Pharma und Start-up: So sehen Wege der Zusammenarbeit aus

659
Dr. Barbara Costa und Bojana Trajkovska vermitteln bei der EIT Health Germany zwischen Pharmaindustrie und Start-ups. © EIT Health Germany
Dr. Barbara Costa (links im Bild) und Bojana Trajkovska vermitteln bei der EIT Health Germany zwischen Pharmaindustrie und Start-ups. © EIT Health Germany
Start-ups gibt es viele. Aber wie finden Pharmaunternehmen den richtigen Partner für ihre Projekte? Selten über eine Kooperationsanfrage, die im Postfach des Unternehmens landet, weiß Dr. Barbara Costa, Business Creation Lead bei EIT Health Germany. Nicht nur bei der Suche, auch auf dem Weg in die Zusammenarbeit gibt es viele Stolpersteine.

Start-ups Meet Pharma“ ist eine Art Parship zwischen Pharmaindustrie und Start-ups. Seit drei Jahren bringt das Programm der EIT Health Germany potenzielle Partner in der Healthcare-Branche zusammen. 20 Kooperationen hat die Netzwerk-Initiative seitdem realisiert. Die Zufriedenheitsrate liegt – nach Unternehmensangaben – auf beiden Seiten bei 95 Prozent.

Trotz Passung finden Industrie und Start-up oft nicht zusammen

Aber warum braucht es überhaupt einen solchen Vermittler? In der Regel werden Pharmaunternehmen doch überschüttet mit Kooperationsanfragen von Firmengründern. „Gerade deswegen“, sagt Dr. Barbara Costa, Business Creation Lead der EIT Health Germany. „Denn dadurch wird es schwierig, alle Anfragen zu bearbeiten und die wenigen Start-ups herauszufiltern, die passen. Schließlich müssen die Projekte mit den Interessen und strategischen Prioritäten des Partners übereinstimmen.“

Häufig landen Anfragen junger Digitalunternehmen auch in der falschen Abteilung oder beim nicht-zuständigen Ansprechpartner. Ein anderes Mal mangelt es schlichtweg an einer guten Formulierung, so dass dem Pharmaunternehmen nicht klar wird, welches Wertschöpfungspotenzial dahintersteht.

Das kann auch andersherum passieren: Denn auch die Industrie muss ihre Erwartungen an potenzielle Partner verständlich nach außen kommunizieren. Ansonsten kann es sein, dass trotz perfektem Match Start-up und Unternehmen nicht zusammenfinden.

Hürden auf dem Weg zur Zusammenarbeit

Selbst dann, wenn ein erstes Interesse da ist, gibt es auf dem Weg zur Zusammenarbeit noch viele Stolpersteine. Die Arbeitsweise von Pharmaunternehmen und Start-ups unterscheidet sich immens, die Kommunikation ist oft schwierig. Ein Knackpunkt sind manchmal schon die konkreten Bedingungen der Zusammenarbeit. „Zum Beispiel, wenn es um die Unterzeichnung von Geheimhaltungsvereinbarungen geht und darum, Meilensteine festzulegen“, sagt Dr. Barbara Costa. „Für Start-ups mit wenig Erfahrung in der Kollaboration mit Pharmafirmen können auch Bedenken aufkommen, ob der eigene Erfolg auf der Strecke bleibt“, so die Projektleiterin weiter.

„Für Start-ups mit wenig Erfahrung in der Kollaboration mit Pharmafirmen können Bedenken aufkommen, ob der eigene Erfolg auf der Strecke bleibt.“

Hier kommt der Vermittler ins Spiel. Aufgrund der vielen Herausforderungen unterstützt die EIT Health Germany Pharmaunternehmen bei der Ausschreibung, Suche und Vorauswahl geeigneter Kandidaten. Das läuft in etwa so ab: Die Abteilung Innovation in den Pharmaunternehmen definiert die Anforderungen, die sie an die Zusammenarbeit haben. Wenn nötig, hilft das Start-ups-Meet-Pharma-Team  dabei. Dann läuft die Anfrage über das EIT Health Netzwerk. Mehr als 1.000 Start-ups in ganz Europa umfasst die Datenbank. Passt ein Kandidat, organisiert der Vermittler ein persönliches Treffen zwischen Industrie und Start-up. Beide Seiten können dadurch feststellen, ob sie nicht nur fachlich und strategisch, sondern auch betrieblich und menschlich zueinander passen.

