Pascal Volz: „Die Konkurrenz um unsere freie Zeit und Aufmerksamkeit wird zunehmen“

© fischerAppelt, performance
Um in der „Kakophonie von Werbebotschaften“ hervorzustechen, muss eine Kampagne kreativ sein, sagt Pascal Volz, Geschäftsführer der fischerAppelt, performance. Seine Aussage gilt nicht nur für die Gestaltung der Werbemittel, sondern auch fürs Targeting.
Health Relations: Herr Volz, wie definieren Sie Kreativität?
Pascal Volz: Kreativität ist für mich alles, was nicht Standard ist, sondern außergewöhnlich und überraschend. Das kann verschiedenste Formen annehmen – von einem besonderen Musikstück bis hin zu einer innovativen Bildsprache.
Health Relations: Bei fischerAppelt, performance setzen Sie auf eine enge Verzahnung von Content und Performance, Personalisierung via Big Data gehört zu Ihrer täglichen Praxis. Muss eine Kampagne überhaupt kreativ sein, um zu wirken?
Pascal Volz: Das kommt tatsächlich darauf an. Kreativität kann die Wirkung erheblich verstärken. Sie hilft, Aufmerksamkeit zu erzeugen und Affekte und Emotionen hervorzurufen. Insbesondere bei Produkten, die bekannt und allgegenwärtig sind, ist Kreativität auf verschiedenen Ebenen gefragt: Zum einen müssen die Werbemittel selbst kreativ gestaltet sein, um der Zielgruppe ins Auge zu fallen. Zum anderen braucht es beim Ausspielen der Werbung Kreativität. Das gilt noch mehr, wenn das Marketing-Budget nicht unendlich groß ist.
„Ziel ist immer, ein Überraschungsmoment zu kreieren.“
Health Relations: Kreativität hilft also, aus der Masse herauszustechen?
Pascal Volz: Unbedingt! Jeder von uns bekommt täglich eine absurd hohe Zahl an Werbebotschaften ausgespielt. In dieser Kakophonie müssen sich Werbetreibende mit einem smarten und kreativen Targeting Relevanz schaffen – und dann mit einem kreativen Werbemittel darauf aufsetzen. Ziel ist immer, ein Überraschungsmoment zu kreieren, einen Aha-Effekt, der einen Affekt auslöst.
Health Relations: Wie wichtig ist die Kombination aus Kreativität und datengetriebenen Ansätzen für den Erfolg einer Kampagne?
Pascal Volz: Um es plakativ zu sagen: Nur bunte Bilder genügen nicht, um wirkliche Exzellenz in der Werbung zu schaffen. Wer eine spezielle Zielgruppe ansprechen und sein Budget smart investieren will, braucht immer beides: Kreativität und Daten.
Health Relations: Gewähren Sie uns einen Blick in die Praxis: Wie wird aus einem trockenen Datensatz eine kreative Kampagne?
Pascal Volz: Wir gehen immer von der Zielgruppe aus. Will ein Unternehmen beispielsweise sportbegeisterte Menschen ansprechen, die sich zudem gesund ernähren, dann werden wir kreativ und nähern uns dieser Zielgruppe über Fragestellungen an: Welche Sportarten könnten sie besonders interessieren? Welche Ernährungs-Infos könnten für sie relevant sein?
Und dann starten wir im Grunde mit der Gesamtbevölkerung in Deutschland und grenzen die Zielgruppe daraus Filter für Filter ein. Oft kombinieren wir verschiedene Datenfelder – zum Beispiel Sportinteressen und Ernährungsinteressen. So entsteht schließlich eine kreative Kampagnenarchitektur.

COMPRIX: Deutschlands Award für exzellente Kreativität in Healthcare
Am 12. Juni 2026 werden in Köln die im deutschsprachigen Raum wichtigsten Awards für hervorragende Healthcare-Kampagnen verliehen. Am 3. November 2025 beginnt die Einreichungsphase für den Award und endet im Februar 2026. Ausgezeichnet werden die Agenturen und ihre Auftraggeber für die besten und kreativsten Werbemittel und Kampagnen, Anzeigen, Radio- und TV-Spots, Online-, Multimedia- und anderen Kommunikationsmaßnahmen. Der Preis für kreative Healthcare-Kommunikation wird vom COMPRIX-Beirat ausgerichtet, dem auch der Deutsche Ärzteverlag angehört.
