Cannabis-Therapie: Das plant WEFRA LIFE mit der Plattform MediCade

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Fabian Moritz war dreieinhalb Jahre CFO und Geschäftsführer bei der WEFRA LIFE und ist aktuell COO bei der europäischen Netzwerk-Agentur-Gruppe MYTY. © MYTY
WEFRA Life gründet mit Partnern MediCade, eine Plattform für die medizinische Cannabis-Therapie. Was versprechen sich die Beteiligten davon? Mitgründer Niklas Kurz und Fabian Moritz über Kollaboration und die Rolle der Agentur als Healthcare Experience Designer.

Der Markt für medizinisches Cannabis wächst. Das gilt auch für den Informationsbedarf aller Beteiligten, sind sich WEFRA LIFE-COO Niklas Kurz und MYTY-COO Fabian Moritz sicher.  Die Plattform MediCade soll auch das ändern. Seit 2019 arbeiten die beiden an einem evidenzbasierten Ökosystem mit Fokus auf medizinisches Cannabis. Mit dem klassichen Agenturgeschäft hat das alles wenig zu tun, das gibt auch Niklas Kurz zu. Wo aber liegt für ihn der Mehrwert?


In diesem Interview lesen Sie:

  • Was eine Plattform für medizinische Cannabistherapien und eine öffentliche Spielehalle für Videogames gemeinsam haben
  • Wie der aktuelle Stand von MediCade ist
  • Was genau aus Sicht der Gründer das Neue an MediCade ist
  • Was genau Healthcare Experience Design mein –  und wie dieser Begriff das Verhältnis von Pharmaunternehmen und Agenturen ändern kann
  • Warum sich WEFRA LIFE ausgerechnet im Bereich medizinische Cannabis-Therapie engagiert
  • Was genau der Benefit für WEFRA LIFE ist
  • Wer am Ende wie Geld mit der Plattform verdienen kann

Health Relations: MediCade. Fangen wir mit dem Namen an. Wofür steht er?

Fabian Moritz: Der Name ist zusammengesetzt aus Medikament oder englisch medication und den Buchstaben ADE. Sie weisen auf den englischen Begriff Arcade hin. Er kommt aus dem Videospielbereich und soll dafür stehen, dass wir die besten technologischen Lösungen im medizinischen Bereich mit Fokus auf medizinische Cannabis-Therapie in einem Ökosystem zusammenführen möchten. So wie die besten Videospiele in einer Arcade (Arcade-Spiel ist eine Bezeichnung für Videospiele. Die Bezeichnung kommt von den öffentlichen Spielhallen in den USA, die Penny Arcades genannt werden. Anm. der Redaktion).

Was ist MediCade?
MediCade ist eine digitale Plattform für medizinische Cannabis-Therapien. Sie soll eine Anlaufstelle für alle involvierten Stakeholder auf dem Markt sein. Das sind Patient:innen, Ärzt:innen, Apotheken, Pharma- und Gesundheitsunternehmen, medizinische Großhandelsunternehmen, Krankenversicherungen sowie Forschende und Regulierungsbehörden. Das Ziel ist es, eine personalisierte Behandlung für Patient:innen zu ermöglichen. Die Plattform ist ein Angebot der Cannabis Systems GmbH, die zur WEFRA Life Gruppe gehört. Erster Partner für den hiesigen Markt ist Sadé Biotech aus Israel, parallel hat WEFRA Life einen medizinischen Beirat unter der Leitung von Prof. Dr. med. Volker Limmroth gegründet, der die Qualität der Information gewährleisten soll. 

Health Relations: Wie ist denn der Stand bei MediCade? Was hat sich seit der Pressemitteilung Ende Januar 2023 getan?

Fabian Moritz: Grundlegend haben wir viele weitere Gespräche mit sehr interessierten Investoren geführt. Wir haben uns aber noch nicht final entschieden, mit wem jetzt die Reise weitergehen wird. Aber das Feedback ist extrem positiv.

