etwa aus dem ambulanten Bereich – in die Zielgruppenanalyse ein. So lässt sich nachvollziehen, in welchen Regionen bestimmte Krankheitsbilder häufiger auftreten, wo Underdiagnosis ein Thema ist oder welche Facharztgruppen besonders aktiv sind. Diese Informationen fließen dann in die Kanalwahl, Botschaftsentwicklung und regionale Steuerung ein. Ein besonders spannender Aspekt: Durch die Verbindung externer Daten mit internem CRM und Response-Daten konnte Bayer herausfinden, welche Touchpoints besonders wirksam sind – etwa ob Ärztinnen und Ärzte in bestimmten Regionen mit hohem Versorgungsbedarf eher auf persönliche Besuche oder digitale Inhalte reagieren. Daraus ergeben sich direkte Optimierungspotenziale für den Omnichannel-Ansatz.

Beispiel Merck: Datenbrücken zwischen externen Quellen und interner Strategie

Merck KGaA hat sich in Darmstadt das Ziel gesetzt, externe Daten nicht nur zu beobachten, sondern systematisch in die strategische Planung zu integrieren. Dafür nutzt das Unternehmen u. a. die Plattform DISQOVER von ONTOFORCE, die Informationen aus wissenschaftlicher Literatur, klinischen Studien, Marktanalysen und externen Datenbanken aggregiert und verknüpft. Für das Marketing besonders interessant: Merck kombiniert diese externen Informationen mit internen Vertriebs- und Performance-Daten, um genau zu analysieren, welche ärztlichen Zielgruppen auf welche Informationen reagieren – und wo es Diskrepanzen zwischen Versorgungspraxis und Informationslage gibt. Das Ergebnis: Inhalte werden nicht mehr „from the inside out“ entwickelt, sondern auf Basis tatsächlicher Informationsbedarfe – differenziert nach Zielgruppe, Region und Indikationsverständnis.

Was externe Daten leisten können – wenn man sie lässt

Ist die Integration externer Daten einmal geschafft, bringt dies nicht nur bessere Insights, sondern verändert das gesamte Selbstverständnis von Marketing: Weg vom Sender – hin zum Zuhörer, Analysten, Begleiter. Doch dieser Wandel gelingt nur, wenn Pharmaunternehmen bereit sind, neue Datenquellen zu erschließen und nicht nur klassische Studien zu verwenden. Außerdem sollten sie unstrukturierte Daten (z. B. aus Patientenforen oder Kommentaren) als wertvolle Datenquelle auf dem Schirm haben und dieses ernst nehmen. Wer dann noch die externen Datenquellen mit internen KPIs verknüpft und in Systeme investiert, die semantisch, dynamisch und adaptiv arbeiten, ist schon auf einem guten Weg.

Technologisch stehen dafür heute viele Möglichkeiten zur Verfügung: von graphbasierten Data-Fabrics über KI-basierte Textanalyse bis hin zu Recommender-Systemen, die personalisierte Inhalte auf Grundlage externer Verhaltensdaten vorschlagen können.

Fazit: Wer zuhört, kann besser sprechen

Die Integration externer Daten ist kein Luxus – sie ist eine Notwendigkeit in einer Welt, in der Ärztinnen und Ärzte sowie Patientinnen und Patienten täglich mit Informationen überflutet werden. Nur wer versteht, was draußen wirklich passiert, kann im Pharmamarketing glaubwürdig, relevant und wirksam kommunizieren. Pharmaunternehmen wie Bayer und Merck machen vor, wie es geht: Sie holen sich die Außenwelt ins Haus, strukturieren sie klug – und machen daraus ein Marketing, das nicht nur informiert, sondern verbindet.