Dr. Ahmed Khalifa, MSD Deutschland: „Prävention ist der mächtigste Hebel für ein längeres, gesünderes Leben“

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Wie können Menschen gesund alt werden und welche Rolle spielt Prävention dabei? Dr. Ahmed Khalifa, Country Medical Director bei MSD Deutschland, spricht über das Zusammenspiel von Forschung, Verantwortung und Aufklärung. Er macht klar: Wer über Langlebigkeit spricht, darf über Impfstoffe und Gesundheitskompetenz nicht schweigen.
Health Relations:Das Thema Langlebigkeit ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen, aber es wird sehr unterschiedlich gefüllt. Was verstehen Sie unter Longevity?
Dr. Ahmed Khalifa: Longevity ist für mich nicht nur die Aussicht auf ein langes Leben, sondern vor allem auf ein gesundes. Als Mediziner interessiert mich nicht, ob jemand 100 Jahre alt wird, sondern ob er oder sie mit 90 noch selbstbestimmt leben kann, ohne starke Einschränkungen. Diese Lebensqualität ist nicht allein eine Frage der Genetik, sondern vor allem der Prävention. Deshalb spielen Impfstoffe für uns als Pharmaunternehmen eine zentrale Rolle. Sie sind nicht nur eine medizinische Innovation, sondern ein gesamtgesellschaftlicher Hebel. Denn wenn Menschen durch Impfungen gar nicht erst krank werden, dann gewinnen sie Lebensjahre, und zwar nicht nur auf dem Papier, sondern in gesunder Zeit.
„Prävention ist unsichtbar. Sie verhindert etwas, das heißt, sie entfaltet ihre Wirksamkeit gerade dann, wenn nichts passiert. Aber genau darin liegt ihre Stärke. “
Health Relations: In der öffentlichen Wahrnehmung steht der Begriff Prävention aber nicht automatisch für Innovation oder Fortschritt. Warum ist das so?
Dr. Ahmed Khalifa: Ich glaube, weil Prävention unsichtbar ist. Sie verhindert etwas, das heißt, sie entfaltet ihre Wirksamkeit gerade dann, wenn nichts passiert. Aber genau darin liegt ihre Stärke. Impfstoffe gehören zu den wirksamsten Investitionen in die Zukunft, nicht nur aus gesundheitlicher, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht. Studien zeigen: Jeder Euro, der in Prävention investiert wird, spart später ein Vielfaches an Behandlungskosten. Und wenn man sich die Historie anschaut, sieht man, dass Impfprogramme ganze Krankheiten nahezu eliminiert haben. Das hat die Lebenserwartung weltweit dramatisch erhöht.
Health Relations:Und doch haben viele Menschen ein ambivalentes Verhältnis zu Impfungen.
Dr. Ahmed Khalifa: Das ist richtig. Die Pandemie hat gezeigt, wie fragil Vertrauen in Wissenschaft und Medizin sein kann. Gleichzeitig wurde aber auch deutlich: Kommunikation ist entscheidend. Menschen wollen verstehen, was mit ihnen passiert, welche Risiken bestehen, welche Alternativen es gibt. Deshalb ist Aufklärung für uns ein zentrales Thema. Nicht in Form von Produktwerbung, sondern als Beitrag zur Gesundheitskompetenz. Unser Ziel ist es, dass Menschen fundierte Entscheidungen treffen können. Dafür müssen wir sie dort erreichen, wo sie sich informieren, egal ob in der Arztpraxis oder in den sozialen Medien.
Health Relations:Was bedeutet das konkret für Ihre Kommunikationsarbeit?
Dr. Ahmed Khalifa: Wir arbeiten mit vielen Partnern zusammen. Dazu gehören Ärztinnen, Ärzte, Fachgesellschaften, Patientenorganisationen, aber auch Initiativen wie „Vision Zero“ oder „Entschieden. Gegen Krebs“. Uns geht es darum, glaubwürdige Informationen zugänglich zu machen und das nicht nur für medizinisches Fachpersonal, sondern auch für Laien. Das ist besonders wichtig, wenn es um die Impfung von Kindern oder Jugendlichen geht. Hier sind es oft die Eltern, die Entscheidungen treffen müssen und dazu brauchen diese eine verlässliche Basis. Dabei reicht es nicht, nur Fakten zu liefern. Wir müssen zuhören, auf Sorgen eingehen und mit Geduld erklären. Sonst überlassen wir das Feld denen, die mit einfachen Botschaften Angst verbreiten.
Health Relations:Wo liegt aus Ihrer Sicht die größte Herausforderung?
