Human Purpose: „Lieber klein und konkret beginnen“

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Christoph Damanik, Creative Director, Havas Life, Düsseldorf © Damanik
Das Thema Human Purpose ist komplex. Christoph Damanik, Executive Creative Director bei Havas Life, rät Pharmaunternehmen im Marketing deshalb zum actionable Ansatz: lieber kleine Taten als große Worte.

Health Relations: Herr Damanik, Havas Life will dem Thema Human Purpose mehr Gewicht verleihen. Was heißt das genau?

Christoph Damanik: Ja, das unsere Mission und Vision. Dahinter verbirgt sich die Überzeugung, dass die Ausrichtung einer Marke nicht nur auf sich und die Produkte, sondern auf den Menschen zentriert sein sollte. Die Frage ist doch: Was kann die Marke Gutes tun, außer Umsatz zu generieren, immer mit dem Fokus auf den Menschen und die Gesellschaft.

Was genau ist Human Purpose?
Purpose bedeutet zu Deutsch „Zweck“ oder „Bestimmung“. Purpose Marketing beschreibt die Bemühungen eines Unternehmens, sich über sinnstiftendes Engagement oder eine bestimmte gesellschaftliche Haltung zu definieren. Human Purpose ist eine Zuspitzung und meint sinnstiftendes Markenengagement, das sich am Menschen und dessen Bedürfnisse orientiert.

Health Relations: Aber geht es in der Pharmabranche nicht sowieso immer um den Menschen und die Verbesserung der Lebensqualität?

Christoph Damanik: Tatsächlich, Pharmaunternehmen denken oft: ‚Wir sind automatisch Human Purpose‘. Das ist aber nicht das, was wir bei Havas Life unter Human Purpose verstehen.
Ein Beispiel: Reden wir über User Experience oder Customer Experience. Sie beeinflusst, wie der Konsument oder Rezipient die Marke erlebt. Wenn ich mir die Webseiten von Pharmaunternehmen anschaue, geht es meistens um Informationen, egal, ob sich diese an Patienten oder geschlossene Fachkreise richten. Das ist wichtig, holt den Patienten oder Healthcare Professional aber nicht immer ab. Hier greift Human Purpose: Ich muss mich hineinversetzen in den Menschen.

„Steigt die User Experience, bietet die Marke einen Mehrwert für den Nutzer, ist genau das Human Purpose.“

Health Relations: Wie genau sieht das aus, in der Realität?

Christoph Damanik: Indem man einen Mehrwert bietet, der das Leben von Patienten oder Arzt spürbar verbessert oder erleichtert. Bleiben wir bei der Website: Sie muss mehr bieten als Informationen. Wir haben zum Beispiel für ein Pharmaunternehmen auf deren Patienten-Site eine Art Umfrage gemacht. Mithilfe eines interaktiven Fragebogens konnte der Patient schildern, wie es ihm geht, wie er seine Erkrankung erlebt, indem er zum Beispiel bestimmte Aussagen über das Krankheitsbild bestätigen oder korrigieren konnte. Aus seinen Antworten haben wir ein PDF generiert, das der Betroffene ausdrucken oder abspeichern und seinem Arzt vorzeigen konnte.

Health Relations: Was dem Arzt den Dialog mit seinem Patienten erleichtert…

Christoph Damanik: Genau. Mit diesem Dokument konnte der Mediziner ein zielgerichtetes Arzt-Patientengespräch führen und viel besser auf dessen Bedürfnisse eingehen. Der Patient wiederum konnte sein Krankheitsbild viel leichter zusammenfassen und sich erklären. Heißt: Steigt die User Experience, bietet die Marke einen Mehrwert für den Nutzer, ist genau das Human Purpose.

Health Relations: Das klingt handlungsorientiert. Braucht Human Purpose nicht erst eine Haltung, einen unternehmenseigenen Diskurs und eine Wertephilosophie, um zu funktionieren?

