Best Case: Kooperationen in der Pharmabranche

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Kooperationen sind in der Pharmaindustrie zunehmend fester Bestandteil der strategischen Ausrichtung. © fromdusttilldrawn
Mit der Kooperation von Propeller Health, Novartis und AOK Plus wurde zum ersten Mal ein digitales Gesundheitstool zusammen mit einem inhalativen Asthmamedikament verpackt und verschrieben. Ein Best Case für Kooperationen in der Pharmabranche.

 Kooperationen und Kollaborationen sind innerhalb der Pharmaindustrie zunehmend fester Bestandteil der strategischen Ausrichtung von Unternehmen.  Ein aktuelles Beispiel im großen Stil ist die Herz-Hirn-AllianzFührende Akteure des Gesundheitswesens – Fachgesellschaften, Patientenorganisationen und Industrievertreter wie Novartis Deutschland oder Novo Nordisk –  haben sich zu einem nationalen Bündnis zusammengeschlossen, um die Zahl der Herz-Kreislauf-Ereignisse bis 2030 um 30 Prozent zu senken. Ein ambitioniertes Ziel, das man, so die Überzeugung, nur erreichen kann, wenn man interdisziplinär zusammenarbeitet. Im Bereich Digital Health sind es die Kooperationen von Pharma-  und IT-Unternehmen, die das Thema voranbringen können. Jeder profitiert vom Know-how des anderen, um innovative Therapien zu entwickeln und auf dem Markt platzieren zu können. Die Kooperation von Novartis und Propeller Health ist ein gutes Beispiel dafür, wie das funktionieren kann.

Kooperationen in der Pharmabranche: stärkere Einbindung der Ärzteschaft in Therapiemanagement

Kooperationen in der Pharmabranche Stephan Dannler
Stephan Dannler, Market Access Franchise Manager bei Novartis, blickt auf einige Jahre Expertise im Indikationsgebiet Respiratory & Allergy
zurück. Er begleitete die Kooperation von Novartis mit der AOK PLUS bereits von Kinderschuhen an. © Novartis

Mit Enerzair® Breezehaler® brachte Novartis ein Präparat auf den Markt, das im Rahmen eines Versorgungsvertrages mit der AOK Plus erstmal zusammen mit einer dazugehörigen digitalen Therapiebeobachtung verschrieben werden kann. Möglich macht das die Kooperation mit dem Digital Health-Unternehmen Propeller Health, das einen Sensor nebst App für die Behandlung von Asthmaerkrankungen entwickelt hat. Konkret funktioniert das so:  Der Sensor ist in einem Aufsatz für den Asthma-Inhalator enthalten, er zeichnet die Medikamenteneinnahme auf und überträgt sie in die kostenlos erhältliche Propeller Health-App. Aus diesen Daten wird dann ein Therapietagebuch erstellt.  „In dem Projekt mit der AOK PLUS setzen wir auf eine stärkere Einbindung der Ärzt:innen in das Therapiemanagement. Das Projekt ermöglicht die automatische digitale Übertragung des monatlichen Therapieberichts der Patient:innen nach deren Zustimmung an behandelnde Ärzt:innen. Der Therapiebericht kann einen Einblick in das Asthma-Management des Patienten geben und als Grundlage
für das nächste Arzt-Patientengespräch dienen“, sagt Stephan Dannler, Market Access Franchise Manager bei Novartis. Er hat die Kooperation schon früh begleitet und bringt einige Jahre Expertise im Indikationsgebiet Respiratory & Allergy mit. „Bis zu 56 Prozent der inhalativ-therapierten Asthmapatient:innen bleiben unkontrolliert, was unter anderem auf eine mangelnde Therapietreue zurückzuführen ist.* Novartis als auch Propeller Health verfolgen das Ziel, Patienten:innen und Ärzt:innen bei einem datengestützten Therapiemanagement zu unterstützen, um die Therapie entsprechend zu verbessern.“

Pharmapartnerschaften sind unglaublich wichtig, aber auch langwierig

Der IT-Gesundheitsanbieter Propeller Health ist Teil des US-Unternehmens ResMed. Er ist seit einigen Jahren in Deutschland präsent und hat nach eigener Aussage an einer Reihe von klinischen Studien und Partnerschaften mit Pharma- und Biotechnologieunternehmen sowie Kostenträgern mitgewirkt. „Pharmapartnerschaften sind unglaublich wichtig. Wir sehen in Deutschland enorme Möglichkeiten für eine verstärkte landesweite Einführung von Digital Health„, heißt es aus der Unternehmenszentrale. Einziger Wermutstropfen: „Pharmaunternehmen sind große, komplexe Organisationen, die internationalen regulatorischen Rahmenbedingungen unterworfen sind – all das müssen wir berücksichtigen, wenn wir auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten. Wir wissen auch, dass die Pharmaindustrie oft nicht so schnell vorankommt wie kleinere Technologieunternehmen, was bedeutet, dass wir als Partner proaktiv handeln und uns darauf konzentrieren müssen, ihre Risiken zu mindern, während wir neue Erfahrungen schaffen und neue Produkte entwickeln, die letztendlich die Patienten erreichen.“

Der Weg zur Kooperation: Wer kann was leisten?

