Kolumne: Die diffuse Angst vor der Datenfreigabe

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De facto gehören derzeit die Daten dem, der sie erhebt. © Thomas / Adobe Stock
Unser Kolumnist Dr. Gerd Wirtz hat seine Follower in Social Media gefragt: Wer ist bereit, seine persönlichen Daten an Ärzte und Forschungseinrichtungen weiterzugeben? Die Ergebnisse sind eindeutig.

Vor ein paar Wochen durfte ich auf der Tagung „The Digital Future“ den Geschäftsführer der Gematik, Dr. Markus Leyck Dieken, interviewen und seine Aussagen haben mir Mut gemacht. Er stellte den Atlas zur Telematikinfrastruktur vor, der eine Befragung von Krankenversicherten beinhaltet.  81% der Befragten würden die elektronische Patientenakte nutzen, wenn sie denn endlich da wäre.

Umfrage Datenschutz
© Dr. Gerd Wirtz / LinkedIn

Davon inspiriert habe ich in den sozialen Medien selbst die Frage gestellt: „Wer darf Einblick in meine persönlichen Gesundheitsdaten bekommen?“ Von den knapp 600 Teilnehmenden waren 51 % bereit, ihre persönlichen Daten sowohl an Ärzte als auch an Forschungseinrichtungen weiterzugeben.

Ängste sind oft irrational, diffus und führen häufig zu Fehleinschätzungen der Risiken. Kürzlich machte der Hackerangriff auf den Medizindienstleister Mediatixx die mediale Runde. Schnell kamen Stimmen auf, dass man auf seine persönlichen Gesundheitsdaten aufpassen muss und diese auf keinen Fall hergeben sollte. Das erinnert mich sehr an meine Reaktionen, wenn ich von einem Flugzeugabsturz höre oder lese. Dann traue ich mich erst einmal ein paar Wochen nicht mehr zu fliegen. Ich habe Angst. Obwohl ich weiß, dass es ungefähr 2000-mal gefährlicher ist, jeden Morgen ins Auto zu steigen und dass selbst mein Risiko durch einen Hundebiss zu sterben, doppelt so hoch ist wie das Risiko bei einem Flugzeugabsturz ums Leben zu kommen.

Was Siri und Google wissen

Viele Deutsche haben Angst bei der Freigabe ihrer Gesundheitsdaten.  Da ist zum einen die Angst vor Datenmissbrauch. Dieses Risiko ist gegeben und darf nicht unterschätzt werden. Im täglichen Leben jedoch gehen die meisten von uns aber sehr großzügig mit ihren Daten um, indem sie mit Alexa oder Siri sprechen, auf Google durch ihr Suchverhalten Daten preisgeben oder sich auf den sozialen Netzwerken tummeln.

Ist nicht das Risiko-Nutzen-Verhältnis bei Gesundheitsdaten ein ganz anderes? Wenn wir in die Onkologie schauen, dann nehmen ungefähr 4 % der Krebspatienten an klinischen Studien teil und helfen damit möglicherweise sich selbst und auch anderen Patienten bei der Suche nach wirksamen Therapien. Gleichzeitig bedeutet das, dass wir von 96 % aller Krebspatienten keine Daten haben, die der Forschung helfen könnten, den Krebs zu besiegen.

CONNECTED – die digital-kolumne
Jeden Monat thematisiert Dr. Gerd Wirtz hier die Digitalisierung der Medizin. In seiner Kolumne stellt er die Facetten des digitalisierten Healthcare-Kosmos vor. Die kleinen Geschichten, die skurrilen Begegnungen und die großen Fragen. Digital gedacht, menschlich betrachtet. Immer auf den Punkt und augenzwinkernd kommentiert.

Meine Gesundheitsdaten gehören mir

Der zweite Aspekt ist die Angst vor legaler, aber nicht selbst steuerbarer Verwendung von Transparenz. Werden wir zu „gläsernen Patienten und Ärzten“? Wie groß ist das Risiko, dass meine Krankenkasse Daten zur Einstufung in bestimmte Risiko- und Beitragsgruppen verwendet? Das wirft die Frage auf, wem die generierten Gesundheitsdaten gehören. Ich bin der festen Überzeugung, dass meine Gesundheitsdaten mir gehören müssen. Wie sieht das denn aber im Moment in unserer noch nicht so digitalen Welt aus? De facto gehören derzeit die Daten dem, der sie erhebt. Meine Ärzte geben mir meine Daten nur, wenn ich ausdrücklich danach frage. Wo aber lagere ich Röntgenbilder, CDs von MRT Untersuchungen oder Papierausdrucke meiner Blutwerte? Die muss ich derzeit aufwändig zu Hause sortieren und was mit den Originalen passiert, kann ich überhaupt nicht kontrollieren.

Unsere Datenschutzverordnungen sind so gut, dass unsere digitalen Daten besser geschützt sind, als die Daten, die derzeit in den verschiedensten Formaten bei all den Ärzten lagern, die uns je in unserem Leben behandelt haben. Eine Auswertung, um meine Krankengeschichte lückenlos zu erfassen, ist derzeit nicht möglich.

ePatientenakte macht uns zum Eigentümer unserer Daten

Der Start der elektronischen Patientenakte verzögert sich  immer weiter, die Testphase des e-Rezeptes war erschreckend. In 5 Monaten wurden in Deutschland weniger als 50 Rezepte komplett ausgeführt, während z.B. Österreich im gleichen Zeitraum 30.000 Rezepte im Testbetrieb verschickte. Mit der ePatientenakte werden wir endlich als Patienten oder Bürger Eigentümer unsere Daten und im Notfall sind alle unsere Daten sofort verfügbar.

Die Bürger:innen sind bereit. Darauf deuten auch die Ergebnisse meiner kurzen Social-Media-Umfrage. Sie sind viel mehr dazu bereit sind, ihre Daten in vertrauenswürdige Hände zu geben, als uns die Presse manchmal glauben lassen will. Ein Fakt, der uns bei der Diskussion um Ängste richtig Mut machen sollte.

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