Mit selbstbestimmter Werbung geben Werbetreibende ihrer Zielgruppe das Zepter in die Hand: Sie lassen den Nutzerinnen und Nutzern die Wahl, welche Werbung sie ansehen wollen. Geschäftsführer Olaf Peters-Kim vom Adtech-Anbieter Welect erklärt, wie Choice-Driven Advertising (CDA) funktioniert und wie Pharma- und Healthcare-Unternehmen es erfolgreich einsetzen können.

Wie wäre es, die Menschen selbst entscheiden zu lassen, welche Werbung sie sehen wollen? Nach diesem Prinzip arbeitet selbstbestimmte Werbung. In der Praxis funktioniert CDA zum Beispiel folgendermaßen: Wer bei einem Online-Medium einen Video-Beitrag sehen will, bekommt normalerweise vorher einen Werbespot eingespielt. Selbstbestimmte Werbung jedoch geht einen anderen Weg: Sie zeigt der Person einige Sekunden lang eine Auswahl aus vier Kacheln und fragt ab, welchen Spot sie gucken möchte. Die Person klickt eine Kachel an – und schaut jetzt die Werbung, die sie am meisten interessiert.

Traditionelle Werbung: Herausforderndes Targeting

Auch für Pharma- und Healthcare-Unternehmen können selbstbestimmte Werbeformate spannend sein: beispielsweise dann, wenn es um die Vermarktung von OTC-Produkten geht. Olaf Peters-Kim ist Geschäftsführer des Düsseldorfer Adtech-Unternehmens Welect, das Werbetreibenden und Verlagen Lösungen für selbstbestimmten Werbekonsum bietet. Für Bayer Vital beispielsweise erzielte Welect mit CDA-Kampagnen für ein Produkt gegen Haarausfall eine Klickrate von 4,8 Prozent und für ein Anti-Narben-Gel von elf Prozent.

„Regulatorische Vorgaben erschweren den Werbetreibenden das Targeting massiv.“

Seiner Erfahrung nach sprechen mehrere Gründe dafür, dass die Pharma-Branche auf CDA setzt: „Zum einen haben wir es im Gesundheitswesen mit sensiblen, personenbezogenen Daten zu tun. Sie sind durch regulatorische Vorgaben wie die DSGVO oder den DSA zurecht besonders geschützt. Den Werbetreibenden aber erschweren diese Richtlinien das Targeting massiv“, so Peters-Kim. „Zum anderen sind die Zielgruppen von OTC-Produkten oft breit gefächert: Ich denke da zum Beispiel an Mittel gegen Haarausfall oder Kopfschmerzen. Werbetreibende müssen hier oft mit hohen Werbebudgets investieren, gleichzeitig ist das Risiko von Streuverlusten sehr hoch.“

Nutzergesteuerte Werbung ohne Tracking

Selbstbestimmte Werbung kommt gänzlich ohne Tracking, Cookies und die übliche Nutzeridentifizierung aus. Ein „Blindflug“ ist sie dennoch nicht. Die Vorauswahl der Spots, die einem Menschen vorgeschlagen werden, hat System. Den Wünschen der Zielgruppe nähern sich Peters-Kim und sein Team über folgendermaßen an: Welect arbeitet mit 240 Medienpartnern aus den Bereichen nationale und regionale Zeitungen sowie Special-Interest-Seiten zusammen, nutzt Geo-Targeting bis auf Postleitzahlebene ohne vollständige IP-Adressen und setzt eine eigene KI-Engine ein, um Nutzerverhalten zu analysieren, Kampagnen kontextuell vorzuselektieren und deren Passgenauigkeit zu überprüfen.

Beispiel für eine Kachel-Auswahl in der selbstbestimmten Werbung
Beispiel für eine Kachel-Auswahl in der selbstbestimmten Werbung
© Welect

So nähert man sich im Choice-Driven Advertising den Bedarfen der Zielgruppe Stück für Stück an – und schlägt einer Person dann vier Werbungen vor, die für sie interessant sein könnten – hier ist also aktives User-Verhalten gefragt. „Tatsächlich raten wir unserer Kundschaft auch, ihre Werbung breit zu streuen und die Vorauswahl nicht zu eng zu fassen. So erreichen sie auch Menschen, die jenseits der typischen Pfade unterwegs sind. Das Risiko ist gering, denn für die Werbetreibenden fallen nur dann Kosten an, wenn ihre Werbung ausgeliefert und bis zum Ende geschaut wird“, so Peters-Kim weiter.

Nutzerinnen und Nutzer senden Datensignale

Im Ergebnis senden die Nutzerinnen und Nutzer im CDA selbst wichtige Datensignale: Immer dann, wenn sie aktiv eine bestimmte Werbung anklicken, übermitteln sie in Echtzeit, was für sie gerade die höchste Relevanz hat. Die Werbetreibenden können entsprechende Erkenntnisse für sich ableiten.

„Wo der Mensch entscheidet, ist Kreativität gefragt.“

Ob ein OTC-Produkt schon bekannt ist oder neu auf den Markt kommt, spielt Peters-Kims Erfahrung nach keine Rolle für den Kampagnenerfolg. „Wichtig ist vor allem die Gestaltung der Teaser, also der kleinen Vorschau-Kachel: Die Unternehmen müssen ihre Zielgruppe sowohl textlich als auch in der Darstellung so gut abholen, dass sie auf ihren Spot klickt. Die Zielgruppe muss also in wenigen Millisekunden entscheiden: Diese Werbung trifft meinen Bedarf. Und da beobachten wir ganz klar. Wo der Mensch entscheidet, ist Kreativität gefragt.“

44 Prozent vertrauen selbstbestimmter Werbung mehr

Verwurzelt ist die selbstbestimmte Werbung im Bewegtbild: Rund 75 Prozent der ausgespielten Werbespots bei Welect sind Videos. Inzwischen allerdings gibt es auch die Möglichkeit, eine Kachel nicht mit einem Video, sondern mit einer Ziel-URL zu verbinden. „Das wird dann auf Cost-per-Klick-Basis abgerechnet“, erklärt Peters-Kim. „Diese Variante stammt aus der Performance-Welt und ist vor allem für Werbetreibende eine Alternative, die keine Videospots produzieren können oder wollen.“

Wie selbstbestimmte Werbung wirken kann, hat Welect in einer qualitativen Online-Befragung von 2024 ermittelt. Sie zeigt, dass 44 Prozent der Befragten selbstbestimmte Werbung als deutlich oder eher vertrauenswürdiger ein als herkömmliche Werbeformate einstufen. Die Kaufbereitschaft einer selbstbestimmten Werbekonsum-Gruppe lag um 27 Prozent höher als die einer Gruppe mit fremdbestimmten Werbekontakten, ihr Botschaftsverständnis war 19 Prozent höher.