„MediCade hat als Geschäftsmodell erst einmal überhaupt nichts mit dem Agenturbusiness zu tun. Für uns ist es aber trotzdem eines, das wir pushen und weiterentwickeln möchten.“

Niklas Kurz ist neuer COO bei WEFRA LIFE. © privat
Niklas Kurz ist Geschäftsführer von MediCade und COO bei WEFRA LIFE. Er verantwortet neben der Marketingstrategie die Entwicklung zukunftsfähiger Geschäftsideen. © privat

Niklas Kurz: Derzeit bauen wir zudem aktiv die Marke auf. MediCade ist auch für unsere Agentur-Positionierung sehr wichtig. Wir sind eine Healthcare-Agentur durch und durch, die die Themen Gesundheit, Pharma und Healthcare bearbeiten und mitgestalten will. MediCade hat als Geschäftsmodell erst einmal überhaupt nichts mit dem Agenturbusiness zu tun. Für uns ist es aber trotzdem eines, das wir pushen und weiterentwickeln möchten. Am Anfang haben wir als WEFRA LIFE MediCade in den Markt hinein kommuniziert. Jetzt arbeiten wir aktiv daran, Medicade als eigenen Absender aufzusetzen. Wir bauen quasi auch unsere Kommunikationsstrategie stetig weiter aus und boarden jetzt auch die Ökosystem-Partner sowie unsere wissenschaftlichen Beiratsmitglieder, die wir schon akquiriert haben. Aktuell definieren wir die konkrete Finanzierung, um dann auch das Produkt mit unserem Partner Sadé Biotech aus Israel für den Markt zu adaptieren.

Health Relations: Zum Produkt selber: MediCade ist ein disruptives Ökosystem, das mithilfe von Healthcare Experience Design die optimale Cannabis Therapie für Patient:innen in Deutschland ermöglichen will. Was ist disruptiv an diesem Ökosystem, was ist ein Healthcare Experience Design und was hat das miteinander zu tun?

Fabian Moritz: Disruptiv ist es, weil wir etwas schaffen, was es bisher nicht gibt und was gebraucht wird. Bei unserer Recherche haben wir festgestellt, dass gerade in der Behandlung mit medizinischem Cannabis fast jede und jeder Patient:in unterschiedlich auf die Therapie reagiert, er oder sie braucht sehr viel medizinische Betreuung. Das gibt es in der Form – technologisch unterstützt – in Deutschland noch nicht, aber nur so haben die Ärzt:innen die Chance, diesen Aufwand zu leisten. Sadé Biotech, unser Partner in Israel, hat es geschafft, mit einer technologischen Lösung, einer Web Applikation, zwischen dem HCP und dem Patienten oder der Patientin eine immer verfügbare Brücke zu bauen. Nicht zuletzt auch mit einer 24-Stunden-Hotline, bei der die Patient:innen rund um die Uhr Hilfe und Antworten auf Fragen finden, also durchgehend betreut werden können. Das ist in unseren Augen disruptiv.

„Aktuell brechen 80 Prozent der Patient:innen ihre Cannabis-Therapie nach sechs Wochen ab, weil sie over- oder underdosed sind und nicht die nötige Betreuung und Austausch mit ihrem HCP haben.“

Niklas Kurz: Healthcare Experience Design meint eben auch, dass wir das Thema ganzheitlich angreifen und Lösungen für das perfekte Gesundheitserlebnis schaffen wollen. Denn wir sind uns sehr bewusst: Wir sind kein Pharmaunternehmen, wir sind kein Cannabis-Importeur, wir sind auch keine Cannabis-Apotheke und wir sind auch keine Krankenkasse, sondern ein neutraler Player. Und wir möchten in dieser Rolle mit all diesen verschiedenen Stakeholdern, die in einer Cannabis-Therapie wichtig sind, zusammenarbeiten. Das ist ein ganz neuer Ansatz, der helfen kann, die Therapieergebnisse zu verbessern. Aktuell brechen 80 Prozent der Patient:innen ihre Cannabis-Therapie nach sechs Wochen ab, weil sie over- oder underdosed sind und nicht die nötige Betreuung und Austausch mit ihrem HCP haben. Das ist auch in der mangelhaften Ansprache der Patient:innen und dem zu geringen Wissensstand bei einigen HCPs begründet. Das Ziel muss sein, die beste therapeutische Experience für den Patienten, die Patientin zu gewährleisten, die individuell für ihn oder sie funktioniert.

