Digital Health: Studie prognostiziert radikales Wachstum bis 2025

3215
rakete_wachstum_markt
© Anna / Adobe Stock
Die Studie „Future of Health“ prognostiziert dem deutschen Digital Health-Markt ein Wachstum auf 38 Mrd. Euro – und das schon bis 2025. Was sagen Branchenvertreter dazu?

Das Gesundheitssystem in Europa ändert sich radikal. Und das bereits in den kommenden sechs Jahren, so die Roland-Berger-Studie Future of Health. Treibender Faktor ist die Digitalisierung, die den Gesundheitsmarkt erfasst. Alleine in Deutschland soll die Digital Health-Sparte auf bis zu 38 Mrd. Euro wachsen.

Im internationalen Vergleich sind die USA und China derzeit führend beim Stand der  Digitalisierung des Gesundheitswesens und der Innovation. Basis dieser Aussage ist die Anzahl der Unicorns, also die Anzahl der Start-ups in Healthcare mit einer Bewertung über 1 Mrd. USD.

Warum ist diese Erkenntnis wichtig? Weil die USA und China bereits in anderen Hightech-Branchen dominierend sind. Experten vermuten daher, dass sich dieses auch auf den Healthcare-Bereich übertragen lässt. Heißt:  Der Druck kommt von außen, China und die USA treiben die Digitalisierung voran. Denn der Markt gilt als heiß.  Laut Studie ist Digital Health ein Riesenwachstumsmarkt.

Changemaker sind die Technologien, die die Digitalisierung disruptiv vorantreiben. So gehen die befragten Fachleute beispielsweise davon aus, dass im Jahr 2025 in 30 % der Fälle individualisierte Therapien zum Einsatz kommen. Noch ein Beispiel: Digitale Zwillinge werden in 40 % der Fälle genutzt, um Therapien zu simulieren, bevor sie bei Patienten zum Einsatz kommen. Zu den größten Veränderungen aber wird laut Umfrage die Künstliche Intelligenz (KI) führen. Sie wird vor allem in der Diagnose, Überwachung und Prävention eine  Rolle spielen, 20 Prozent der ärztlichen Leistungen könnten durch KI ersetzt werden, so die Experten.

„Die Bedeutung von Real-World-Data wird sicher wachsen. Das gilt für die Entwicklung neuer Arzneimittel wie für die Zulassung und Erstattung.“

61 % der befragten Experten glauben, dass Tech-Konzerne 2025 integraler Bestandteil des Gesundheitssystems sein werden. Branchenfremde Unternehmen wie Amazon oder Google drängen auf den  Healthcare-Markt. Das sorgt für zusätzlichen Druck und Konkurrenz, aber auch für einen Anstieg der Kooperationen. Denn der Einstieg in die Branche führt über die Zusammenarbeit mit den etablierten Playern. Pharma-Unternehmen entwickeln sich vor diesem Hintergrund vom Arzneimittelhersteller zum Netzwerker, die Datenpartnerschaft im Bereich Diagnostik und Therapie initiieren.

Neue Rolle für Pharmaindustrie: Netzwerker

Dass Deutschland in Sachen Digitalisierung hinterherhinkt, ist kein Geheimnis. Erst Anfang November betonte Han Steutel, Präsident des vfa, dass Deutschland Nachholbedarf gegenüber Ländern wie Schweden, Großbritannien oder Australien hätte. „Weitere Verzögerungen stehen einer Verbesserung der Patientenversorgung im Weg und schaden dem Forschungsstandort“, so Steutel. Dennoch: Vor allem die großen Player haben das Potenzial von Digital Health längst erkannt und handeln. Sie setzen auf Kooperationen oder gründen Digital Hubs, um Start-ups zu fördern und für sie passende Partnerschaften zu generieren.

Pharmariesen wie Roche oder Bayer entwickeln Apps, die die Therapie begleiten oder präventiv arbeiten. „Meine Erwartung ist, dass sich große, etablierte Konzerne an interessanten Start-ups entweder beteiligen oder langfristig deren Angebote sogar übernehmen“, sagt Robert Kocher, Co-Founder der unabhängigen eHealth -Plattfom  Care for Cancer. „Konzerne wie Amazon oder Google haben in dieser Hinsicht ganz andere Möglichkeiten. Inwiefern Verbraucher und Datenschutz da mitspielen, kann man jetzt noch nicht einschätzen. Es wird jedenfalls sehr spannend.“

Mehr Beweislast durch Real-World-Data

Für die Pharmaindustrie ist die Digitalisierung laut Studie mit einer noch stärkeren Beweislast verbunden. So erwarten 40 Prozent der Befragten, dass die Wirkung von Medikamenten in großem oder sehr großem Umfang mithilfe künstlicher Intelligenz überwacht wird und dass Medikamentenpreise künftig stark oder sehr stark von der tatsächlich gemessenen Wirksamkeit abhängen werden. Somit steigt auch die Bedeutung von Real-World-Data, der Verwendung von Anwendungsdaten zur medizinischen Nutzenbewertung. Dr. Markus Frick,  Geschäftsführer Markt und Erstattung des vfa, stimmt dieser These zu.  „Die Bedeutung von Real-World-Data wird sicher wachsen. Das gilt für die Entwicklung neuer Arzneimittel wie für die Zulassung und Erstattung. Der Verfügbarkeit der Real-World-Daten wird deshalb große Bedeutung zukommen.“

„Nicht nur die Anwender, sondern auch die Ärzte wollen überzeugt werden.“

Der Datenschutz und die Gewinnung von Daten – große Herausforderungen speziell für Deutschland und im Zuge des Digitalen Versorgungsgesetzes aktueller denn je. Die in der Studie befragten Experten prognostizieren dennoch ein radikales Wachstum für den eHealth Markt. Der Hamburger Start-up-Gründer Robert Kocher teilt diese Einschätzung ebenso wie die, dass KI einen großen Anteil an dieser Entwicklung haben wird. Er sagt aber auch: „Bei allen anderen neuen Services bin ich eher vorsichtig, da zu einem interessanten Angebot nicht nur die Anwender, sondern auch die Ärzte überzeugt werden wollen.“


Studie: Future of Health

  • Die Studie basiert auf einer internationalen Umfrage
  • 400 Experten des Gesundheitswesens schätzen die Entwicklung der Digitalisierung der Branche ein
  • Befragt wurden relevante Stakeholder-Gruppen entlang der Behandlungskette: Patienten, Ärzte, Verantwortliche aus Kliniken, privaten und gesetzlichen Krankenversicherungen, Pharmaindustrie und Medizintechnik
  • Der Großteil der Befragten stammte aus Europa (DACH: 40 %, weitere europäische Länder: 40 %, andere Länder: 20 %)
  • Befragung  im Zeitraum März bis April 2019
  • Die Ergebnisse wurden in einer zweiten Befragungswelle in Einzelinterviews mit führenden Branchenvertretern validiert
Autor Profilbild
Freelance Editor mit Schwerpunkt Text & Audio aus Hamburg. Für Health Relations schreibt sie regelmäßig über Trends in der Healthcare-Kommunikation und porträtiert Markenmacher:innen aus der Branche.

Alle Beiträge

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein