Humor im Pharmamarketing: Geschmacksträger mit Nebenwirkungen

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Humor iim Pharmamarketing
„Ich war schon immer ein Kämpfer für Klarheit, Verständlichkeit. Mein kommunikativer Ansatz ist, nicht trivial, aber einfach zu werden.“ Dr. Roman Szeliga ist Mitbegründer des Vereins „CliniClowns“ (Ärzte des Lachens) und Geschäftsführer der Kommunikationsagentur “Happy&Ness”. © Thomas Lerch
Dr. Roman Szeliga, Internist und Geschäftsführer der Kommunikationsagentur “Happy&Ness“, plädiert für mehr Humor im Pharmamarketing. Denn der sei ein Geschmacksträger für Botschaften. Aber für welche und wo stößt Humor an seine Grenzen?

In diesem Interview erfahren Sie:

Health Relations: Welche Funktion hat Humor in der Kommunikation für Sie?

Roman Szeliga: Humor ist für mich immer ein Geschmacksträger von Botschaften. Wenn ich etwas mit Lust, mit Genuss und Spaß lerne, dann bleibt es viel länger und tiefer in meiner Gedankenwelt verankert. Über Humor, wenn er wertschätzend ist, kann ich viel mehr transportieren, als wenn ich es nur über die „seriöse Schiene“ mache. Humor ist außerdem ein Verbindungsglied in der Kommunikation. Wenn ich mit jemandem lachen kann, kann ich mit jemandem auch weinen. Als ich die CliniClowns mitgegründet habe, habe ich gemerkt, was passiert, wenn Humor greift, wo er sonst scheinbar keinen Platz mehr hat.

Wer ist Dr. Roman Szeliga?
Dr. Roman Szeliga ist Internist, war als Health Care Director für Johnson & Johnson Medical Austria, ist Mitbegründer des Vereins „CliniClowns“ (Ärzte des Lachens) und Geschäftsführer der Kommunikationsagentur “Happy&Ness”.

Health Relations: Gilt das auch in der Pharmakommunikation, zum Beispiel mit Ärzt:innen?

Roman Szeliga: Also den Humor als Geschmacksträger für Botschaften zu verwenden, in der richtigen Dosis, zum richtigen Zeitpunkt einzusetzen, schadet nie. Humor ist für mich auch ein sehr egoistisches Mittel. Wenn es mir gut geht, geht es anderen auch gut. Humor ist Leichtigkeit, auch manchmal Charme. Das ist ein wunderbares Beziehungs-Schmiermittel. Ich muss natürlich meine Botschaften hinterlassen, ich muss meine Informationen geben, aber immer in der Dosis, in der der andere das möchte. Und wenn da der Humor als Opener funktioniert, wenn der erste Eindruck ist, da ist ein fröhlicher Mensch, der mir vielleicht eine gute Zeit schenkt, dann bin ich auch offen für die Informationen, die er mir anbietet. Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt in der Kommunikation, nicht den Leuten etwas zu geben, sondern etwas anzubieten.

Health Relations: Humor hat viele Gesichter und nicht jeder und jede lacht über die gleichen Dinge.

Roman Szeliga: Ich meine auch nicht, dass Sie dem Arzt fröhlich Witze erzählen, und dann wird das ein gutes Gespräch. Einfach vielleicht ein Lob zu hinterlassen und ein Lächeln zu schenken. Lob und Kompliment sind wunderbare Träger für gute Kommunikation in allen Richtungen. Lob ist meistens leistungsorientiert, von daher ist das Kompliment noch schöner. Ein Kompliment kann jeder und jede jedem und jeder machen.

Health Relations: Gilt das als Humor oder handelt es sich bei Ihrem Beispiel nicht einfach um eine freundliche Kommunikation?  

Roman Szeliga: Humor ist immer dann vorhanden, wenn etwas mit mir passiert, was eine positive Emotion auslöst, die in einem Lächeln endet. Es ist immer der Versuch, dem anderen ein gutes Gefühl zu geben. Humor ist das Gegengewicht zum Ernst des Lebens.

Health Relations: Hat Humor nicht irgendwann seine Grenzen? Wenn ich jetzt als Pharmareferent oder -referentin ein Produkt für eine chronische Krankheit im Gepäck habe, die auch gewisse Leiden für Patient:innen mit sich bringen kann. Wo ein Leidensdruck vorhanden ist?