Health Relations: Sie sagen, es sollen am Ende alle Stakeholder im Markt profitieren. Sie haben alle in Teilen unterschiedliche Ansprüche und Bedürfnisse an einer technologischen oder therapeutischen Lösung. Wie soll das funktionieren?

Fabian Moritz: Das ist nicht einfach. Deswegen hat das bisher auch niemand so in der Form gemacht. Hinzu kommt das Thema Vertrauen. Alle Parteien, mit denen wir gesprochen haben, waren sich einig, dass es gerade in Bezug auf den Status quo von medizinischem Cannabis doch einiges braucht, um auch Vertrauen zu schaffen. Das ist ein wichtiger Punkt: trust environment, also eine vertrauensvolle Umgebung zu schaffen, einen Ort im Netz, wo man sich der Informationen, die man bekommt, auch sicher sein kann.

Niklas Kurz: Darüber hinaus muss jeder Stakeholder das in dem Ökosystem vorfinden, was er oder sie wirklich braucht. Wir müssen die Needs treffen. Das wissenschaftliche Umfeld benötigt medizinische Informationen und Grundlagen für Forschungen. Pharmaunternehmen möchten den Patientinnen und Patienten Therapiemöglichkeit bieten. Durch die Plattform kann natürlich ein Market Access geschaffen werden. Für die Apothekerinnen und Apotheker ist die Erstattungsfähigkeit ein Thema. Das Einreichen von Cannabinoid-Rezepten bei der jeweiligen Kasse ist aufwendig, das ist ein Haupt-Pain für sie. Die politischen Player, mit denen wir gesprochen haben, möchten vor allem einen regulierten Markt mit einem System, das sie selber verstehen können. Dadurch, dass wir quasi von End-to-End dieses Thema betrachten möchten, also von der Herstellung eines Cannabinoid- Präparats bis zum Patienten oder der Patientin, können wir größtmögliche Transparenz bieten. Das ist der Plan. Fertig ist das alles noch nicht, wir sind ein Start-up und arbeiten seit drei Jahren an dieser Lösung. Wir glauben aber, dass wir allen Stakeholdern das bieten können, was sie brauchen.

Health Relations: Und diese geben Ihnen, was Sie brauchen für Ihre Plattform. Denn der Content und das medizinische Know-how muss ja auch geliefert werden. Das heißt, sie verschmelzen das bestehende Know-how und stellen dann den jeweiligen Partner:innen den Teil dessen, was sie interessiert, zur Verfügung. Das ist sozusagen der Deal des Ganzen.

Niklas Kurz: Ja, das ist genau die Idee. Wir schaffen vertrauenswürdige Informationen in einem technologisch optimalen Umfeld.

„Die ursprüngliche Idee, die wir 2019 generierten, kam aus einem Kunden-Pitch.“

Health Relations: Warum haben Sie sich so ein schwieriges Feld ausgesucht? Im Bereich personalisierte Medizin und Künstliche Intelligenz kann man sicher auch andere Indikationen oder therapeutische Gebiete fokussieren.

Fabian Moritz: Für mich ist medizinisches Cannabis so interessant, weil es so kontrovers diskutiert wird. Es ist in aller Munde, irgendwie aber auch schräg in aller Munde. Viele setzen es gleich mit Legalisierung und Freizeitgebrauch. Seit 2017 die Entscheidung kam, dass die Cannabis-Therapie grundsätzlich erstattungsfähig ist, befinden wir uns immer noch in einem Graubereich. Wie kann das eigentlich angehen? Das zu lösen, das war der Trigger für mich.

