Novo Nordisk Dänemark: Public Private Partnerships & Digitalisierung

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Public Private Partnership
Tobias Gemmel, Novo Nordisk: "Die enge Zusammenarbeit zwischen Industrie und öffentlicher Hand in Form von Public Privat Partnerships ist in Dänemark seit langem etabliert." © Tatyana / Erick / adobe stock (Retusche)
Novo Nordisk kooperiert in Dänemark eng mit wissenschaftlichen Einrichtungen bei der Erforschung chronischer Krankheiten. Kann Deutschland vom dänischen Vorbild in Sachen Public Private Partnerships zwischen Gesundheitssektor und Pharmaunternehmen lernen?

Das Gesundheitswesen steht in vielen Ländern vor tiefgreifenden Veränderungen. In Dänemark geht die Regierung  die kommenden Herausforderungen mit gezielten Public Private Partnerships an. Das Unternehmen Novo Nordisk ist beispielsweise ein enger Partner bei der Erforschung verschiedener Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Adipositas und Bluthochdruck. Kann Deutschland  von diesen  Erfahrungen profitieren? Michaela Frank, Senior Communication Manager External Affairs  und Tobias Gemmel, Senior Director External Affairs bei Novo Nordisk Deutschland, geben Antworten.

Health Relations: Dänemark hat eine lange Tradition in Public Private Partnerships. Wie sieht das in Bezug  auf die Digitalisierung des Gesundheitswesens aus?

Tobias Gemmel ist Senior Director External Affairs, Novo Nordisk Deutschland © Novo Nordisk

Tobias Gemmel: Die enge Zusammenarbeit zwischen Industrie und öffentlicher Hand in Form von Public Privat Partnerships ist in Dänemark seit langem etabliert. Sie bringt Expertise aus beiden Bereichen zusammen und trägt so dazu bei, die Versorgungsqualität der dänischen Bevölkerung stetig zu verbessern. Die Public Private Partnerships gehen in Dänemark Hand in Hand mit einem weiteren Entwicklungsbereich, den das Königreich seit nunmehr zwanzig Jahren ebenfalls strategisch vorantreibt, dem der Digitalisierung. Wie diese beiden Bereiche im Gesundheitswesen zielführend miteinander verknüpft werden können, hat die Corona-Krise jüngst sehr deutlich gezeigt. Public Private Partnerships zwischen dem Pharmaunternehmen Novo Nordisk, dem Testspezialisten PentaBase und lokalen Krankenhäusern haben es zu Beginn der Pandemie ermöglicht, Dänemarks COVID-19-Testkapazitäten in kurzer Zeit um 100 Prozent zu erhöhen. Gleichzeitig hat der bereits sehr hohe Digitalisierungsstandard und die entsprechend vorhandene digitale Infrastruktur sowohl die Test- als auch die Impfkampagne enorm erleichtert.

Health Relations: Wie müssen solche Partnerships ausgestaltet sein, damit sowohl die Allgemeinheit als auch das Pharmaunternehmen profitieren?

Tobias Gemmel: Ich würde in dem Kontext nicht von Profit sprechen wollen, zumindest nicht im monetären Sinne. Vielmehr geht es bei Public Privat Partnerships ja darum, zielgerichtete Netzwerk- und Infrastrukturen zu schaffen, um gemeinsam – d.h. öffentliche Hand und Privatwirtschaft – bestmögliche Lösungen für bestimmte Herausforderungsbereiche zu entwickeln, wie es eine Pandemie mit Sicherheit einer ist. Aber auch Diabetes nimmt weltweit epidemische Ausmaße an, die ein kollektives Handeln erfordern. Das neue „Steno Diabetes Center Copenhagen“ geht hier mit bestem Beispiel voran: Als Public Private Partnership zwischen der Hauptstadtregion Kopenhagen und der Novo Nordisk Stiftung wurde in den letzten fünf Jahren ein interdisziplinäres und intersektorales Versorgungszentrum geschaffen, das in einziger Art und Weise Lehre, Forschung, Behandlung und Prävention miteinander verknüpft und so dazu beiträgt, die Qualität der Diabetesbehandlung stetig weiter zu verbessern. Gleichzeitig ermöglicht es den Patient:innen eine ganzheitliche Versorgung auf höchstem Niveau, wissenschaftlicher Erkenntnis und verlässlicher digitaler Standards. Wir als Unternehmen gehören der Novo Nordisk Stiftung und sind daher in besonderem Maße deren Zielen verpflichtet, die auch uns als Unternehmen die Richtung weisen: Wir möchten das Leben der Menschen mit chronischen Erkrankungen verbessern und einen nachhaltigen Beitrag zum Gemeinwohl leisten.

„Wir sollten – wie es uns unsere nordischen Nachbarn vormachen – mehr Mut zeigen, ausprobieren und dann im weiteren Verlauf gegebenenfalls anpassen und modifizieren.“

Health Relations: Natürlich kann man nicht alles 1:1 übertragen, aber was kann Deutschland vom dänischen Vorbild lernen?

