Wie verträgt sich Kreativität mit Regulatorik? Wie verändert Künstliche Intelligenz die Kreativarbeit? Und warum reicht es nicht, ein Tool einzuführen und die Mitarbeitenden zu schulen? Susann Weber, Innovation Business & Excellence (IBEX) Director bei AstraZeneca, Belgien und Luxemburg und Jury-Mitglied beim COMPRIX, spricht im Interview darüber, wie kreatives RX-Marketing in Pharma und Healthcare heute aussehen kann und was es dafür braucht.

Health Relations: Frau Weber, wie definieren Sie persönlich Kreativität in Healthcare Bereich?

Susann Weber: Kreativität im Healthcare-Bereich fühlt sich für mich manchmal an wie ein gut orchestrierter Tanz: Auf der einen Seite stehen die unterschiedlichsten Zielgruppen, mit ihren eigenen Bedürfnissen, Vorlieben und Erwartungen – vom medizinischen Fachpersonal bis hin zu Patientinnen und Patienten oder weiteren Akteurinnen und Akteuren im Gesundheitswesen. Sie geben den Rhythmus und die Schrittfolge vor: Was ist relevant, was interessiert tatsächlich, auf welchem Kanal fühlen sie sich am besten angesprochen?

Auf der anderen Seite nehmen die regulatorischen Rahmenbedingungen die Rolle eines unsichtbaren Choreografen ein: Sie stecken die Tanzfläche ab, setzen klare Grenzen, sorgen aber zugleich dafür, dass sich alle Beteiligten sicher bewegen können. Compliance, Legal-Vorgaben und Transparenz sind quasi das Taktgefühl, das uns leitet.

„Kreativität ist das Herzstück wirkungsvoller Kommunikation.“

Innerhalb dieses Rahmens kreativ zu werden, bedeutet für mich, komplexe wissenschaftliche Inhalte so zu übersetzen, dass sie für die Fachkreise verständlich, zugänglich und zugleich absolut korrekt bleiben. Die Kunst liegt darin, die Präzision der wissenschaftlichen Informationen nicht aus dem Blick zu verlieren, auch wenn wir den Schritt in eine vereinfachte Darstellung wagen. Denn gerade Healthcare Professionals und medizinisches Fachpersonal haben oft nur wenig Zeit. Unser „Tanz“ muss daher effizient, klar und immer fundiert sein. Die Grundlage bleibt dabei immer die evidenzbasierte, transparente Aufbereitung aller Informationen.

Health Relations: Sie sind Jury-Mitglied beim COMPRIX, der herausragende Arbeiten in der Healthcare-Kommunikation auszeichnet: Wie wichtig ist Kreativität für den Erfolg einer Kampagne? 

Susann Weber: Kreativität ist das Herzstück wirkungsvoller Kommunikation. Sie ermöglicht es uns, altbekannte Themen neu zu verweben, Überraschungsmomente zu schaffen und unsere Botschaften mit Leben zu füllen – wie eine gelungene Choreografie, die nachhaltig in Erinnerung bleibt. Messbar wird Kreativität immer dann, wenn Erfolgsparameter dagegengesetzt werden. Für uns sind es Parameter wie die Anzahl der Klicks oder Unique Visitors auf einer Website.

Kreativität zeigt sich nicht nur im Design, sondern ebenso im Texten, Storytelling, in der Entwicklung technischer Lösungen oder beim intelligenten Verknüpfen und Auswerten von Daten, etwa zur Entwicklung von Dashboards oder Analyse-Tools. Überall dort, wo wir neue Wege gehen und innovative Lösungen schaffen, ist Kreativität gefragt.

Health Relations: Sie haben schon angesprochen, dass das RX-Marketing strengen regulatorischen und Compliance-Vorgaben unterliegt. Wie kann sich Kreativität innerhalb dieser Leitplanken entfalten?

Susann Weber: Ich sehe regulatorische Rahmenbedingungen als wertvolle Herausforderung. Regulatorik schließt Kreativität nicht aus, im Gegenteil: Sie fordert uns dazu heraus, innovative Lösungen innerhalb klar abgesteckter Leitplanken zu entwickeln. Es ist wie beim Tanz: Wenn wir die Spielregeln kennen, können wir uns sicher und kreativ darin bewegen, egal ob es ein klassischer Walzer oder ein moderner Clubtanz ist.


