Digitale Lösungen verändern die Gesundheitsversorgung – aber nicht im Alleingang. Kooperationen brauchen strukturierte Prozesse, die unterschiedliche Ökosysteme zusammenbringen. Zwei Beispiele zeigen, wie Pharmaunternehmen gemeinsam mit Kliniken, Forschung und Start-ups neue Versorgungspfade erschließen.

Onkologie, Kardiologie oder Prävention: In vielen Bereichen entstehen digitale Ansätze, die die Patientenversorgung verbessern und Versorgungslücken schließen können. Hier eröffnen sich für Pharma neue Geschäftsmodelle. Doch der Schlüssel zu ihrer Umsetzung liegt oft nicht in der Technologie selbst – sondern in der Zusammenarbeit der richtigen Partner. Zwei aktuelle Projekte – digiOnko mit Novartis Deutschland und aot.health mit dem Roche eigenen Innovationsstudio RoX Health – zeigen, wie pharmazeutische Unternehmen von Kooperationen profitieren können und wie sie sie gestalten.

Porträt Dr. med. Christian Mann, Medical Unit Director Solid Tumors bei Novartis Deutschland über Kooperationen
Dr. med. Christian Mann, Medical Unit Director Solid Tumors bei Novartis Deutschland
© Novartis Deutschland

„Die Aufteilung der Aufgaben in Module ermöglicht, dass die verschiedenen Partner gemäß ihrer Kompetenzen bestmöglich eingebunden werden.“

Novartis & digiOnko: Vernetzte Versorgung in der Brustkrebsmedizin

digiOnko ist ein bayerisches Pilotprojekt unter der Leitung der Frauenklinik des Universitätsklinikums Erlangen. Es geht aus dem Bayerischen Innovationsbündnis gegen Krebs hervor, das von Novartis Deutschland, Siemens Healthineers, Medical Valley und der Universitätsklinik Erlangen ins Leben gerufen wurde. Ziel des Projekts ist es, digitale Versorgungsstrukturen für Brustkrebspatientinnen zu schaffen – insbesondere im ländlichen Raum. Dafür setzt digiOnko auf eine Kombination aus Telemedizin, mobilen Präventionsangeboten und sektorenübergreifender Vernetzung. Genutzt werden die erhobenen Daten für die Krankenversorgung der betroffenen Frauen, sie werden mit den Daten weiterer Krebspatientinnen zusammengeführt. Diese Informationen sowie Daten aus Studien von Novartis werden in eine gemeinsame Datenbank eingespeist und von der Universität Erlangen-Nürnberg durch Künstliche Intelligenz ausgewertet, um neue therapeutische Erkenntnisse abzuleiten. 22 Partner aus Wissenschaft, Versorgung, Industrie und Politik arbeiten hier zusammen. Wie funktioniert eine Kooperation mit so vielen Partnerinnen und Partnern? „Grundlage für den Erfolg von digiOnko ist eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Partner, mit klaren Verantwortlichkeiten und regelmäßigem Austausch“, sagt Dr. med. Christian Mann, Medical Unit Director Solid Tumors bei Novartis. „Die Aufteilung der Aufgaben in Module ermöglicht, dass die verschiedenen Partner gemäß ihrer Kompetenzen bestmöglich eingebunden werden.“ Die modularen Prozesse sorgen also dafür, dass immer nur die jeweils relevanten Partner an spezifischen Teilprojekten arbeiten. Dabei werden Methoden der digitalen Medizin und reale Betreuungsstrukturen vernetzt und greifen perfekt ineinander. Es finden regelmäßige Konferenzen statt, um den Stand der jeweiligen Module unter den Partnern zu teilen.

Dr. Gregor Obernosterer, Business Development Director bei der RoX Health GmbH (re.), Porträtfoto. Thema des Beitrags sind Kooperationen in Pharma
Dr. Gregor Obernosterer, Business Development Director bei der RoX Health GmbH
© RoX Health GmbH

„Nur durch kollaboratives Arbeiten in agilen Strukturen und mit interdisziplinären Partnern lassen sich digitale Gesundheitslösungen nachhaltig im Markt etablieren.“

