DiGA Mika: Therapiebegleitung für Krebspatienten
Seit Beginn des Jahres können Unternehmen ihre Apps in das DiGA-Verzeichnis des Bundesamts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfAM) aufnehmen lassen. Jüngst wurde die App Mika des Unternehmens Fosanis GmbH als bisher einzige onkologische App aufgenommen.
Dr. Jan Simon Raue:Zunächst einmal war es ein Prozess über mehrere Jahre hinweg von der ersten Smartphone-App Mika für Krebspatienten zum Medizinprodukt und weiter zur Digitalen Gesundheitsanwendung im DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Wir haben neben einem Check-Up-System, um Befinden, Symptome und Nebenwirkungen schnell und leicht zu erfassen, eine umfangreiche Wissensbibliothek aufgebaut. In diesem Bereich können Patienten validierte, d.h. sorgfältig geprüfte, wissenschaftliche Informationen entdecken. Das Themenspektrum reicht von Bewegung, Ernährung und Achtsamkeit bis hin zu rechtlichen und medizinischen Fragen. Viele dieser Inhalte können nicht nur leicht "konsumiert" werden, beispielsweise mithilfe einer Sprachassistenz. Vielmehr animiert und motiviert Mika Krebspatienten, selbst aktiv zu werden – etwa in Form von Entspannungs-Übungen oder eines Trainings, das gezielt Fatigue lindern kann. Hinzu kommt ein umfangreiches psychoonkologisches Kurs-Programm – eine therapiebegleitende Hilfe zur Selbsthilfe zur Förderung von mentaler Stärke aber auch für einen besseren Umgang mit der Diagnose Krebs und allen Belastungen, die mit der lebensverändernden Erkrankung einhergehen.
Health Relations: Und was genau macht den Kern der Anwendung aus?Dr. Jan Simon Raue: Im Kern steckt die Künstliche Intelligenz (KI) von Mika – eine innovative Machine Learning Technologie, die exakt auf den/die User und seine/ihre Situation passende Vorschläge macht. Statt verzweifelt nach Antworten – auf mitunter entscheidende Fragen – suchen zu müssen, erhalten Anwender der Mika-App ebenso zuverlässige wie personalisierte Empfehlungen.
Health Relations: Wie aufwändig war für Sie als Unternehmen, die Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis zu beantragen?Dr. Jan Simon Raue: Natürlich war der Entwicklungsprozess der Mika-App schon aufgrund des umfangreichen Angebots besonders aufwändig. Das psychoonkologisch-orientierte Programm haben wir gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern, bspw. dem Uniklinikum Leipzig, entwickelt. Wir arbeiten konsequent daran, allen Krebspatient:innen – unabhängig von der Art ihrer Krebsdiagnose – psychologische Hilfe zugänglich zu machen. Denn die emotionale und mentale Belastung betrifft alle Krebspatienten. Daher ist es unser Ziel, eine DiGA-Aufnahme für viele verschiedene Krebsarten zu erwirken. Zu Recht gibt es zur Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis ein umfangreiches Antragsverfahren, in dem viele Bereiche abgeprüft werden (z.B. Evidenz / Datenschutz), um eine hohe Qualität sicherzustellen und eine sehr gute Patientenversorgung zu gewährleisten.
Health Relations: Bisher wurden nur wenige Apps auch von Ärzten verschrieben. Wie wollen Sie die App bei diesen bekannt machen, damit sie möglichst bald verschrieben wird?Dr. Jan Simon Raue: Unser Programm ist in Zusammenarbeit mit Ärzten entstanden. Onkologen und Psychoonkologen (z.B. Charite, UCCL, NCT) haben von Anfang an die Entwicklung des Mika-Programms begleitet. Wir haben Partnerschaften mit Kliniken aufgebaut und immer wieder den Austausch mit niedergelassenen Ärztinnen gesucht. Das hat uns geholfen, von Anfang an die Bedürfnisse von Krebspatienten ebenso genau zu verstehen wie die Bedarfe der Fachkreise.
Health Relations: Gab es schon Reaktionen von Ärzten auf die App?Dr. Jan Simon Raue: Mika hilft Krebspatienten mit den vielfachen Belastungen besser umzugehen. Dass sich die Form der digitalen Therapiebegleitung positiv auf das Wohlbefinden ihrer Patienten auswirkt, wird uns zunehmend von Ärzten zurückgespiegelt. Wir wollen uns aber nicht auf positiver Resonanz ausruhen, sondern die Unterstützung für Betroffene und Behandlungsteams kontinuierlich verbessern. Wir schätzen daher jegliche Art konstruktiven Feedbacks und stehen Fachkreisen für alle Fragen zur Verfügung. An der Stelle will ich noch ein wichtiger Hinweis für onkologisch tätige Ärzten geben: Der Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung (SVDGV) bietet Ärzten und Psychotherapeuten ab Juli auch CME-qualifizierte Webinare zum Thema "Den Krebs behandeln, den Menschen begleiten. Neue Impulse aus der Psychoonkologie" an.