Comprix Logo für Kasten
© COMPRIX

COMPRIX: Deutschlands Award für exzellente Kreativität in Healthcare

Am 12. Juni 2026 werden in Köln die im deutschsprachigen Raum wichtigsten Awards für hervorragende Healthcare-Kampagnen verliehen. Am 3. November 2025 beginnt die Einreichungsphase für den Award und endet im Februar 2026. Ausgezeichnet werden die Agenturen und ihre Auftraggeber für die besten und kreativsten Werbemittel und Kampagnen, Anzeigen, Radio- und TV-Spots, Online-, Multimedia- und anderen Kommunikationsmaßnahmen. Der Preis für kreative Healthcare-Kommunikation wird vom COMPRIX-Beirat ausgerichtet, dem auch der Deutsche Ärzteverlag angehört.


Health Relations: Inwieweit nutzen Sie bei AstraZeneca Künstliche Intelligenz (KI) bei der kreativen Kampagnenentwicklung im RX-Marketing?

Susann Weber: Künstliche Intelligenz, besonders Generative AI, gibt uns neue „Instrumente“ an die Hand – sie erweitern unser kreatives Repertoire enorm. KI-Tools ermöglichen eine personalisierte Ansprache und die schnellere Erstellung von Inhalten, sei es Text, Bild oder Video. Wir haben zum Beispiel ein eigenes für die Content-Erstellung und -generierung. Mit Design-Analyse-Tools untersuchen wir außerdem Layouts und grafischen Aufbau und identifizieren, ob Nutzerinnen und Nutzer relevante Elemente sehen.

„Wir diskutieren jetzt nicht mehr über Farben, sondern anhand von Fakten.“

Das ermöglicht uns faktenbasierte Entscheidungen: Wir diskutieren jetzt nicht mehr über Farben, sondern anhand von Fakten. Messbarkeit von Kreativität ist nicht nur möglich, sondern auch integraler Bestandteil im Weiterentwicklungsprozess von Kreativität.

Health Relations: Wie sieht das in der Praxis zum Beispiel aus?

Susann Weber: Ein praktisches Beispiel: Wir nutzen KI, um zu testen, ob ein wichtiger Call-to-Action auf einer Landingpage auch wirklich wahrgenommen wird. Bleibt er unentdeckt, passen wir das Design an – ein bisschen wie das Feintuning bei einer Choreografie, bis alle Bewegungen harmonisch zusammenpassen.

Auch bei E-Mail-Kampagnen setzen wir auf KI-basierte A/B-Tests, um herauszufinden, welche Varianten die beste Nutzerführung bieten. Darüber hinaus wandeln wir mit Video-Tools längere Fachtexte in kurze, prägnante Videoformate um – so erreichen wir unsere Zielgruppen noch gezielter und erleichtern die Aufnahme komplexer Inhalte.

Health Relations: Wie haben Sie sich an die Nutzung von GenAI herangetastet?

Susann Weber: Am Anfang stand die Frage: Wo sind die größten Hürden in unserem Alltag und wie kann KI helfen, sie kreativer zu überwinden? Schritt für Schritt haben wir Anwendungsfälle gesammelt und regelmäßig den Markt sondiert, denn Datensicherheit und wissenschaftliche Qualität stehen für uns immer an oberster Stelle.

„GenAI bringt mehr Tempo und Kontinuität in unsere Kreativarbeit.“

Entscheidend ist dabei, für jedes Tool klare Nutzungsrichtlinien zu definieren, unter Berücksichtigung globaler, nationaler und lokaler Vorgaben (wie etwa des AI EU Acts oder von Standards im Bereich Datenschutz und IT-Sicherheit). Für den erfolgreichen Einsatz neuer Technologien ist es zudem zentral, alle Mitarbeitenden im Veränderungsprozess mitzunehmen: Wir setzen stark auf Schulungen, den Austausch von Best Practices und gemeinsames Erarbeiten konkreter Use Cases – nur so gelingt nachhaltige Akzeptanz.

Health Relations: Wie verändert GenAI die Kreativarbeit? 

Susann Weber: GenAI bringt mehr Tempo und Kontinuität in unsere Kreativarbeit. Die von uns etablierten Standards und Prozesse stellen sicher, dass wissenschaftliche und regulatorische Vorgaben zuverlässig eingehalten werden. Trotz aller technischen Unterstützung bleibt der letzte kreative Schliff immer menschlich: Alle KI-erstellten Inhalte werden sorgfältig geprüft und bewertet, um Innovation mit fachlicher Expertise zu verbinden.

Abschließend kann ich nur dazu ermutigen, KI auszuprobieren. Sie schafft Freiräume für den kreativen Austausch und lässt neue Ideen im Team entstehen – wie beim gemeinsamen Tanz, bei dem Technik und Mensch im perfekten Einklang Neues schaffen.