Dr. Ulf Maywald Geschäftsbereichsleiter Arzneimittel, AOK PLUS
© AOK Plus

Der Weg zu den Patient:innen führt in vielen Fällen über die behandelnden Ärzte. Die bisher an diesem Versorgungsangebot teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte sind in der Propeller Health-App hinterlegt. Die Teilnahme ist laut AOK Plus für alle interessierten Ärzte möglich, Patienten können aus dieser Liste ihren Arzt auswählen und diesem per elektronischem Arztbrief die Informationen aus der App zukommen lassen. Damit kann der Arzt die Behandlung kontrollieren und gegebenenfalls verbessern. Ein erfolgversprechender Weg, Digital Health voranzutreiben, so betonte Dr. Ulf Maywald Geschäftsbereichsleiter Arzneimittel, AOK PLUS, auf der Pharma 2022 vom Handelsblatt.  Zusammenarbeiten wie diese seien für die Krankenkasse gut umsetzbar, unter anderem auch, weil diese keinerlei Zugriffe auf Patientendaten hätte und somit der Datenschutz sichergestellt sei. Die Kooperation ist denn auch kein Zufall. Die AOK Plus, erläutert Stephan Dannler, hätte proaktiv ihr Interesse an einer Zusammenarbeit rund um den digitalen Therapiebegleiter bekundet. „Die Vereinbarung selbst wurde dann von Projektteams beider Parteien ausgearbeitet. Der Fokus lag hier weniger auf klassischen vertraglichen Inhalten, sondern deutlich stärker darauf, wie die verschiedenen Akteure und ihre Beiträge vertraglich abgebildet werden können.“ Mit der Zusammenarbeit sei man sehr zufrieden. „Aktuell arbeiten wir daran, dass die teilnehmenden Ärzt:innen besser erkennen können, welche Patient:innen von einem digitalen Therapiebegleiter profitieren können.“

Information und Kommunikation

Damit die Ärzteschaft überhaupt im Boot ist, muss sie informiert werden. Novartis setzt auf einen Kommunikations-Mix, das Unternehmen informiert sowohl über das Arzneimittel, als auch über die Möglichkeit, das Arzneimittel zusammen mit dem Sensor und der App
einzusetzen. „Wir haben hierzu Informationsmaterialien entwickelt, um die speziellen Vorteile der
Vereinbarung mit der AOK Plus und der Teilnahme durch Ärzt:innen im Sinne einer besseren
Patient:innen-Versorgung zu erklären. Auch die AOK Plus informiert mit ihren
Vertragspartnerberater:innen aktiv die Pneumologen in Sachsen und Thüringen über das
Versorgungsprogramm.“ Zusätzlich hätte man Informationsmaterialien erstellt, mit denen die behandelnden Ärzt:innen ihre Patienten informieren könnten. „Patientengerecht und so
einfach wie möglich erklärt.“ Es geht darum, Hürden abzubauen, vor allem bei der Ärzteschaft. „Um ihre Akzeptanz zu gewinnen, halten wir die Entscheidungsfreiheit für sehr wichtig und haben das
Projekt entsprechend so aufgesetzt, dass sowohl Ärzt:innen als auch Patient:innen sich aktiv für eine
Teilnahme entscheiden müssen. Darüber hinaus halten wir es für sinnvoll, dass wir vom Kleinen ins
Große skalieren und Ärzt:innen in kleineren Projekten die Möglichkeit geben, ihre Erfahrungen zu
sammeln und selbst zu entscheiden, inwieweit digitale Versorgung einen Mehrwert bieten kann.“

Stephan Dannler ist sich sicher: „Wir sehen in der Digitalisierung eine Chance, eine umfassende und personalisierte Patient:innen-Versorgung zu schaffen.“ Aber das ist kein Alleingänger. „Ein Learning ist sicherlich, dass für solche Projekte verschiedene Akteure an einen Tisch geholt werden müssen. Ohne die Kooperation mit der AOK PLUS, Propeller Health, IT-Dienstleister und Ärzt*innen wäre dieses Projekt wohl nie gestartet. Man sieht schon hier, dass Projekte interdisziplinär aufgesetzt werden müssen und die Unterstützung von verschiedenen Akteuren des Gesundheitssystems benötigt wird.“

* Quelle: Kondla et al., Respir Med, 2016; 118:58-64

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