Social Media: Wo liegt das größte Potenzial für die Pharmakommunikation?
Facebook ist tot und TikTok der neue Place-to-be, wenn es um die jüngere Zielgruppe geht? Denkste! Ein Gespräch mit den Digitalexperten Laura Geisreiter und Michael Vorbrink von antwerpes zeigt die Healthcare Social Media Trends 2023 und gibt Tipps für die Umsetzung. Von Social Listening bis Personal Branding.
erfolgversprechendsten Kanäle in der Arztkommunikation 2023 sind
• Was die Must-have-Kanäle in der Patient:innenkommunikation sind
• Welches Potenzial TikTok für die Pharma- und Healthcare-Branche hat
• Woran es in der Social Media Kommunikation von Pharmaunternehmen oft noch hapert
• Tipps für eine bessere Social Media Kommunikation
• Was für den Aufbau einer Personal Brand wichtig ist
Health Relations: Welches Potenzial steckt aktuell für Pharma in der Social Media Kommunikation?Michael Vorbrink: Social Media gibt der Branche die Möglichkeit, direkt an den Patienten oder die Patientin heranzutreten. Also nicht nur über das Fachpersonal, sondern als Unternehmen. Hinzu kommt: Social Media hat auch einen Rückkanal. Die Aufforderung zum Dialog und zur Meinungsäußerung ist das, was Social Media inhärent ist und großes Potenzial hat. Hier muss Pharma noch stärkeren Mut beweisen, sich auf ein solches Gespräch auch einzulassen. Health Relations: Hat die Branche dieses Potenzial erkannt? Welchen Stellenwert hat Social Media für Healthcare-Unternehmen derzeit?Michael Vorbrink:Der Stellenwert ist definitiv gestiegen. Die deutschen Pharmaunternehmen haben ihre Aktivitäten in Social Media seit 2015 um rund 20 Prozent gesteigert. Gerade wenn wir auf die Kommunikation rund um Pharmamarken, Indikationen und Produkte schauen, ist Social Media einer der Treiber im Omnichannel-Trend. Dennoch: Möglich wäre hier noch mehr. Die Branche agiert noch zaghaft. Laura Geisreiter:Tatsächlich hat sich die Skepsis – oder fast schon Angst – die uns als Agentur anfangs entgegengeschlagen ist, gedreht. Das „Oh nein, trauen wir uns das wirklich?“ ist einem „Ok, Social Media brauchen wir auf jeden Fall“ gewichen. Jetzt geht es nicht mehr um das Ob, sondern das Wie.
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• Was die Health Relations: Welches Potenzial steckt aktuell für Pharma in der Social Media Kommunikation?Michael Vorbrink: Social Media gibt der Branche die Möglichkeit, direkt an den Patienten oder die Patientin heranzutreten. Also nicht nur über das Fachpersonal, sondern als Unternehmen. Hinzu kommt: Social Media hat auch einen Rückkanal. Die Aufforderung zum Dialog und zur Meinungsäußerung ist das, was Social Media inhärent ist und großes Potenzial hat. Hier muss Pharma noch stärkeren Mut beweisen, sich auf ein solches Gespräch auch einzulassen. Health Relations: Hat die Branche dieses Potenzial erkannt? Welchen Stellenwert hat Social Media für Healthcare-Unternehmen derzeit?Michael Vorbrink:Der Stellenwert ist definitiv gestiegen. Die deutschen Pharmaunternehmen haben ihre Aktivitäten in Social Media seit 2015 um rund 20 Prozent gesteigert. Gerade wenn wir auf die Kommunikation rund um Pharmamarken, Indikationen und Produkte schauen, ist Social Media einer der Treiber im Omnichannel-Trend. Dennoch: Möglich wäre hier noch mehr. Die Branche agiert noch zaghaft. Laura Geisreiter:Tatsächlich hat sich die Skepsis – oder fast schon Angst – die uns als Agentur anfangs entgegengeschlagen ist, gedreht. Das „Oh nein, trauen wir uns das wirklich?“ ist einem „Ok, Social Media brauchen wir auf jeden Fall“ gewichen. Jetzt geht es nicht mehr um das Ob, sondern das Wie.