Dr. Ahmed Khalifa:In der Fragmentierung der Informationslandschaft. Früher kamen Gesundheitsinformationen hauptsächlich über klassische Medien oder medizinisches Personal. Heute fluten täglich Tausende Inhalte unsere Feeds. Manche davon sind seriös, viele irreführend. Gerade junge Menschen holen sich Wissen oft auf Social Media. Das ist an sich nichts Schlechtes, aber es erfordert neue Formen der Ansprache. Wir arbeiten deshalb mit Organisationen und Multiplikatorinnen und Multiplikatoren zusammen, die diese Kanäle verstehen und wissenschaftlich fundiert arbeiten. Nur so können wir Desinformation entgegentreten.
„Wir brauchen ein Gesundheitssystem, das belohnt, wenn Menschen gesund bleiben.“
Health Relations:Viele Ihrer Aussagen laufen auf einen Systemwechsel hinaus. Wenn wir Logevity ernst nehmen, müssen wir weg von der Behandlung, hin zur Prävention. Wo stehen wir da heute?
Dr. Ahmed Khalifa:Wir sind noch nicht da, wo wir sein müssten. Unser Gesundheitssystem ist traditionell kurativ ausgerichtet: Es bezahlt Leistungen, wenn Menschen krank sind. Prävention dagegen wird oft als Nebensache behandelt, sowohl strukturell als auch finanziell. Dabei wissen wir, dass viele Erkrankungen vermeidbar wären, wenn wir frühzeitig handeln würden. Das beginnt bei Impfungen, geht über Vorsorgeuntersuchungen bis hin zu Lebensstilfaktoren wie Ernährung oder Bewegung. Ein System, das Prävention ernst nimmt, würde nicht nur Kosten senken, sondern Lebensqualität erhöhen.
Health Relations:Welche Rolle sehen Sie dabei für forschende Pharmaunternehmen?
Dr. Ahmed Khalifa:Eine wichtige, aber keine exklusive. Wir verstehen uns als Teil eines größeren Ökosystems. Unsere Aufgabe ist es, wissenschaftlich fundierte Präventionsangebote zu entwickeln und verfügbar zu machen. Aber wir können das nicht allein umsetzen. Wir brauchen politische Unterstützung, medizinisches Fachpersonal und gesellschaftliche Akzeptanz. Und wir müssen offen über die Grenzen sprechen: Nicht jede Impfung ist für jede oder jeden geeignet, nicht jede Prävention ist sinnvoll für alle. Aber die Option zu haben, sollte selbstverständlich sein.
Health Relations:Gibt es auch eine ethische Dimension bei Longevity?
Dr. Ahmed Khalifa:Unbedingt. Es geht um Gerechtigkeit. Prävention darf kein Privileg sein. Jeder Mensch sollte Zugang zu verlässlicher Information und effektiven Schutzmaßnahmen haben. Das sollte unabhängig von Herkunft, Bildung oder Wohnort sein. Deshalb ist Gesundheitskompetenz für uns auch eine Frage der Chancengleichheit. Wenn Menschen die Risiken und Möglichkeiten verstehen, können sie bessere Entscheidungen für sich und ihre Familien treffen. Das ist für mich der wahre Kern von Longevity: nicht nur länger leben, sondern informierter, sicherer und mit mehr Autonomie.
Dieses Interview fand im Rahmen der Veranstaltung BCN Health Lab in München statt.
Wie hängen Langlebigkeit und Prävention zusammen?
Langlebigkeit (Longevity) beschreibt nicht nur ein langes Leben, sondern den Erhalt von Gesundheit, Autonomie und Lebensqualität bis ins hohe Alter. Zentrale Faktoren sind präventive Maßnahmen wie Impfungen, Vorsorgeuntersuchungen und gesundheitsbewusstes Verhalten. Studien zeigen: Prävention kann nicht nur Krankheiten vermeiden, sondern auch Kosten im Gesundheitssystem senken.
Impfstoffe gelten als effektives Instrument zur Förderung gesunder Lebensjahre. Sie reduzieren Krankheitslasten in der Bevölkerung und tragen zu höherer Lebenserwartung bei. Eine informierte Entscheidung über Impfungen setzt jedoch Gesundheitskompetenz voraus. Der Begriff beschreibt das Verständnis medizinischer Informationen und deren Anwendung im Alltag.
Die Zukunft der Longevity-Strategien liegt in einem systemischen Wandel: weg von kurativer Versorgung, hin zu strukturierter Prävention. Dafür braucht es ein Zusammenspiel von Forschung, politischer Förderung, medizinischer Praxis und Aufklärung. Prävention wird damit nicht nur zur medizinischen, sondern auch zur gesellschaftlichen Aufgabe.