Michaela Frank ist Senior Communication Manager bei Novo Nordisk Deutschland. © Novo Nordisk

Michaela Frank: Unser Mutterkonzern ist dänisch. Das bringt es automatisch mit sich, dass wir in unserem alltäglichen Tun und Handeln als deutsches Unternehmen stark von der skandinavischen Arbeits- und Lebenskultur geprägt werden. Wir erleben unser Herkunftsland als sehr innovationsfreudig und -kräftig, dabei gleichzeitig sehr willens- und umsetzungsstark mit klaren strategischen Plänen. In Sachen Digitalisierung, die Dänemark seit zwei Jahrzehnten konsequent vorantreibt, nimmt Dänemark eine Vorreiterrolle ein. Genauso wie bei der erfolgreichen Umsetzung einer nationalen Diabetesstrategie, die in Deutschland hingegen leider immer noch stagniert. Die ausgeprägte Kultur der Private Public Partnerships in Dänemark bildet ein starkes Fundament, auf dem ausgeprägte Innovationsfreude und Umsetzungsstärke effizient aufsetzen können.

Tobias Gemmel: Wir Deutschen neigen unbestritten dazu, immer alles perfekt machen zu wollen. Der Bürokratisierungsapparat bildet dafür den perfekten Nährboden – und lähmt uns gleichzeitig enorm. Ein  aktuelles Beispiel: Kurzfristig wurde die lang diskutierte Einführung der elektronischen Gesundheitsakte bis auf Weiteres verschoben. Wir sollten – wie es uns unsere nordischen Nachbarn vormachen – mehr Mut zeigen, ausprobieren und dann im weiteren Verlauf gegebenenfalls anpassen und modifizieren. Gerade in sehr schnelllebigen Bereichen wie der Digitalisierung abzuwarten, ist fatal. Da ist der Zug sehr schnell abgefahren bzw. man hinkt immer hinterher. Der neue Koalitionsvertrag steht unter der Überschrift „Mehr Fortschritt und Modernisierung wagen“ und gibt damit genau die Richtung und die Attitüde vor, die in Dänemark in Sachen Innovation schon lange verankert sind. Nehmen wir uns ein Beispiel daran – dann bleibt es nicht nur bei einem Lippenbekenntnis.

„Für die Zukunft wünschen wir uns seitens der Beteiligten im Gesundheitssystem mehr Offenheit und Akzeptanz gegenüber pharmazeutischen Unternehmen.“

Health Relations: Welche Form von Kooperation könnten Sie sich für Deutschland vorstellen?

Michaela Frank: Mit „Cities Changing Diabetes“, unserem globalen Partnerschaftsprogramm für gesündere Lebensbedingungen in Städten und Vorbeugung von Übergewicht und Diabetes, gehen wir in Deutschland bereits mit gutem Beispiel voran. Es basiert auf dem Prinzip der Public Private Partnerships. Gerade primäre und sekundäre Prävention erfordern eine sektorenübergreifende und interdisziplinäre Zusammenarbeit, u.a. zwischen Unternehmen, Leistungserbringern und insbesondere auch Kommunen. Um Übergewicht und Diabetes wirkungsvoll vorzubeugen und die ansteigende Prävalenz-Kurve effektiv zu senken, müssen alle Beteiligten, und das ist entscheidend, im kommunalen Setting an einem Strang ziehen. Nur wenn man Vor-Ort in den Kommunen zielgruppengerechte präventive Maßnahmen anbietet, können gefährdete Menschen erreicht und ein positiver Effekt erzielt werden. Für die Zukunft wünschen wir uns seitens der Beteiligten im Gesundheitssystem mehr Offenheit und Akzeptanz gegenüber pharmazeutischen Unternehmen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Unternehmen, wie z. B. Novo Nordisk durch seine Stiftungszugehörigkeit, ihr Handeln auch am Gemeinwohl orientieren. Ich denke, „Cities Changing Diabetes“ kann als Blaupause für eine erfolgreiche Zusammenarbeit der unterschiedlichen Player im Gesundheitswesen dienen.

Health Relations: Gibt es weitere Koopmerationsformen, die infrage kommen?

Michaela Frank: Kollaboration und Knowledge-Sharing können auch auf anderen Ebenen passieren, und auch hier lohnt sich der Blick auf unser skandinavisches Nachbarland und ein weiteres Beispiel eines gelungenen Public Private Partnerships: Mit dem 2017 fertiggestellten „Maersk Tower“ hat eine der weltweit größten Reedereien der Stadt Kopenhagen bzw. der dortigen Universität einen großartigen Bau für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt. In dem ultra-modernen Gebäudekomplex sind einige der weltweit führenden Forschungsgruppen im Bereich der Gesundheits- und Medizinwissenschaften angesiedelt, neben Teilbereichen der „Faculty of Health and Medical Sciences“ der Universität Kopenhagen u.a. auch das „Novo Nordisk Foundation Center for Basic Metabolic Research“. Die gemeinsame Nutzung von Räumlichkeiten, sogar von Laboren, und der offene Übergang zwischen den einzelnen Stockwerken bricht mit den traditionellen Strukturen und ermöglicht so neue synergistische Formen der Kooperation und Kollaboration. Dies könnte evtl. auch eine Inspiration für den geplanten Biotechnik-Park sein, der aktuell an unserem deutschen Unternehmensstandort in Mainz diskutiert wird.