Roman Szeliga: Also prinzipiell hat Humor immer Grenzen und zwar die, die ich mir selber setze. Es gibt einen wunderschönen Satz, „Jeder Mensch möchte gleichbehandelt werden.“ Individuell. Genauso ist es mit dem Humor. Wenn ich das Gefühl habe, da passt die Situation nicht, da passt die Person nicht, da passt meine Stimmung nicht, dann muss ich nicht krampfhaft, weil ich gelernt habe, Humor ist ein guter Trigger, versuchen, humorvoll zu sein. Das ist dann sicherlich der falsche Ansatz. Schauen wir einmal auf Ihr Beispiel. Neue Medikamente können ggf. Veränderung im Körper oder Nebenwirkungen verursachen. Das ist sachliche Kommunikation. Da bin ich total bei Ihnen. Wenn ich aber ein Medikament gebe, dann möchte ich, dass es dem Patienten besser geht in irgendeiner Form. Dass der Arzt oder Ärztin den Job besser machen kann, weil es dem Patienten oder der Patientin vielleicht besser geht. Dann schulde ich es dem Arzt oder Ärztin doch schon fast, ihm oder ihr auch dieses Zielgefühl zu vermitteln. Wie geht es dir, wenn wir gemeinsam diesen Weg mit dem neuen Medikament gehen, zum Wohl des Patienten oder der Patientin. Das funktioniert so auch in Kommunikation mit Patient:innen. Es hilft, gemeinsam die Erfolgsstraße zu sehen, natürlich immer mit dem Fokus, worauf der Patient oder die Patientin achten muss. Was kann passieren, wenn ich das Medikament nehme? Aber auch, was kann ich wieder leisten und tun, wenn das Medikament wirkt.

„Es gibt drei Faktoren, die in jeder guten Kommunikation passen müssen: Neu. Mehrwert Emotionen. Bei der Digitalisierung funktioniert alles.“

Health Relations: Humor in der Pharmakommunikation müsste auch funktionieren, wenn ich zum Beispiel Ärzt:innen begeistern möchte von neuen digitalen Lösungen, die sie vielleicht noch scheuen, weil oft diese Barriere im Kopf ist nach dem Motto: „Bringt nur Stress und Arbeit, aber keinen Mehrwert.“ Kann Humor der sogenannten digitalen Revolution oder Transformation im Healthcare-Bereich ein wenig Schwung verleihen?

Roman Szeliga: Ja. Woran denkt der Mensch? Zuerst an sich – und dann an sich und dann an sich. Digitale Revolution an sich ist als Begriff ein negativer Trigger. Da kommt etwas Neues, etwas wird niedergerissen, da wird ein neuer Weg eingeschlagen, da werden Opfer zu bringen sein. Das ist eine Revolution. Klingt anstrengend. Da denkt der HCP: Ich habe eh schon so viel zu tun. Und jetzt muss ich mich damit beschäftigen. Muss. Nicht kann. Ganz schlecht. Sobald Ärzt:innen irgendeine digitale Geschichte als eine Bedrohung wahrnehmen, so dass ihre Kompetenz untergraben wird, machen sie die Rollladen runter. Wenn man ihnen zeigt, dass diese digitalen Tools Erfolgserlebnisse bringen für sie und die Patient:innen, dann sieht die Sache vielleicht schon anders aus.

Health Relations: Gibt es eine Art Regel für humorvolle Kommunikation?

Roman Szeliga: Es gibt drei Faktoren, die in jeder guten Kommunikation passen müssen: Neu. Mehrwert Emotionen. Bei der Digitalisierung funktioniert alles. Ich habe was Neues. Es kann mir Nutzen bringen. Die Emotion muss eine positive sein. Also ich muss mehr oder weniger erkennen, dass es für mich einen Sinn macht. Vielleicht ist Humor hier per se nicht der richtige Trigger. Aber die Leichtigkeit und die Verständlichkeit, die kann helfen, Leute mitzunehmen. Da kommt dann gutes Storytelling ins Spiel. Indem man vielleicht über anschauliche Beispiele berichtet. Man muss das Verständnis des Arztes und der Ärztin in den Fokus setzen und den Druck rausnehmen, um stattdessen die Neugierde zu wecken. Den Spaß an der Entwicklung.

