Viele Markenverantwortliche in der Pharmaindustrie betreiben aktuell Omnichannel-Kommunikation für ihr Produkt – manche schon seit einigen Jahren. Ein zentrales Element dieser kanalübergreifenden Kommunikation sind E-Mails. Sie sind deshalb so zentral für Omnichannel-Strategien, weil sie günstig sind. Hat man einmal einen sogenannten „Opt-in“, also eine Zustimmung bekommen, darf man theoretisch so viele E-Mails wie man möchte an einen Arzt oder eine Ärztin verschicken – ein Porto wird nicht fällig.
Außerdem können E-Mails teilweise automatisiert werden. Die aktuellen Software-Systeme, die für das Management der bestehenden Kunden (CRM) eingesetzt werden, erlauben die automatische Aussendung von E-Mails abhängig von bestimmten Ereignissen (wie z. B. „Arzt meldet sich bei Webinar an“) oder ermöglichen dem Außendienst auf Basis von Inhaltsbausteinen schnell und einfach freigegebene Informationen zuzuschicken. Ein Traum für jeden Marketer.
E-Mail-Overload bei HCPs durch viele Kontaktpunkte
Diese beiden Vorteile sorgen dafür, dass Marketingverantwortliche die Ziele ihres Unternehmens erreichen, denn diese lauten oft: viele Kontaktpunkte mit den Kunden („Touchpoints“) zu möglichst geringen Kosten. Ob möglichst viele E-Mails aber auch dafür sorgen, dass Produkte oder Unternehmen im Markt mehr Erfolg haben, steht auf einem ganz anderen Blatt. Denn es mehren sich die Stimmen, dass die vielen Aussendungen für den ein oder anderen Kunden überfordernd sein könnten. Ebenso gibt es einzelne Berichte, dass Ärzte sich über „die E-Mail-Flut“ bei den Herstellern beschweren.
Neuere Kanäle wie Social Media und Podcasts gewinnen zwar an Bedeutung, werden aber noch immer weniger gerne zur Beschaffung von Informationen verwendet als E-Mails. Auch der Pharma-Außendienst wird als weniger wichtig eingeschätzt. Generell gilt aber: Jede Zielgruppe sollte zu ihren jeweiligen Informationsvorlieben befragt werden.
Zielgruppenporträts liefern Basis für Kommunikation
Der reine Fokus auf Kosten und Kontaktfrequenz ist zweifelhaft. Denn um wirksame Kommunikation zu erstellen, kommt es zwar auch auf die Menge der Kontaktpunkte an, aber eben nicht nur. Im Zentrum von wirksamer Kommunikation stehen in erster Linie die Zielgruppe und die Ziele, die erreicht werden sollen.
Es ist also in jedem Fall ratsam, sich die Personen, die die Omnichannel-Kampagne ansprechen möchte, genau anzusehen und ein Porträt zu erstellen. Gemeint ist damit eine Beschreibung von Eigenheiten und Bedürfnissen dieser Personengruppe, die für die Kommunikation relevant sind. Welche Themen interessieren sie, über welche Kanäle informieren sie sich, welche Formate bevorzugen sie? Auf dieser Basis kann ein Entwurf für einen passenden Omnichannel-Kanal- und Themenmix erstellt werden.
Neben der Abstimmung von Kanal und Thema auf die Zielgruppe ist es noch entscheidend, dass die E-Mails auch in der alltäglichen Flut an Informationen auffallen und geöffnet werden. Hierzu ist ein kreativer Ansatz notwendig, der sich z. B. in Betreff, Bild, Anrede zeigen kann. Auch dies lässt sich nicht massenhaft-automatisiert erreichen, sondern ist oft noch kreative Handarbeit.
Abwechslung mit Infografiken und persönlichen Kommentaren
Ebenso ist die hochwertige Gestaltung der Informationen wichtig. Wenn jede E-Mail gleich aufgebaut und exakt gleich gestaltet ist, stellt sich schnell Langeweile ein und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass die nächste E-Mail ungelesen gelöscht oder, noch schlimmer, als nervend empfunden wird. Besser ist es da, auch mal mit unterschiedlichen Inhaltsformaten wie Infografiken oder persönlichen Kommentaren zu spielen.
Anstelle von kostengünstigen E-Mail-Massen sollten also eher maßgeschneiderte, aufmerksamkeitsstarke Mailings versendet werden. Damit besteht die Chance, dass die Kommunikation etwas Positives bewirkt und zum Beispiel eine bestimmte Botschaft auch vermittelt werden kann. Im besten Fall freut sich die Zielgruppe schon auf die nächste E-Mail.
Erfolgszahlenmessung im Pharmamarketing
Aus Sicht einer wirksamen Kommunikation ist der Fall also klar. Aber wie sollte ein Markenverantwortlicher handeln, dessen Leistung an der Zahl der ausgesendeten E-Mails gemessen wird? Der also monatlich eine bestimmte Zahl von E-Mails vorweisen muss? Wahrscheinlich wird sich eine Diskussion mit den Vorgesetzten um die richtigen Erfolgsmesszahlen nicht vermeiden lassen. Denn aus der reinen Anzahl versendeter E-Mails lässt sich kein Rückschluss auf die tatsächliche Wirksamkeit der Kommunikation ziehen. Besser wäre es, zum Beispiel über Marktforschungen zu messen, ob die Kommunikation eine Wirkung bei der Zielgruppe entfalten konnte.
- Kennen mehr Personen das Produkt?
- Ziehen es mehr Personen bei einer Verschreibung in Erwägung?
- Ist es bei mehr Ärztinnen und Ärzten ein Favorit auf Verschreibung?
Das ist die harte Währung, mit der auch ein mittelbarer Bezug zum Geschäftserfolg eines Medikaments hergestellt werden kann. Das müsste die Personen, die die Vorgaben machen, überzeugen.
Fazit
Die Frage „Überfordern wir unsere Kunden mit den vielen E-Mails?“ ist also nicht eindeutig zu beantworten. Es kommt auf die Zielgruppe an, ob sie die Menge an E-Mails toleriert. Um wirksame Kommunikation zu betreiben, kann man jedoch mit Sicherheit sagen, dass der reine Fokus auf Menge in die Irre führt. Viel wichtiger ist es, sich auf die Zielgruppe einzustellen, lieber auf Qualität, denn auf Quantität zu setzen und den tatsächlichen Erfolg der Kommunikation bei der Zielgruppe zu messen.