Niklas Kurz: Es ist immer noch ein Markt, wo einfach viel Dynamik herrscht, wo ganz viele neue Player reinkommen, die eben nicht klassische Big Pharma-Player sind. Wo einfach noch ganz viel verschiedene Möglichkeiten vorhanden sind, als junges Start-up groß zu werden. Die ursprüngliche Idee, die wir 2019 generierten, kam aus einem Kunden-Pitch. Der Kunde wollte einen Content- und Vertriebskanal. Wir empfahlen ihm, das ganzheitlich zu denken. Das war ihm eine Nummer zu groß. Dann sagten wir uns: OK, wir bauen das jetzt selber. Das ist für uns tatsächlich auch eine Chance, weil wir eben kein Big Pharma sind und keine großen Research Development-Abteilungen haben. Aber was wir gerne machen möchten und können, ist, zu kooperieren und mit Partnern und Partnerinnen zusammenzuarbeiten.

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Health Relations: Sie haben es ja schon angedeutet, aber ganz konkret: Wo liegt für Sie der Benefit?

Niklas Kurz: Für WEFRA LIFE war es ganz wichtig zu zeigen, dass wir überhaupt so denken können. Wir hatten 2019 das Ziel, uns mehr beratend mit unseren Kunden positionieren zu wollen. Da kam dieses Projekt uns gelegen. Wir haben das zum Beispiel auch genutzt, um für uns außergewöhnliche Kooperationen einzugehen. Wir sind mit mehreren Consulting-Firmen zusammengekommen und haben Gespräche geführt in Richtung von strategischen Partnerschaften, die wir gerne aufbauen möchten mit der Frage: Macht das Sinn? Wie können wir unsere Wahrnehmung eigentlich noch mal bearbeiten und in eine Richtung drehen, wo wir uns selbst schon viel mehr gesehen haben? Nämlich: Wir verstehen den Markt, wir können Impulse geben, und zwar bevor vielleicht Produkte entstehen oder Märkte angegangen werden.

„Wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten drei bis sechs Monaten dieses Thema für uns soweit abgeschlossen haben.“

Fabian Moritz: Daraus hervorgegangen ist unser WEFRA LIFE Innovation Hub, mit dem wir heute auch andere Projekte wie MediCade vorantreiben.

Health Relations: Wie ist denn die weitere zeitliche Planung für MediCade?

Niklas Kurz: Grundsätzlich ist es so, dass wir aktuell zwei weitere Partner und Partnerinnen suchen. Auf der einen Seite einen Equity-Partner, der bereit ist, mit uns zu investieren. Der zweite Partner ist ein strategischer Partner, der mit uns das Produkt weiterentwickeln möchte.

Fabian Moritz: Wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten drei bis sechs Monaten dieses Thema für uns soweit abgeschlossen haben. Wenn wir dann auf die Roadmap schauen, müssten wir in der Lage sein, in rund einem Jahr ein Produkt am Markt präsentieren zu können.

Health Relations: Wie ist das Geschäftsmodell dahinter? Wie werden Sie am Ende Geld verdienen?

Niklas Kurz: Für uns als Agentur ist das erst einmal nur ein Beteiligungsthema. Wir wollen die Idee pushen. Die Kommerzialisierungsmöglichkeiten aber sind vielfältig. Das könnten Lizenzmodelle sein, das könnten Mitgliedsmodellen sein. Das könnten Möglichkeiten im  Mikrotransaktionsbereich sein. Das könnte eine Kassenersatzfähigkeit sein. Aber all das ist noch nicht finit. Ehrlich gesagt, ich glaube auch, dass das Founder-Team Gestaltungsfreiheit und Möglichkeiten braucht, das zu kreieren. Wir sind gerne Impulsgeber in diesem Prozess. Wir haben das Projekt aber nicht gemacht, um an diesem Punkt einen Return of Invest zu bekommen.

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