"In Social Media muss Pharma noch stärkeren Mut beweisen, sich auf ein solches Gespräch auch einzulassen."Health Relations: Das „Wie“ hängt sicherlich auch von der Zielgruppe ab. Was sind die Kanäle in der Arztkommunikation derzeit?Laura Geisreiter:Man muss tatsächlich sagen, dass LinkedIn sich hier festgesetzt hat. Der Kanal hat sich von einer Recruitingplattform zu einer Dialogplattform entwickelt. Dadurch, dass berufliche Positionen dort sichtbar sind, lässt sich die Zielgruppe sehr genau ausmachen. Daher ist LinkedIn ein Kanal, der auch für die Pharmakommunikation viel genutzt wird. Health Relations: Können Sie das an Zahlen festmachen?Michael Vorbrink: 51 Prozent der Pharmaunternehmen sind aktuell auf LinkedIn. Allerdings sind es noch zu wenige, die diesen Kanal als Chance für die Produkt- und Indikations-Kommunikation nutzen. Oft geht es um Employer Branding oder Corporate-Inhalte. Health Relations: Produkt- und Indikations-Kommunikation ist mit Blick auf gesetzliche Regularien auch nicht ganz einfach. Welche Möglichkeiten gibt es?Laura Geisreiter:Ich mache das mal an einem Beispiel fest: Für ein Pharmaunternehmen, das wir in der LinkedIn-Kommunikation begleiten, machen wir sehr viel Indikations-Kommunikation. Wir betreiben hier erst einmal intensives Social Listening und erstellen einen monatlichen Trendradar, um zu schauen: Worüber unterhält sich die Welt der Onkologen und Onkologinnen gerade? Was sind die Themen der Neurologie? Dann greifen wir diese Themen auf und spielen sie über eigene Inhalte, den Dialog oder auch Advertising. Health Relations: Konkret: Welche Inhalte kommen an?Laura Geisreiter:Wichtig ist, nicht mit dem Produkt zu kommen, sondern sich als Experte für ein Thema zu positionieren. Beispielsweise über eigene Forschungsergebnisse oder Studiendaten, die geteilt werden. Man kann auch auf geschlossene Bereiche auf der eigenen Website verlinken, wo Fachgruppen dann mehr Informationen hinter einem Log-In finden können. Genau hier steckt das Potenzial, um sich am Markt zu positionieren. Health Relations: Der Fokus der Arztkommunikation im Social Web liegt also auf LinkedIn? Wie steht es um die anderen Kanäle?Laura Geisreiter: Auch Facebook nutzen wir für die Arztkommunikation. Hinzu kommen Fachkreisportale, die eine gute Plattform für die Healthcare-Kommunikation bieten. Zum Beispiel DocCheck, Coliquio oder Esanum. Denn hier weiß ich durch den Login genau, wer meine Beiträge konsumiert. Health Relations: Wie sieht es in der Patientenkommunikation aus? Was sind hier die Must-have-Kanäle?Laura Geisreiter: In der Patientenkommunikation setzt sich der Trend der letzten Jahre fort. Viele überrascht das, aber Facebook ist tatsächlich gerade bei den chronisch Erkrankten nach wie vor DIE Plattform. Die Menschen nutzen Facebook gerne, weil man hier noch schreibt. Man kann daher durchaus auch längere Kommentare verfassen, um in den Dialog zu treten. Instagram und YouTube gehören ebenfalls immer noch auf die Agenda. Wobei Insta mehr als Sendeplattform genutzt wird und YouTube primär aus SEO-Gründen. Denn der Videokanal ist schlicht die größte Suchmaschine nach Google. Ein Trend, der 2023 aus meiner Sicht, in der Pharmabranche durchschlagen wird, ist TikTok. Health Relations: Ist die Zielgruppe hier nicht zu jung?Laura Geisreiter: TikTok ist eben nicht mehr die Teenager-Plattform, sondern dort finden sich mittlerweile auch ältere Menschen. Größte wachsende Zielgruppe ist – laut TikTok selbst – 35 plus. Dort trifft man sowohl auf KOLs, also Key Opinion Leader aus der Ärzteschaft, die dort zum Beispiel im dermatologischen Bereich Videos veröffentlichen, bis hin zu Patienten oder Patientinnen, die einen mit auf ihre Reise nehmen. Health Relations: Was funktioniert, was funktioniert nicht auf TikTok?Laura Geisreiter: Jedes Unternehmen sollte sich vorab überlegen, ob man selbst regelmäßig organischen Content in Form von Videos spielen will. Stichwort ist hier Regelmäßigkeit. Will man auf aktuelle Trends eingehen, braucht es dazu Schnelligkeit. Das ist im Zweifel nicht