aot.health: Monitoring über die Klinik hinaus

Auch RoX Health, das Innovationsstudio von Roche, setzt auf Zusammenarbeit im Netzwerk. „Innovationen, die echten Patientennutzen stiften, entstehen nicht im Alleingang. Nur durch kollaboratives Arbeiten in agilen Strukturen und mit interdisziplinären Partnern lassen sich digitale Gesundheitslösungen nachhaltig im Markt etablieren“, sagt Dr. Gregor Obernosterer, Business Development Director bei der RoX Health GmbH. Für das Projekt aot.health hat sich das Unternehmen mit den Johanniter-Kliniken Bonn und den Start-ups Luscii und DoctorBox zusammengeschlossen. Gemeinsam entwickeln sie ein Remote-Patient-Monitoring-System für onkologische Patientinnen und Patienten, das die Versorgung über den stationären Aufenthalt hinaus sichert. Unnötige Wege und Krankenhausaufenthalte könnten so vermieden und dennoch eine enge medizinische Begleitung gewährleistet werden. Das Innovationsstudio setzt in der Kooperation auf geübte Prozesse. Auf die Johanniter-Kliniken in Bonn sei man, so das Unternehmen, zugegangen, im weiteren Verlauf hätte RoX Health gezielt Start-ups mit passenden Technologien in strukturierte Kooperationsprozesse hinzugezogen. Kooperationen folgen stets diesem Muster: Das Projekt durchläuft bei RoX Health ein ausführliches, strukturiertes Assessment. Passen die Rahmenbedingungen, unterstützt man bei regulatorischen Fragestellungen, beim Marktzugang und bei der Investorensuche. Zudem bietet RoX Health die Möglichkeit, Ideen frühzeitig im realen Versorgungskontext zu testen. Besonders im Fokus stehen digitale Innovationen in der Onkologie, digitalen Pathologie sowie bei neurodegenerativen und kardiovaskulären Erkrankungen. Eine der größten Herausforderungen bei Kooperationen besteht darin, die regulatorischen Anforderungen des deutschen Gesundheitsmarktes von Anfang an mitzudenken – sei es im Hinblick auf die Zulassung als mögliches Medizinprodukt bzw. DiGA, oder im Kontext möglicher Erstattungswege. Jedes Land hat hier seine eigenen Gegebenheiten und gesetzlichen Rahmenbedingungen. Wichtig ist daher, diese Fragestellungen frühzeitig zu adressieren.

Was erfolgreiche Kooperationen brauchen

Erfolgreiche Kooperationen entstehen also nicht zufällig. Sie folgen klaren Prinzipien:

  • Geteilte Vision: Ob Versorgungslücken schließen oder digitale Innovationen marktfähig machen – ohne ein gemeinsames Ziel fehlt die Richtung.
  • Komplementäre Stärken: In beiden Projekten treffen Klinikerfahrung, Forschungsexpertise, technologische Innovation und pharmazeutisches Know-how aufeinander.
  • Struktur und Transparenz: Modulare Zusammenarbeit bei digiOnko oder strukturierte Prozesse bei RoX Health sorgen für Verbindlichkeit und Effizienz.
  • Regulatorik im Blick: Besonders bei digitalen Lösungen ist es entscheidend, frühzeitig regulatorische Anforderungen und Erstattungswege mitzudenken.
  • Patientenzentrierung: Der Nutzen für Patientinnen und Patienten steht bei beiden Initiativen im Mittelpunkt – sei es durch einfachere Zugänge zur Versorgung oder durch mehr Teilhabe am eigenen Behandlungsprozess.

Kooperation als strategisches Element – nicht nur als Projektform

Sowohl Novartis Deutschland als auch RoX Health sehen Kooperationen als integralen Bestandteil der Unternehmensstrategie. Es geht nicht um punktuelle Zusammenarbeit, sondern um den Aufbau belastbarer, langfristiger Netzwerke. Novartis Deutschland verfolgt dabei nach eigener Aussage das Ziel, Lücken im Gesundheitssystem zu schließen – gemeinsam mit Partnern aus Forschung, Versorgung und öffentlichem Sektor. Im Fokus stehen Allianzen, die Lösungen nicht nur entwickeln, sondern auch in die Versorgung überführen. Das umfasst Projekte wie digiOnko, aber auch Initiativen in der Kardiologie und digitale Anwendungen zur Verbesserung der Therapietreue. Auch RoX Health positioniert sich als aktiver Teil eines offenen Ökosystems. Das Unternehmen setzt gezielt auf interdisziplinäre Zusammenarbeit mit dem Ziel, tragfähige Gesundheitslösungen weiterentwickeln.

Fazit: Kooperation ist mehr als Zusammenarbeit – sie ist Haltung

In einer zunehmend datengetriebenen und komplexen Versorgungslandschaft sind Partnerschaften ein zentraler Hebel für nachhaltige Innovation. Pharmaunternehmen, die sich strategisch öffnen und Kooperationsstrukturen aktiv mitgestalten, sichern sich nicht nur Wettbewerbsvorteile, sie leisten auch einen Beitrag zur zukunftsfähigen Gesundheitsversorgung. Für das Pharmamarketing bedeutet das: Die Rolle wandelt sich. Weg vom reinen Kommunikationsmittler – hin zum Brückenbauer zwischen Akteuren, Technologien und Versorgungspraxis.