Entscheidend bleibt ein gutes Crafting. Darin sind sich Bärbel Biwald und Matthias Jester-Pfadt von Serviceplan BOOSTing Health einig. Ein Gespräch mit zwei COMPRIX-Juroren über KI in der Bildgestaltung, Prompting und die Frage, warum Agenturvergütungen nicht günstiger werden.

Health Relations: Seit rund zwei Jahren ist KI aus dem privaten und beruflichen Alltag der meisten nicht mehr wegzudenken. Wie sieht es aus, übernimmt die KI bald den Agenturjob?

Bärbel Biwald: Definitiv nein. Es gibt gerade im Pharmamarketing so viele komplexe Aufgaben, Briefings, Hintergründe, die unsere Kunden gar nicht selbst bewältigen können und wollen. Headlines oder Kampagnenideen lassen wir nicht von einer KI erstellen, sondern sie entstehen im Kopf, im Dialog mit Kolleginnen und Kollegen. Um ein Beispiel zu nennen: einen Film übersetzen und Tonspuren sauber aufspielen, dafür fehlt intern oft in Pharmakonzernen die Erfahrung. Und die Frage ist auch, ob es wirklich gut werden würde.

Jester-Pfadt: Entscheidend ist ein gutes Crafting, also eine neue Idee zu entwickeln und die Fähigkeit zu haben, medizinische Inhalte wissenschaftlich so aufzubereiten, dass echte Needs sichtbar werden. Die Qualität und die Liebe zum Detail, die man in die Arbeit steckt, müssen spürbar werden und die Execution muss exzellent sein. Da kann KI bisher nicht mithalten, deshalb ist sie auch kein Ersatz für Kreativität, sondern ein Tool, das wir nutzen.

Health Relations: Wie konkret setzen Sie KI bei Ihrer Arbeit ein?

Biwald: Wir bei Serviceplan haben zusätzlich zu den marktüblichen Modellen zwei hauseigene KI-Tools zur Verfügung, mit denen wir im geschlossenen Bereich arbeiten können. Es war plötzlich eine große Neugier da und die Mitarbeitenden haben sich in verschiedene neue Programme eingearbeitet. Unsere Erfahrung ist: Kampagnen werden durch KI nicht automatisch besser oder schneller, denn KI ist kein Turbo-Tool. Sie ist eher eine Alternative zum Fotoshooting. Prompten ist fast wie fotografieren oder programmieren: aufwendig, aber eben auf eine andere Art.

„Entscheidend bleibt das Crafting, das heißt die Qualität und die Liebe zum Detail, die man in die Arbeit steckt.“

Health Relations: Sie ziehen den Vergleich zum Fotografieren, welche Rolle spielt das klassische Fotoshooting? Und welchen Wert hat Authentizität in der Bildsprache?

Biwald: Das kommt sehr auf die Art der Idee an. Es gibt Ideen, die Prinzipien zeigen wollen oder auch symbolisch für etwas stehen. Und es gibt Themen, die sehr emotional sind oder die den Patientennutzen stark zeigen sollen, wo man mit einem Gesicht wirbt. Dann muss das so gemacht sein, dass es wirklich authentisch aussieht – oder eben auch super gerne noch mal klassisch produziert wird. Letztendlich muss beim Rezipienten das echte Gefühl ankommen.

Jester-Pfadt: Das klassische Fotoshooting spielt nach wie vor eine wichtige Rolle. Beim Shooting geht es um Licht, Fittings, Perspektiven. Bei KI steckt das Handwerk im Prompting und in der Ausarbeitung. Beides kann großartig sein, aber auch daneben gehen. Man darf nicht vergessen: In fast allen Adobe-Programmen steckt inzwischen KI und wir arbeiten in der Bildbearbeitung längst mit KI-Hilfen.

Health Relations: Wie reagieren Sie denn, wenn ein Kunde sagt, er möchte keine KI nutzen?