perfekt und auch nicht perfekt ausgeleuchtet, sondern einfach, schnell und auf dem Trend basierend. Wenn man das nicht gewährleisten kann, kann man TikTok besser mit Ad-Kampagnen nutzen. Das ist auch eine gute Möglichkeit, um Menschen zu erreichen. Health Relations: Viele haben bei TikTok datenschutzrechtliche Bedenken.Laura Geisreiter:Ja, das stimmt. Wobei die Plattform inzwischen nachjustiert. Vor einem Jahr durfte man beispielsweise bei TikTok Ads Medizin-Produkte bewerben. Das ist heute nicht mehr erlaubt. TikTok hat erkannt, dass sie die Regularien der verschiedenen Märkte, die den Kanal nutzen, berücksichtigen müssen. Health Relations: Woran hapert es häufig noch, dass viele Pharmaunternehmen – wie Herr Vorbrink es formuliert hat – in der Social Media Kommunikation zaghaft sind?Laura Geisreiter:Meist ist es das Thema Schnelligkeit. Freigabeprozesse ist hier das Schlüsselwort. Teilweise braucht es fünf bis zehn Tage, bis ein Post hochgeladen werden kann. Natürlich macht es Sinn, einen Beitrag nochmal über Legal und Medical checken zu lassen, aber einige Prozesse lassen sich vorab vorbereiten. Health Relations: Welche beispielsweise?Laura Geisreiter:Grundsätzlich sollte sich jedes Unternehmen im Vorfeld den Prozess überlegen. Sprich, sich Gedanken dazu machen: Wie gehe ich hinsichtlich der Freigaben vor? Was für Schritte kann ich vorab abstimmen? Beispielsweise indem ich einen Q&A – also Frage-Antwort-Katalog – bereits vorformuliert und rechtlich abgesichert habe. Oder die Frage geklärt habe, wer nach Feierabend zuständig ist. Denn: Social Media lebt auch am Wochenende. Wenn der Prozess definiert ist, hat auch keiner mehr die Sorge, die Kanäle als Dialogplattform wahrzunehmen. Health Relations: Prozesse vorher definieren ist also ein Tipp, den Sie Pharmaunternehmen mitgeben. Gibt es weitere?Laura Geisreiter: Das Reinhören in die Zielgruppe ist ebenfalls absolut wichtig für den Erfolg. Die Menschen wollen nicht mit Werbebotschaften zugeschüttet werden, sie wollen verstanden werden. Geschriebene Redaktionspläne – das klappt nicht. Social Listening ist der Schlüssel in der Arzt- und Patientenkommunikation. Wir waren beispielsweise überrascht, dass bei Erkrankten mit chronischer Darmentzündung das Thema Sexualität eine große Rolle spielt. Bislang hatten wir uns eher mit Ernährung und Sport beschäftigt. Hier konnten wir dann ansetzen, um eine Bindung zur Zielgruppe zu bekommen. Auch bei der Planung von Awareness-Kampagnen muss man immer beachten, was die Menschen beschäftigt. Und mutig sein. Natürlich mutig mit doppeltem Boden. Aber nicht davor zurückschrecken, neue Kanäle auszuprobieren, wenn sich die Zielgruppe dort tummelt. Health Relations: Viele Unternehmen bauen – beispielsweise auf LinkedIn – eine Personal Brand auf. Verspricht die Positionierung der Geschäftsführerin oder des Verkaufsleiters als Experte Erfolg?Michael Vorbrink: Für Pharma ist Personal Branding spannend, weil sie eine große Bandbreite an fachlich fundierten und zukunftsgerichteten Themen mitbringen. Pharmaunternehmen können beispielsweise den Geschäftsführer oder Vorstände als Experten auf LinkedIn aufbauen, um sich in einem Fachgebiet zu positionieren und sich zu vernetzen. Oder sie promoten Nutzer aus dem eigenen Haus. Wichtig ist: Themen und Ziele vorab zu definieren. Will ich beispielsweise Employer Branding Themen spielen oder Kollaborationsthemen? Und: Man muss Lust darauf haben. Dann – so machen wir die Erfahrung – kommen da gute Kontakte und Gespräche bei rum. Health Relations: Was funktioniert nicht beim Aufbau eines hauseigenen Markenbotschafters?Michael Vorbrink: Mit Personal Branding lassen sich Themen setzen und auch Unternehmensziele erreichen. Aber: Verkaufen darf ich nicht wollen. Nur ein Produkt promoten, das funktioniert nicht. Man braucht Lust, sich mitzuteilen und sollte um Gottes Willen keinen benennen, der nicht möchte. Wenn jemand großes Fachwissen hat, aber keine Lust auf Social Media, dann funktioniert es nicht. Health Relations: Vielen Dank Ihnen beiden für das Gespräch.