„Es ist wichtig, verantwortungsbewusst mit diesem vorsichtig positiven Image unserer Branche umgehen. Wir dürfen es nicht als ‚das neue Normal‘  hinnehmen, sondern müssen verstehen, dass es ein fragiles Konstrukt ist“

Health Relations: Sie sprachen es zuvor an: Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig es ist, dass Akteure aus dem Gesundheitswesen gut zusammenarbeiten. Vor allem Pharmaunternehmen haben durch gezielte Kooperationen die Impfstoffentwicklung vorangebracht. Was ist Ihre Einschätzung, wie werden sich Kooperationen im Pharmabereich weiterentwickeln?

Tobias Gemmel: Gerade im Biotechnologie-Bereich werden Kooperationen künftig nicht mehr wegzudenken sein – Big Pharma meets highly specialized start-ups. Die Kooperation zwischen Biontech und Pfizer bei der rasanten Impfstoffherstellung gegen COVID-19 ist nur ein aktuelles Beispiel und wird eine Vorreiterrolle spielen für die zukünftige Zusammenarbeit zwischen „Big Pharma“ und biotechnologischen Start-up-Unternehmen. Wettbewerbsdenken tritt hierbei in den Hintergrund zugunsten von Synergien und optimalen Ergebnissen für die Patient:innen weltweit. Auch hier ist Dänemark vorn. Eine ausgewiesene „Life Science Strategie“ baut auf einem etablierten Life Science-Ökosystem auf und verfolgt das Ziel, Dänemarks Potenzial in diesem Bereich weiter zu stärken. Die COVID-19-Krise hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig starke, effiziente und vertrauensvolle Public Private Partnerships im Life Science und Gesundheitsbereich sind.  Davon profitieren die Menschen im Land, aber nicht zuletzt auch der Gesellschaft als solche, die Unternehmen und die dänische Wirtschaft.

In Deutschland von einem solchen Ökosystem zu sprechen, wäre sicherlich etwas vermessen. Nichtsdestotrotz hat die Pandemie auch hierzulande die Wirtschaft ohne Frage stark angekurbelt. Nach Angaben des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) wird der Umsatz der Branche im kommenden Jahr um acht, die Produktion um gut drei Prozent wachsen. Die Pharmabranche ist ein maßgeblicher Faktor für das deutsche Wirtschaftswachstum. Damit der Pharmastandort Deutschland aber wettbewerbsfähig bleibt, muss in Sachen Bürokratieabbau, Digitalisierung und klinische Forschung noch Einiges passieren.

Health Relations: Glauben Sie, dass die Öffentlichkeit nun auch ein anderes Bild von der Pharmaindustrie hat?

Michaela Frank: Ich denke, die Corona-Krise und die Leistungen der Pharmaindustrie haben dazu geführt, dass die Öffentlichkeit ein positiveres Bild von unserer Branche hat als noch vor drei Jahren. Aber wir wissen aus der Vergangenheit: So schnell wie es sich ins Positive gekehrt hat, kann es sich auch wieder ins Gegenteil kehren. Eine negative Grundeinstellung und Skepsis gegenüber Big Pharma werden weiter existieren und können das Positive und auch die guten Absichten und Taten unserer Branche schnell in den Schatten stellen. Das Spannungsfeld „Geldverdienen mit Erkrankungen“ wird weiterbestehen. Schon ein kleiner Skandal kann hier in kurzer Zeit Vieles ins Wanken bringen.

Deshalb ist es umso wichtiger, verantwortungsbewusst mit diesem vorsichtig positiven Image unserer Branche umzugehen. Wir dürfen es nicht als „das neue Normal“  hinnehmen, sondern müssen verstehen, dass es ein fragiles Konstrukt ist, d.h. noch mehr als ohnehin schon wachsam, vorausschauend und bedacht agieren, gleichzeitig aber auch genau hinschauen. Denn COVID-19 hat eine ganze Reihe an Themen und Diskussionen in den Vordergrund gerückt, die ein enormes Potenzial haben, sich auf die Reputation auszuwirken – in die eine oder andere Richtung. Umso mehr ist es wichtig, dass wir glaubwürdig und vor allem nachhaltig zeigen und beweisen, dass wir unsere soziale und auch ökologische Verantwortung sehr ernst nehmen – über die aktuelle Krise hinaus. Daran werden wir als Unternehmen und Branche gemessen.

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