Christoph Damanik: Klar, Human Purpose ist ein viel größerer Komplex, der in alle Bereiche des Unternehmens einfließt. Wir als Agentur können aber in der Kommunikation Ansätze kreieren, die zeigen, wie Human Purpose sich ganz praktisch und zielorientiert umsetzen lässt. Mit kleineren Maßnahmen, ohne gleich in den ganz großen Diskurs einzusteigen. Schauen Sie: Als Privatmensch kann ich für mich die Themen suchen, bei welchen ich Verantwortung tragen möchte und kann. Beispielsweise vegan leben, auf Gendergleichheit achten, Fairtrade oder, oder, oder.  Schritt für Schritt kann ich meinen Lebensstil entwickeln und anpassen. Bei Unternehmen ist das ähnlich. Sie können sich nicht von jetzt auf gleich vollkommen umstrukturieren. Aber sie können sich Schritt für Schritt ihrem Ziel nähern.

„Die Pharmabranche ist mittendrin, den Need zu erkennen. Das Markenverständnis entwickelt sich noch.“

Health Relations: Heißt, Human Purpose in der Kommunikation braucht keinen groß angelegten Schlachtplan?

Christoph Damanik: Nein. Lieber klein und konkret beginnen, als eine langfristige, perfekte Strategie zu liefern. Wenn ich Punkte und Themen finde, die zum Unternehmen passen und sich gut implementieren lassen, habe ich schnell Erfolgserlebnisse. Damit steigt auch die Bereitschaft, das Ziel weiterzuverfolgen. Für mich siegt der Hands-on-Aspekt. Human Purpose ist nichts Hehres, sondern actionable. Es ist ein Entwicklungsprozess. Erst Taten, dann Worte: Pharmaunternehmen haben unterschiedliche Kulturen und Prioritäten. Der Einstieg in Human Purpose muss zur eigenen Kultur passen, wenn er gefunden wurde, kann ich das nach außen tragen.

Health Relations: Was hat ein Unternehmen davon, sich in diesem Bereich zu positionieren?

Christoph Damanik: Ich glaube, das Thema wird zunehmend wichtiger. Es wird zum Differenzierungsmerkmal für Marken. Es gibt verschiedene Erhebungen, die zeigen, dass die Loyalität des Nutzers zu Marken abnimmt, wenn die Marke für Nichts steht. Das betrifft die Consumer-, aber auch die Pharmabranche.

Health Relations: Haben Pharmaunternehmen den Need erkannt?

Christoph Damanik: Die Pharmabranche ist mittendrin, den Need zu erkennen. Das Markenverständnis entwickelt sich noch. Ob des Kostendrucks denken Unternehmen oft in kurzen Zyklen und Kampagnen; arbeiten produktbezogen. Das Markensparschwein, wie ich es immer nenne, funktioniert eher langfristig. Aber wenn ich kontinuierlich in die Marke einzahle, dann stärkt sie das. Dann schätzt der Arzt oder Patient sie, er bleibt ihr eher treu und verzeiht eventuell sogar Fehler. Ich bin Markenfan. Man muss es nur gut anfangen.

Health Relations: Gut anfangen, gutes Stichwort: Wie groß ist die Gefahr, in Floskeln zu versinken, statt mit Taten zu überzeugen?

Christoph Damanik: Groß. Und die Zielgruppe Arzt oder Patient ist nicht bescheuert. Deshalb setzen wir auf den actionable-Ansatz, der auf große Worte verzichtet, dafür kleinere Maßnahmen implementiert. Nehmen wir noch mal das Beispiel Veganer auf: Wenn ich beschließe, meine Ernährung Schritt für Schritt umzustellen, ziehe ich ja auch nicht als Erstes ein T-Shirt an, auf dem steht: ‚Ab Morgen bin ich Veganer‘. Ich starte erst mal mit der Umstellung. Das ist glaubhafter und hat mehr Impact. Weil es konkret ist. Human Purpose ist keine Riesen PR-Schlacht und kein Awareness-Tool. Aber es sorgt dafür, dass eine Marke relevanter wird und bleibt.

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