„Wir nutzen KI-Algorithmen, um darauf zu optimieren. Davor setzen wir aber immer ein HI-System – also eine Human Intelligence.“
Health Relations: Welche Herausforderungen birgt das Zusammenspiel von Daten und Kreativität in einer so streng regulierten Branche wie Pharma und Healthcare?
Pascal Volz: In der Healthcare- und Pharmawerbung sind viele Dinge nicht möglich, die in anderen Branchen problemlos gehen. Wir können hier schlicht viel weniger Datenpunkte einkaufen und nutzen. Entsprechend ist die Herausforderung, mehr um die Ecke zu denken und gleichzeitig besonders sensibel vorzugehen.
Das finde ich übrigens auch besonders relevant, wenn wir mit Künstlicher Intelligenz arbeiten: Wir nutzen KI-Algorithmen, um darauf zu optimieren. Davor setzen wir aber immer ein HI-System – also eine Human Intelligence, einen Menschen, der mitdenkt. Das kreative, menschliche Um-die-Ecke-denken und die entsprechende Sensibilität kann KI heute noch nicht ersetzen.
Health Relations: Wie messen Sie den Erfolg einer kreativen Kampagnen-Idee?
Pascal Volz: Das hängt stark von der Kampagne ab. Im E-Commerce arbeiten wir mit Sales-KPIs: Wie viel wurde verkauft, zu welchen Preisen? Gerade im B2B-Kontext aber nutzen wir oft einen eigens entwickelten „Engagement Level Algorithmus“. Mit ihm können wir präzise Aussagen darüber treffen, wie gut die Qualität des Website-Traffics ist, den wir für unsere Kundschaft erzeugen. Also: Wie oft und wie lange ist ein Mensch auf der Website unterwegs? Wie viele Videos guckt er sich an, was hat er heruntergeladen? Wir kombinieren verschiedene Metriken, können sie unterschiedlich gewichten und die Besucher der Website so unterteilen in ein Engagement-Level 1 bis 5. Das zeigt unseren Kunden an, wer wenig und wer stark engagiert ist.
Health Relations: Wie lassen sich diese Erkenntnisse nutzen?
Pascal Volz: Zum Beispiel für die weitere Kampagnen-Optimierung. Werbetreibende können auf dieser Basis im Retargeting besonders viel Budget in die Ansprache der Personen stecken, die sich schon sehr interessiert an ihrer Website gezeigt haben. Man kann sie auf eine Landingpage schicken, die genau ihre Interessen beantwortet – während weniger engagierte Personen nochmal auf die Startseite geleitet werden. So erreichen wir eine passgenaue Ansprache der Zielgruppe.
„Die Entwicklung neuer Kanäle läuft rasend schnell und ist noch lange nicht am Ende.“
Health Relations: Wo wird die Kombination aus Daten und Kreativität uns hinführen?
Pascal Volz: Es werden noch mehr Kanäle entstehen. In meiner Kindheit gab es nur Zeitung, Radio, Fernsehen und ab und an einen Ausflug ins Kino. Und noch vor 15 Jahren gab es noch kein ernstzunehmendes Social Media. Die Entwicklung neuer Kanäle läuft rasend schnell und ist noch lange nicht am Ende. Außerdem gibt es immer mehr Content. Und der ist nicht von Menschen, sondern auch von KI gemacht.
Mit der Vielfalt von Kanälen und Content wird auch die Konkurrenz um unsere freie Zeit und Aufmerksamkeit zunehmen. Für unsere Arbeit als Agentur bedeutet das, wir müssen immer fragmentierter schauen müssen: Was ist relevant? Wie können wir es technisch bespielen? Worauf fokussieren wir mit den uns gegebenen Ressourcen? Unsere Aufgabe wird es sein, unseren Kundinnen und Kunden innerhalb dieser schnellen Trends Orientierung zu geben.