Biwald: Es gibt Kunden, die den Einsatz von KI grundsätzlich ausschließen. Das ist dann eine klare Firmen-Policy, an die wir uns selbstverständlich halten. Oft geht es dabei um rechtliche Fragen, die noch nicht abschließend geklärt sind. Im Healthcare-Umfeld gelten zusätzlich strenge Regularien, wie das Heilmittelwerbegesetz, die auch für mit KI generierte Kampagnen gelten. Da darf es keine falschen Heilversprechen geben, egal ob ein Bild mit KI oder klassisch produziert worden ist. Dazu kommen offene Fragen rund um Copyright und Transparenz, die wir immer mitdenken müssen. Auf der anderen Seite wünschen sich die meisten Kunden heute ganz klar KI, weil sie neugierig sind und weil sie die Vorteile sehen.

„Wir müssen erklären, dass sich die Arbeit durch KI nicht reduziert, sondern verschiebt und kreative Qualität ihren Preis behält.“

Health Relations: Welche Vorteile sind das aus Ihrer Sicht?

Biwald: Ein großer Vorteil ist, dass wir schneller sehen, wie eine Idee wirkt. Wir spielen Varianten durch und können so besser entscheiden, ob etwas funktioniert. Gerade für Moodboards oder die Ausarbeitung der Anmutung ist KI sehr hilfreich. Außerdem ermöglicht sie uns, unabhängiger von Ort und Zeit zu arbeiten. Wir müssen nicht reisen, keine Shootings planen und sind nicht vom Wetter oder der Jahreszeit abhängig. Wir können globale Hintergründe adaptieren oder das Packaging austauschen. Auch die Alterung von Protagonisten lässt sich mit KI leichter und günstiger simulieren als früher. Ein Beispiel: Die „Plan-B-Kampagne“ zur Awareness bei Multipler Sklerose vor zwei Jahren entstand mithilfe von KI, weil wir die Protagonistin in verschiedenen Lebensaltern zeigen wollten, plus/minus zehn Jahre. Das kriegt man mit einem Shooting unglaublich schwer hin, man hätte ihre Haare abschneiden und die Protagonistin älter oder jünger schminken müssen.

Jester-Pfadt: Für den Kunden ist KI auch von Vorteil, weil er sich das Ergebnis besser vorstellen kann. Trotzdem ist der Einsatz von KI erklärungsbedürftig. Wenn ein Motiv neu berechnet wird – zum Beispiel von Landscape auf Portrait – interpretiert die KI es jedes Mal anders. Es sieht also nie genauso aus wie beim ersten Entwurf. Deshalb müssen wir Kunden den Prozess genau erklären und deutlich machen, warum die Arbeit mit KI nicht einfacher und schneller geht.

Health Relations: Durch KI wird der Agenturjob also nicht schneller. Dann wird die Arbeit einer Agentur für den Kunden vermutlich auch nicht günstiger.

Jester-Pfadt: Genau, diese Erwartung hören wir von Kunden oft. Die Realität ist aber: Es ist weder schneller noch günstiger. KI braucht genauso viel Aufwand und Zeit wie ein Shooting, manchmal sogar mehr. Und im Healthcare-Bereich kommt hinzu, dass in den gängigen Tools medizinische Visualisierungen gesperrt sind. Da stoßen wir schnell an Grenzen, weil wir bestimmte Inhalte gar nicht generieren können. Wenn man zum Beispiel einen Darm für eine Kampagne zu Colitis ulcerosa visualisieren möchte, geht das nicht. Oder eine offene Wunde, das wird von der KI blockiert. Bei Patienten-Cases generieren wir keine KI-Bilder. Das wäre aus unserer Sicht ethisch nicht richtig. Am Ende braucht es dann doch klassische Produktion, oft mit noch mehr Aufwand. Wir müssen erklären, dass sich die Arbeit durch KI nicht reduziert, sondern verschiebt und kreative Qualität ihren Preis behält.