Health Relations: Was sind die ersten Schritte, die Pharma machen könnte, aus Ihrer Sicht, um das Thema „Humorkultur und gute Kommunikation“ in die richtige Richtung zu bringen?

Roman Szeliga: Wer Antworten geben muss, muss Fragen stellen. Also: „Lieber Arzt, wie kann ich dich mit den neuen Tools unterstützen? Was brauchst du?“ Und das bitte nicht nur oberflächlich, sondern wirklich in die Tiefe gehen, auch mal den Finger in die Wunde legen und dann darauf eine Beziehung aufbauen, um Veränderungen durchzuführen. Ganz genau individuell in die Tiefe zu gehen und das mit einem Projekt, das im Idealfall rasch zu einem Erfolg führt. Wo ich rasch Erfolg sehe, hat es funktioniert. Da ist man bereit für Neues. Zweitens rate ich, den Druck herauszunehmen. Beharrlichkeit ja. Druck nein. Unbedingt Statements einzuholen, die ein Ziel unterstützen. Möglichst viele Befürworter zu finden, denen der Arzt vertraut. Diese Sicherheit, einen Prozess zu starten, also kein Zeitlimit zu setzen, sondern trotzdem beharrlich diese Strategie zu verfolgen. Hilfe zur Selbsthilfe geben. Das, glaube ich, ist ein guter Weg. Ich glaube, noch mehr Partner zu werden und nicht einfach nur Medikamentenlieferant oder Studienlieferant zu sein, ist wichtig. Immer mit der Frage: Wie schaffen wir gemeinsam diesen spannenden Weg? Lob und Kompliment passen hier super rein. Wenn der Arzt oder die Ärztin etwas umgesetzt hat, dann sagen Sie ihm: „Finde ich cool. Sie waren der Erste oder die Erste, die das gemacht haben.“

Dr. Roman Szeliga & die 5 Erfolgsfragen
1.) Stehle ich dem Anderen Zeit oder schenke ich ihm Zeit mit meinem Besuch?
2.) Erfährt er oder sie wirklich etwas Neues, Emotionales, Lustvolles durch meinen Besuch?
3.) Würde ich mir selber wieder eine Chance geben, mit mir selber zu reden? Gibt es die Chance auf einen zweiten Besuch?
4.) Hinterlasse ich dort eine positive Stimmung oder eine negative Stimmung, weil ich etwas nicht leisten kann?
5.) Freue ich mich selbst auf ein neues Gespräch?

Health Relations: Das braucht Empathie. Die kann man nur schwer lernen und ohne Empathie funktioniert anscheinend auch der Humor nicht, oder?

Roman Szeliga: Das muss ich leider gestehen, wenn ich an dem anderen kein Interesse habe, wenn ich nicht wirklich will, dass wir uns verstehen, dann wird das ein künstliches, aufgesetztes Schema, das zum Scheitern verurteilt ist, bevor es begonnen wurde.

Health Relations: Man braucht die richtigen Leute.

Roman Szeliga: Sie brauchen die richtigen Leute und man muss sie auch dementsprechend schulen. Wenn ich meine Pharmareferenten schule, habe ich fünf Erfolgsfragen. Erstens: Stehle ich dem Anderen Zeit oder schenke ich ihm Zeit mit meinem Besuch. Zweitens: Erfährt er oder sie wirklich etwas Neues, Emotionales, Lustvolles durch meinen Besuch? Die dritte Frage ist: Würde ich mir selber wieder eine Chance geben, mit mir selber zu reden? Gibt es die Chance auf einen zweiten Besuch? Hinterlasse ich dort eine positive Stimmung oder eine negative Stimmung, weil ich etwas nicht leisten kann? Die letzte Frage lautet: Freue ich mich selbst auf ein neues Gespräch? Beziehungsmanagement ist das eine, die Beziehung einzusetzen, um neue Dinge zu verändern oder zu implementieren, das andere. Fakt ist: Dafür brauchen Sie Menschen, die das mehr oder weniger leben wollen und das Thema Beziehungsmanagement und Kommunikation anders denken.

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