„Strategisches Pharmamarketing mit Fingerspitzengefühl ist jetzt gefragt“
Wer jetzt Themen jenseits von Corona kommunizieren möchte, hat es schwer. Und jetzt? Auf das Thema aufsatteln? "Kurzfristig taktisches Kapital zu schlagen, kann schnell zum Boomerang werden", sagt Creative Strategist André Krüger. Die Krise fordert strategisches Pharmamarketing mit Feingefühl.
Kommunikation strategisch für sich zu nutzen?André Krüger: Corona dominiert derzeit die gesamte Medienlandschaft. Hieraus kurzfristig taktisches Kapital zu schlagen, kann schnell zum Boomerang werden. Das in den vergangenen Jahren stark strapazierte Thema Purpose hingegen gewinnt an Relevanz. Marken, denen es gelingt, jetzt einen positiven Beitrag für die Gesellschaft zu leisten, haben die Chance, gestärkt aus der Krise hervorzugehen.
Health Relations: Wie "laut" darf Marketing denn in diesen Zeiten überhaupt sein?André Krüger: Mehr als sonst ist jetzt Fingerspitzengefühl gefragt. Entscheidend ist es, ein sinnstiftendes Narrativ zu finden. Wer Vitamin-C-Präparate herstellt und zu diesem Zeitpunkt in die Welt hinaustönt „Stärken Sie Ihre Abwehrkräfte!“, bewegt sich auf Abwegen. Wer sich als Pharmahersteller authentisch bei Ärztinnen und Pflegern für ihren außerordentlichen Einsatz bedankt, ist tendenziell auf dem richtigeren Pfad.
Health Relations: Nun zeigt sich, dass auch Dankesbezeugungen wie das abendliche Klatschen von Balkonen für Ärzte und Pflegepersonal von diesen mitunter eher negativ aufgenommen werden. Funktioniert ein "Danke" als Kampagne für Pharmaunternehmen dann überhaupt? Müsste nicht jetzt gerade die forschende Pharmaindustrie diesen Zeitpunkt nutzen, um sich als Partner zu positionieren und die eigene Geschichte zu erzählen?André Krüger: Dem Einzelnen bleibt als Dankeschön oft nicht viel mehr als die Geste. Forschende Pharmahersteller jedoch, die jetzt mit überinszenierten Hochglanzproduktionen aus ihren Labors zeigen, wie sehr sie und die Ärzteschaft in dieser schwierigen Zeit zusammenstehen, dürften in einem B2B-Umfeld mit ihrer Kommunikation derzeit wohl kaum punkten. Gut gemeinte Worte helfen in Krisenzeiten wenig. Umfassende Lösungen wie wirkende Impfstoffe scheinen derzeit noch außer Reichweite. Insofern helfen alle Maßnahmen, die die Bedingungen für Ärzteschaft und Pflegepersonal konkret verbessern können.
Health Relations: Lohnt es sich vielleicht auch, bewusst die Kommunikation herunterzufahren, da es gerade schwer sein dürfte, neben Corona andere Indikationen zu spielen? Kann das ein guter Dreh sein, sich zu positionieren, indem man gewissermaßen "laut" schweigt?
Health Relations: Herr Krüger, derzeit ist das neuartige Corona-Virus das Thema schlechthin. Wie beurteilen Sie als Creative Strategist die Chancen für Pharmaunternehmen, dieses Thema in der B2B-André Krüger: Laufende Always-On-Kommunikation und Highlight-Kampagnen dürften es gerade schwer haben, durchzudringen. Daher gehören gerade alle laufenden Kommunikationsmaßnahmen auf den Prüfstand. Gefragt hingegen sind Inhalte, die Businesspartner unterstützen, durch die Krise zu kommen.
In Sachen Markenkommunikation hilft ebenso, was einen Sinn stiftet. Coca-Cola setzt gerade alle Marketingmaßnahmen aus und spendet stattdessen für Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Covid-19-Krise. Der Textilhersteller Trigema stellt die Produktion auf das Nähen von Gesichtsmasken um. Beiersdorf stellt in seinen Werken Desinfektionsmittel her und verteilt es an die Uniklinik und die Feuerwehr. Wo aus Worten auch Taten werden, ist es für Unternehmen natürlich sinnvoll, darüber zu sprechen.
Health Relations: Sie sagten es bereits: Generell werden die Themen Haltung und Purpose für Marken und Unternehmen immer wichtiger. Nun sind wir hier mitten drin in der Krise, Kommunikation ist somit mitunter ein Minenfeld, zumal die Pharmabranche eine sensible ist. Wie relevant ist CEO Activism in Krisenzeiten wie sie der neuartige Corona-Virus bestimmt?André Krüger: CEO Activism ist noch immer ein verhältnismäßig neues Thema. Dass sich CEOs vor allem mittels sozialer Medien zu gesellschaftlich relevanten Themen äußern, um eine positive Veränderung zu bewirken, wird künftig sicher an Relevanz gewinnen. In der derzeitigen Corona-Krise sehe ich indes keine nennenswerten Spielräume mittels CEO Activism zur Bewältigung der Krise beizutragen. Vielmehr gilt es, auf allen Ebenen die gesamtgesellschaftlichen Anstrengungen nach Kräften zu unterstützen.
Health Relations: CEO Activism ist hier also mehr Risiko als Chance?
André Krüger: Verbraucher und Mitarbeiter fordern zunehmend auch von Unternehmen eine Haltung zu gesellschaftspolitischen Themen. Wird diese glaubwürdig durch den CEO verkörpert, zahlt dies positiv auf die Wahrnehmung der Marke ein. Dies ist insbesondere der Fall, wenn es dem CEO gelingt, die Agenda von Medien und Politik zu beeinflussen. Gefahr aber besteht immer dann, wenn der Einsatz für eine gute Sache zum Marketing-Vehikel verkommt oder vornehmlich der eigenen Profilierung dient. Man merkt die Absicht und man ist verstimmt. Auch wenn die Aktivität stark von den Interessen des Unternehmens oder der Anteilseigner abweicht, kann es heikel werden.
André Krüger ist Freelance Creative Strategist aus Hamburg und Berlin und hat mit zahlreichen namhaften Unternehmen aus den Bereichen Health Care, Körperpflege, Kosmetik, Nahrungsmittel, B2B, Finance und Automotive sowie mittelständischen Unternehmen, Startups, Verbänden und Ministerien zusammengearbeitet. Er ist Dozent an der Hamburg School of Ideas, freier Autor für Werben & Verkaufen sowie Co-Autor des Buches „Influencer Marketing“.
André Krüger ist Freelance Creative Strategist aus Hamburg und Berlin und hat mit zahlreichen namhaften Unternehmen aus den Bereichen Health Care, Körperpflege, Kosmetik, Nahrungsmittel, B2B, Finance und Automotive sowie mittelständischen Unternehmen, Startups, Verbänden und Ministerien zusammengearbeitet. Er ist Dozent an der Hamburg School of Ideas, freier Autor für Werben & Verkaufen sowie Co-Autor des Buches „Influencer Marketing“.