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© COMPRIX

COMPRIX: Deutschlands Award für exzellente Kreativität in Healthcare

Am 12. Juni 2026 werden in Köln die im deutschsprachigen Raum wichtigsten Awards für hervorragende Healthcare-Kampagnen verliehen. Am 3. November 2025 beginnt die Einreichungsphase für den Award und endet im Februar 2026. Ausgezeichnet werden die Agenturen und ihre Auftraggeber für die besten und kreativsten Werbemittel und Kampagnen, Anzeigen, Radio- und TV-Spots, Online-, Multimedia- und anderen Kommunikationsmaßnahmen. Der Preis für kreative Healthcare-Kommunikation wird vom COMPRIX-Beirat ausgerichtet, dem auch der Deutsche Ärzteverlag angehört.

Hier geht’s zu den Ausschreibungsunterlagen.


Health Relations: Wie definieren Sie Kreativität im Healthcare-Bereich?

Biwald: Kreativität in Healthcare heißt für mich, die richtige Balance zu finden zwischen Information und Emotion. Wir müssen Patienten oder Ärzte erreichen, uns dabei aber immer an die strengen Regularien halten, die in diesem Umfeld gelten.

Jester-Pfadt: Für mich bedeutet es, eine Geschichte so zu erzählen, dass sie hängen bleibt, auch im engen Rahmen der Pharma-Kommunikation. Genau das macht es herausfordernd, aber auch spannend. Für mich war das Schlüsselerlebnis eine Kampagne für ein Hospiz. Da ging es nicht um Effekte, sondern um Substanz. Am Ende sind über 100.000 Euro an Spenden zusammengekommen. Das hat mir gezeigt, dass Kreativität in Healthcare eben nicht nur laut oder bunt sein muss, sondern echten Impact haben kann.

„KI kann uns dabei unterstützen, Ideen auszuarbeiten oder zu visualisieren. Aber die emotionale Kraft, die eine Geschichte berührend macht, entsteht durch menschliche Erfahrung. Das kann KI nicht ersetzen.“

Health Relations:Wenn es um Erkrankungen geht, ist Werbung häufig stark mit Emotionen verbunden. Was man auch daran sieht, dass bei Kreativwettbewerben wie den Cannes Lions oder dem COMPRIX oft Arbeiten ausgezeichnet werden, die berühren und nicht nur informieren. 

Jester-Pfadt: Für mich passt dazu das Motto bei den „Health and Wellness Lions“: Life Changing Creativity. Genau das macht Kreativität im Healthcare-Bereich aus: Es geht darum, Leben zu verbessern und zu verändern. KI kann uns dabei unterstützen, Ideen auszuarbeiten oder zu visualisieren. Aber die emotionale Kraft, die eine Geschichte berührend macht, entsteht durch menschliche Erfahrung. Das kann KI nicht ersetzen.

Health Relations: Wird sich der COMPRIX durch die vielen mit KI generierten Kampagnen verändern?

Biwald: Ich könnte mir vorstellen, dass KI beim COMPRIX irgendwann in einer eigenen Kategorie prämiert wird, vielleicht im Bereich Video. Da entwickelt sich gerade viel und dort ließe sich der KI-Einsatz auch gut abgrenzen.

Jester-Pfadt: Ich denke, dass wir 2026 schon sehr viele KI-Arbeiten beim COMPRIX sehen werden, das war 2024 noch nicht so. Aber egal in welcher Kategorie KI-Kampagnen ausgezeichnet werden, die Idee dahinter wird immer von Menschen kommen.

Health Relations: Welche Veränderungen erwarten Sie für die Arbeit der Kreativen in den nächsten Jahren?

Biwald: Wir sehen bereits, dass neue Rollen entstehen. Der Prompt Artist ist ein gutes Beispiel. Jemand, der die Fähigkeit hat, mit KI so präzise zu arbeiten, dass am Ende wirklich gute Ergebnisse entstehen. Aber auch generell verändern sich die Anforderungsprofile in den Kreativteams. KI wird ein fester Bestandteil im Werkzeugkasten, und jeder muss lernen, damit umzugehen.

Jester-Pfadt: Netter Insight: Die größte Begeisterung zeigen bei uns die „alten Hasen“ mit Fotoerfahrung. Jüngere, die Digital Natives, sind oft vorsichtiger. Es braucht viel Erfahrung, und die, die am besten mit KI umgehen können, sind Fotografen, die wirklich Ahnung haben.