Health Relations: Planen Sie Marketingmaßnahmen, die sich speziell an Patienten richten?Dr. Jan Simon Raue: Empowerment ist Teil der Mika-DNA. Deshalb werden wir die bereits seit September 2020 erfolgreich laufende Mika-Empowerment-Kampagne weiterführen. Wir sind stolz, mit Botschaftern, Mutmachern und Krebs-Aktivisten zusammenzuarbeiten, die sich der Patienten-Ermächtigung verschrieben haben. Sie bauen mögliche Berührungsängste mit digitaler Selbsthilfe ab und leisten wertvolle Aufklärung. Unser gemeinsames Ziel ist es, einen besseren Umgang mit der Erkrankung und ihren Belastungen zu fördern aber auch eine aktive Rolle im eigenen Behandlungsprozess einzunehmen.
Die Anwendung wurde in Kooperation mit onkologischen Forschungseinrichtungen und Tumorzentren wie der Berliner Charité und dem Uniklinikum Leipzig entwickelt. Im Interview berichtet Dr. Jan Simon Raue, CEO der Fosanis GmbH, vom Weg der Entwicklung der App bis hin zur Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis.
Health Relations: Können Sie kurz den Entwicklungsweg der App Mika erläutern?"Unser Programm ist in Zusammenarbeit mit Ärzten entstanden. Wir haben Partnerschaften mit Kliniken aufgebaut und immer wieder den Austausch mit niedergelassenen Ärztinnen gesucht. Das hat uns geholfen, von Anfang an die Bedürfnisse von Krebspatienten ebenso genau zu verstehen wie die Bedarfe der Fachkreise."Health Relations: Worauf gilt es bei der Antragstellung vonseiten der App-Hersteller dabei zu achten? Dr. Jan Simon Raue: Zwei Dinge sind aus meiner Sicht besonders wichtig: einmal der Nachweis positiver Versorgungseffekte, z.B. der Verbesserung des Gesundheitszustandes. Hier sind Studienergebnisse bzw. ein klares Evaluationskonzept zentral. Zum Zweiten sollte der Regulatorik besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Es gilt nicht nur die Anforderungen an ein Medizinprodukt zu erfüllen, sondern auch den sonstigen Anforderungen der DiGA-Rechtsverordnung gerecht zu werden: (siehe auch "Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung – DiGAV") Health Relations: Mika ist zunächst in das Fast-Track-Verfahren aufgenommen worden. Was passiert nun und was müssen Sie von Unternehmensseite noch machen?Dr. Jan Simon Raue: Die Idee des Fast-Track-Verfahrens ist es, Gesundheitsapps listen zu können, die sich noch in der Evaluation, also noch in der Studienphase befinden. Für die endgültige Aufnahme sind die Ergebnisse einer aktuell laufenden randomisiert-kontrollierten Studie einzubringen. Damit kann die endgültige Aufnahme beantragt werden. (siehe auch DiGA-Leitfaden für Unternehmen https://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/DVG/_node.html)
Was sind DiGA?
Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) sind digitale Anwendungen, also Apps, die Patienten im täglichen Umgang mit ihrer Erkrankung helfen sollen. Sie unterstützen bei der Erkennung und Behandlung von Krankheiten sowie auf dem Weg zu einer selbstbestimmten gesundheitsförderlichen Lebensführung."Es geht nicht um Technologie des Fortschritts Willen, sondern darum, jedem Menschen mit einer Krebs-Diagnose eine möglichst hilfreiche, zielgenaue aber auch leicht bedienbare digitale Unterstützung anzubieten."Health Relations: Welche Kanäle nutzen Sie dafür?Dr. Jan Simon Raue: Wir erreichen Patienten auch da, wo sie sich untereinander austauschen, z.B. in sozialen Medien. Unsere Communities wachsen stark, das Interesse an seriösen, wissenschaftlich geprüften Angeboten steigt. Gleichzeitig können wir – gerade in Pandemie-Zeiten – wo viele Patientenveranstaltungen nicht stattfinden können, die Nähe zu Betroffenen halten. Hier pflegen wir einen respektvollen Austausch miteinander. Immer wieder sind Anregungen von Patienten Anlass, die Mika-App zu verbessern. Wir hören zu: Wo liegen die größten Herausforderungen? Was wünschen sich Krebspatienten? Es geht nicht um Technologie des Fortschritts Willen, sondern darum, jedem Menschen mit einer Krebs-Diagnose eine möglichst hilfreiche, zielgenaue aber auch leicht bedienbare digitale Unterstützung anzubieten. Health Relations: Und was genau wünschen sich Patienten? Wie wollen sie angesprochen werden?Dr. Jan Simon Raue: Viele haben sich ein erstes "Kennenlernen" mit Mika auf Papier gewünscht. Das war der Grund, den Medienbruch zu wagen. Wir bieten demnächst auch Info-Broschüren für Betroffene aber auch für Fachkreise an, die den Einstieg zur App-Nutzung erleichtern sollen. Und es wird eine Besonderheit für Krebspatienten geben: Den ersten "Mika-Mutgeber" – eine Mischung aus Ratgeber und Mutmacher mit Rezepten, Entspannungsübungen, motivierenden Botschaften und Experten-Empfehlungen – hier kommen auch unsere Empowerment-Botschafter und Partner an der Charité Berlin, dem Uniklinikum Leipzig und dem Leibniz-Insitut für Resilienzforschung zu Wort.