Nachhaltigkeit in Pharma: Warum jetzt die Zeit der „low hanging fruits“ ist

© R. Marxen
Wer jetzt richtig kommuniziert, kann schnelle Erfolge in Sachen Nachhaltigkeit erzielen, ist Prof. Dr. Alena Buyx überzeugt. Auf der WeACT Con 2025 erklärte sie, warum gerade der Gesundheitssektor hier ideale Voraussetzungen hat. Was bedeutet das für das Pharmamarketing?
„Jetzt ist die Zeit der ‚low hanging fruits‘, sagte Prof. Dr. Alena Buyx auf der WeACT Con 2025 am 6. Mai in Berlin. Buyx ist Professorin für Ethik der Medizin und Gesundheitstechnologien und Direktorin des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin an der Technischen Universität München. In ihrem Impulsvortrag auf der vom Pharmaunternehmen Chiesi veranstalteten, zweitägigen Nachhaltigkeitskonferenz sprach sie unter anderem darüber, wie gerade der Gesundheitssektor zu einem zentralen Akteur im Kampf gegen den Klimawandel werden kann und warum es sich lohnt, jetzt zu handeln. Welche Schlussfolgerungen insbesondere das Pharmamarketing aus ihren Empfehlungen ziehen kann, darum soll es im folgenden gehen.
Verantwortung trifft Handlungsspielraum
Dass auch die Healthcare-Branche in Sachen Klimawandel gefordert ist, zeigt ein Blick auf die Zahlen: Der Gesundheitssektor verursacht sechs bis sieben Prozent der CO₂-Emissionen – mehr als der individuelle Flugverkehr. Gleichzeitig verfügt er über direkte Hebel, um Klimafolgen abzumildern: Krankenhäuser können Hitzeschutzpläne umsetzen, Pharmaunternehmen ihre Produktionsketten optimieren. Der Kommunikation kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.
Co-Benefits statt Klimarhetorik
Für Alena M. Buyx sind Co-Benefits ein zentrales Element strategischer Kommunikation. Für das Marketing bedeutet das, weg vom Verzichtsappell, hin zur Betonung der positiven Effekte für die eigene Gesundheit: Eine pflanzenbetonte Ernährung schont nicht nur das Klima, sondern senkt auch das Krankheitsrisiko. Kurze Lieferketten minimieren Emissionen und stärken die lokale Versorgungssicherheit, also die Verfügbarkeit der jeweiligen Medikamente. „Der einzige Weg, wie Sie jemanden dazu kriegen, sein Steak aufzugeben, ist, indem Sie mit der Person arbeiten und ihr zeigen: Das ist gut für dich – ganz konkret.“ Das Steak steht hier als Symbol für eine liebgewonnene Alltagshandlung, von der sich viele nur schwer trennen können. Letztlich überzeugen individuell spürbare Mehrwerte mehr als abstrakte Handlungsziele. Die positiven Folgen für das Klima sind dabei sozusagen Nebensache. Co-Benefits eben. „Die Handlungsebene muss kommunikativ im Vordergrund stehen.“
Mit guten Geschichten motivieren
Nun steht der Klimawandel mit all seinen Folgen aktuell nicht im gesellschaftlichen und politischen Fokus. „Die Aufmerksamkeit für bestimmte komplexe Themen wie den Klimawandel unterliegt Wellenbewegungen. Nach einer Phase hoher Aufmerksamkeit wandert der Fokus weiter, obwohl das Thema Klimawandel die Menschen nach wie vor beschäftigt.“ Wir befinden uns also in einem Tal, was die Aufmerksamkeit für den Klimawandeldiskurs angeht. Für Buyx kein Hindernis. Denn jetzt sei die Zeit der „low hanging fruits“. Die abnehmende Aufmerksamkeit mache es zwar schwieriger, strukturelle Fragen anzugehen, die zum Beispiel Klimaziele auf multilateraler Ebene betreffen. Gleichzeitig werde es aber deutlich einfacher, Themen anzugehen, die eine konkrete Handlungsebene bieten. „Wenn wir den Menschen gute Geschichten erzählen und ihnen konkret zeigen: Das, was du für dich tust, was dir gut tut, was in deinem eigenen Interesse ist, hat gleichzeitig den Effekt, dass wir alle nachhaltiger leben können, dann haben wir eine Geschichte, mit der wir viel schneller viel mehr bewegen können, als wenn wir von der großen, internationalen und intergenerationellen Verantwortungsebene kommen.“
Fazit
Gerade im Tal der öffentlichen Klimakommunikation, in dem wir uns laut Buyx derzeit befinden, liegt die Chance für den Gesundheitssektor und die Pharmaindustrie, sichtbar Verantwortung zu übernehmen – nicht mit dem moralischen Zeigefinger, sondern mit nachvollziehbaren Lösungen. Schnelle Erfolge könnten die Belohnung sein. Denn nirgendwo ist der Mehrwert so greifbar wie bei der eigenen Gesundheit.