Welche Pharma-Projekte werden vermittelt?

Das Ziel einer solchen Kooperation ist es, Lösungen für Patient:innen und Ärzt:innenn schneller und anwendungsorientierter auf den Markt zu bringen. Der Marktzugang kann dabei ebenfalls recht mühsam sein – selbst dann, wenn ein neues Produkt weit gereift ist. Häufig werden die Projekte daher von EIT Health Mentoren und Mentorinnen begleitet. Diese unterstützen bei den regulatorischen Schritten.

Die Projekte, um die es bei der Vermittlung geht, sind dabei ganz unterschiedlich. „Viele Unternehmen suchen einen Zugang zu neuen Technologien und Marktinformationen. Andere prüfen auch Möglichkeiten der Lizensierung, Übernahmen oder Investitionen“, erklärt Bojana Trajkovska, Projektmanagerin im Start-ups-Meet-Pharma-Team bei EIT Health Germany.

In einem aktuell laufenden Pilotprojekt stellt das Start-up etwa eine neue Technologie und das Pharmaunternehmen die nötigen Patientendaten zur Verfügung. Denkbar sei dabei auch immer die Verlängerung auf den europäischen Markt.

Pharma nutzt neue Technologien für die Patientenversorgung

Durch die zunehmende Digitalisierung ist der Bedarf einer Zusammenarbeit mit Start-ups stark gewachsen. „Pharmaunternehmen wollen die Vorteile nutzen“, so Dr. Barbara Costa. Hierzu zählen für die Projektverantwortliche eine verbesserte Patientenversorgung, Produktion und Arzneimittelentwicklung. Hinzu kommen eine größere Transparenz und Kosteneffizienz. Regulatorische Entwicklungen, wie das „DiGA-Fast-Track“-Verfahren, beschleunigen die Einführung technologiebasierten Therapieformen dabei zusätzlich.

Pharmaunternehmen setzen also verstärkt auf digitale Lösungen und wollen ihre „Beyond the Pill“-Angebote weiter ausbauen. „Hier geht es darum, unerfüllte Bedürfnisse der Patienten auf ihrem Behandlungsweg zu befriedigen, insbesondere in Phasen, in denen sie nicht engmaschig von Ärzten betreut werden“, sagt Dr. Barbara Costa. Möglichkeiten dazu bieten neue Technologien wie Virtual Reality, Künstliche Intelligenz (KI), Wearables oder IoT-Geräte.

„Der Gesundheitsmarkt wird eine massive Einführung von KI erleben.“

Auch, wenn EIT Health Germany sich in der Vermittlung nicht auf eine bestimmte Art von Technologie spezialisiert, so stellt das Unternehmen doch fest, dass viele Start-ups bereits KI und maschinelles Lernen in ihre Produkte integriert haben. „Heutzutage ist es möglich, riesige Datenmengen von Patienten zu sammeln. Durch Künstliche Intelligenz gelingt es, diese Daten auch zu berechnen und sinnvoll zu nutzen. Ich glaube, dass wir in naher Zukunft eine massive Einführung von KI im Gesundheitswesen erleben werden“, so Dr. Barbara Costa. Wenn diese aber in der Praxis Erfolg haben wollen, sei eine große Umsicht und fachmännische Unterstützung absolut notwendig.

Der perfekte Match zwischen Pharma und Start-up ist für Dr. Barbara Costa ein klarer Treiber von Innovation in der Branche. „Die Kollaboration hilft dabei, wesentlich schneller Lösungen auf den Markt zu bringen, die für das Leben der Patienten und Patientinnen von Bedeutung sind“, so die promovierte Krebsforscherin.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein