„Ein Moderator muss ganz schön hartnäckig sein“

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© Wirtz
Unser Kolumnist Dr. Gerd Wirtz  ist Digital-Health Experte und Moderator diverser digitaler  und Live-Formate. Wir haben ihn gefragt, was seiner Meinung nach eine gute Moderation ausmacht und worauf Unternehmen achten sollten, die eine:n Moderator:in suchen.

In diesem Interview erfahren Sie:

  • wie die Arbeitsteilung zwischen Chairman und Moderator:in gelingt
  • auf welche Fallstricke ein:e Moderator:in im Vorfeld achten sollte
  • wie ein optimales Zeitmanagement aussieht
  • wie mit Stimmungsmachern bei Diskussionen umzugehen ist

 

Health Relations: Angenommen, ein Pharmaunternehmen möchte eine wissenschaftliche Fortbildung für Ärzt:innen anbieten. Braucht es dafür einen Chairman oder eine:n Moderator:in?
Dr. Gerd Wirtz: Beide natürlich!  Ein Chairman und ein Moderator haben zwei völlig getrennte Aufgabenbereiche und ergänzen sich. Der Chairman ist für die wissenschaftliche Leitung und damit für die Inhalte verantwortlich. Nachdem die Lernziele festgelegt wurden, wählt er die passenden Referenten aus und definiert deren Inhalte. Er stellt sicher, dass die Vorträge zueinander passen und thematisch aufeinander aufbauen. Der Moderator steuert den Prozess. Bei ihm oder ihr steht die kommunikationswissenschaftliche Expertise im Vordergrund.

Health Relations: Und dazu zählen welche Aspekte?
Gerd Wirtz: Sind die Vortragszeiten und die Diskussionszeiten ausgewogen und ausreichend? Gibt es genug Pausen? Ist Zeit für kollegialen Austausch? Mit welchen didaktischen Mitteln können die Inhalte optimal an die Teilnehmer vermittelt werden? Bei solchen Fragen gibt der Moderator Hinweise und berät den Kunden und den Chairman, um eine gelungene Wissensvermittlung zu erzielen. Der Moderator achtet im Vorfeld auch auf die Gestaltung der Charts. Wenn gewünscht, kann der Moderator die Referenten dabei unterstützen, deren Inhalte didaktisch so aufzubereiten, dass sie möglichst nachhaltig vermittelt werden können und mit ihnen gemeinsam an ihrer Bühnen- oder Bildschirmperformance arbeiten. Ein ganz wichtiger Aspekt ist zudem das Zeitmanagement.  Mit einer Agenda schafft man für die Teilnehmer einen inhaltlichen und zeitlichen Erwartungshorizont. Entscheidend für den Erfolg der Fortbildung ist, die geweckten Erwartungen in jeder Hinsicht erfüllen.

„Es kommt nicht darauf an, wie viele Charts der Referent schafft, sondern wie viele Charts die Zuhörer  schaffen, damit die Inhalte auch nachhaltig verankert werden.“

Health Relations: Was kann schon im Vorfeld der Veranstaltung dafür getan werden, damit das Zeitmanagement stimmt?
Gerd Wirtz: Es ist wichtig, diese Dinge im Vorfeld zu regeln. Kein Referent möchte von einem Moderator auf der Veranstaltung überrascht und in seinem Vortrag unterbrochen werden. Zum einen ist jede Unterbrechung ein Konzentrationskiller und zum anderen fehlen dann möglicherweise noch wichtige Inhalte, zumal ja häufig die wichtigsten Botschaften ganz zum Schluss kommen. Der Moderator hat bestenfalls die Erfahrung, um einzuschätzen, ob die Vorträge in der vorgegebenen Zeit zu halten sind. Im Zweifelsfall muss er sich dann noch einmal mit den Referenten abstimmen und sie bitten, die Vorträge an das Zeitbudget anzupassen.

Veranstaltungsformate des Deutschen Ärzteverlags
Dr. Gerd Wirtz ist einer der Moderatoren der Veranstaltungsformate Experten-Roundtable und Expertenforum, die der Deutsche Ärzteverlag für Pharmaunternehmen anbietet.

  • Der Deutsche Ärzteverlag organisiert zahlreiche virtuelle Veranstaltungen für Ärztinnen und Ärzte Eine hohe digitale Attraktivität und ein lebendiger Medienwechsel spielen dabei eine große Rolle. Beliebte Corporate-Event-Formate sind beispielsweise der Roundtable und das Expertenforum. © Katherina Büttner/fromdusttilldrawn
    © Büttner

    Populärstes Format im Veranstaltungsangebot des Deutschen Ärzteverlags ist der Roundtable. Hier teilen bis zu fünf Experten und Expertinnen eines Fachgebietes unter fachkundiger Moderation ihr Wissen. In Form von kurzen Impulsvorträgen und anschließender Diskussion vermitteln sie Lösungsansätze für die ärztliche Praxis.

  • Eine weitere Möglichkeit der Ärzte-Fortbildung ist das Expertenforum. Hierbei kann auf Wunsch ein Kreis aus niedergelassenen Ärzten und Ärztinnen als Auditorium dabei sein. Bei Präsenzveranstaltungen sitzen dann erfahrene Anwender:innen auf dem Podium und interessierte Fachkolleg:innen im Publikum. Findet das Forum virtuell statt, wird die Veranstaltung als Livestream und zusätzlich im Anschluss als Video-on-Demand angeboten. Das zuvor ausgewählte Fachpublikum kann dann per Live-Chat Fragen oder Denkanstöße in die Expertenrunde einbringen.

Mehr Informationen:  www.aerzteverlag.de/veranstaltungsformate

Health Relations: Apropos Konzentrationskiller, gerade virtuelle Meetings sind oft eine Herausforderung für den Zuhörer, weil die Konzentrationsspanne vor dem Bildschirm schneller nachlässt.
Gerd Wirtz: Deshalb werden Tagungen verkürzt geplant und auch Vorträge, die in Präsenz eine Länge von 30 – 40 Minuten hatten, werden nun häufig auf 10 – 15 Minuten gekürzt. Diese komprimierte Vortragsdauer sind die meisten Referenten jedoch nicht gewöhnt. Ein Moderator muss beim Briefing der Referenten ganz schön hartnäckig sein. Häufig höre ich als Moderator das Argument des Referenten: „Klar schaffe ich die 30 Charts in 10 Minuten.“ Dann ist es meine Aufgabe, dem Referenten klarzumachen, dass er sehr wohl viele Charts in dieser kurzen Zeit schafft. Es kommt aber darauf an, wie viele Charts die Zuhörer in dieser kurzen Zeit schaffen, damit die Inhalte auch nachhaltig verankert werden.

Health Relations: Und wenn der Referent trotz Absprache kein Ende findet?
Gerd Wirtz:
Ich mache es klassisch so, dass ich den Referenten 1–2 Minuten „Überziehungskredit“ gebe und dann auf der Bühne erscheine.

Health Relations: Nochmal zurück zu der Arbeitsteilung mit dem Chairman: Wie läuft die Zusammenarbeit auf der Veranstaltung idealerweise ab?
Gerd Wirtz: Auch hier gilt die einfache Regel: Alles, was den Prozess betrifft, ist Aufgabe des Moderators, alles, was die Inhalte betrifft, ist Aufgabe der wissenschaftlichen Leitung. Der Chairman stellt sicher, dass die Umsetzung der Inhalte gelingt. Durch Fragen an die Referent:innen schließt er mögliche Lücken und schafft die inhaltliche Brücke zum folgenden Programmpunkt. Die Begrüßung und die Vorstellung der einzelnen Referenten fallen dem Moderator zu. Meistens mache ich bei meinen Veranstaltungen zunächst ein kleines Interview mit dem Chairman und tausche mich mit ihm über die Inhalte und die Lernziele der heutigen Veranstaltung mit.

„Wenn die Diskussion kontrovers und emotional wird, kann sich jeder Moderator freuen. Emotionen erhöhen stets die Aufmerksamkeit.“

Health Relations: Damit geben Sie dem Publikum nebenbei die Gelegenheit, ihn oder sie besser kennenzulernen und die Erfahrung dieser Person hervorzuheben.
Gerd Wirtz: Genau, außerdem schafft man durch solch ein Intro schafft direkt eine angenehme Atmosphäre.  Dann stelle ich kurz den Programmablauf in der zeitlichen Reihenfolge vor und kündige die jeweiligen Referenten an. Nach den Vorträgen übernimmt dann meist der Chairman. Er stellt vertiefende Fragen zu den Vorträgen und der Moderator achtet darauf, dass das Zeitbudget eingehalten wird. Aus meiner Erfahrung ist diese Zusammenarbeit zwischen Chairman und Moderator ein Garant für volle Aufmerksamkeit während der Fortbildung und nachhaltige Wissensvermittlung.

Health Relations: Am Ende einer Veranstaltung ist in der Regel noch Zeit für Fragen aus dem (virtuellen) Publikum. Wie gehen Sie hier vor, wenn es zu turbulenteren Diskussionen kommt?
Gerd Wirtz: Insbesondere bei Fragen aus dem Auditorium gilt es darauf zu achten, dass alle Fragen berücksichtigt werden und auch im virtuellen Raum keine Wortmeldung untergeht. Der Moderator lenkt die Zeit und achtet darauf, dass kein Stimmungsmacher die Diskussion dominiert. Wenn die Diskussion dann kontrovers und emotional wird, kann sich eigentlich jeder Moderator freuen. Emotionen erhöhen stets die Aufmerksamkeit. Spätestens jetzt ist das Publikum hellwach. Hier erweist es sich für mich auch als Vorteil, dass ich inhaltlich neutral bin. Ich sorge dafür, dass verschiedene Positionen ausgetauscht werden können und dass die Emotionen in einem gewissen Rahmen bleiben. Ich muss aber in der Regel nicht für Konsens sorgen. Manchmal ist es am Ende einer Diskussion sogar gut, wenn verschiedene Meinungen im Raum stehen. Dann bleibt in der Pause und nach der Veranstaltung noch Gelegenheit für weitere Reflexion der ausgetauschten Argumente. Lernpsychologisch ein Traum, denn so werden durch die intensive eigene Auseinandersetzung die Inhalte nachhaltig im Bewusstsein der Teilnehmer verankert.

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