Konfliktmanagement im Krankenhaus: Aussitzen ist keine Lösung!

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Keine Frage, Konflikte im Arbeitsumfeld sind belastend. Denn sie bringen schnell nicht nur emotionale, sondern auch wirtschaftliche Konsequenzen mit sich. Rasches Handeln ist gefragt.

Denn wenn durch eine Unstimmigkeit der Informationsfluss versiegt oder ein Konsil zum Schauplatz persönlicher Anfeindungen wird, leidet vor allem einer unter dem Konflikt: der Patient. Um das zu verhindern, sollten alle Beteiligten in den sauren Apfel beißen und unangenehme Themen schnellstmöglich aus der Welt schaffen – auch wenn das einigen Mut erfordert.

Gerade in hierarchisch organisierten Unternehmen wie Krankenhäusern können Spannungen schnell weite Kreise ziehen. Was mit einer scheinbar harmlosen Unstimmigkeit zwischen zwei Oberärzten beginnt, greift unter Umständen schnell auf die unterwiesenen Assistenzärzte über. Anstatt klarer Handlungsanweisungen bekommen sie schlimmstenfalls gegenläufige Aufträge und geraten zwischen die Fronten, je nachdem, wem sie Folge leisten. Schnell steht auch das Pflegepersonal im Zentrum des Disputs. Statt sich auf die Versorgung der Patienten zu konzentrieren, müssen sie bei widersprüchlichen Anweisungen erst einmal nachhaken. Spätestens an dieser Stelle beeinflusst etwas, das vielleicht als Lappalie begann, die komplette Belegschaft und wirkt sich negativ auf die medizinische Leistung aus.

Ungeklärte Konflikte gehen immer zulasten der Patienten

Hand aufs Herz: Wie würden Sie als Assistenzarzt reagieren, wenn Ihnen zwei Vorgesetzte gegenläufige Anordnungen geben? Eine mögliche Entscheidung: Um auf Nummer sicher zu gehen und nicht in den Streit hineingezogen zu werden, handeln Sie gar nicht. Mit Blick auf das Wohlergehen des Patienten ist das definitiv die schlechteste Möglichkeit. Entscheiden Sie sich hingegen, einer der Anweisungen Folge zu leisten, ist das zwar für Ihren Patienten gut. Doch unter Umständen kommen dann Gerüchte auf, dass Sie der Order von Chefarzt A gefolgt sind, um sich bei ihm beliebt zu machen. Selbst wenn das völlig an den Haaren herbeigezogen ist – so entstehen schlechte Nachrede und Untergruppenbildung, was die Stimmung und die Zusammenarbeit auf allen Ebenen negativ beeinflusst.

Ist das Arbeitsklima erst einmal gestört, leidet die Mitarbeiterzufriedenheit deutlich darunter. Die mitunter verheerenden Folgen: Unzufriedene Teammitglieder sind eher bereit, sich nach einem neuen Job umzusehen; die Abwanderungstendenzen steigen. Ein Grund mehr, aktiv eine Konfliktlösung anzustreben, statt das Problem totzuschweigen. Wie genau eine solche Lösung aussieht, hängt von den Ursachen der Krise ab, der Dauer der Streitigkeiten, den Beteiligten und einer möglichen Verfestigung auf einer bestimmten Konfliktebene. Grundsätzlich gilt: Je tiefer die Konfliktebene bereits liegt, desto langwieriger und komplexer der Lösungsprozess.

Erfolgreiche Konfliktbewältigung in fünf Schritten

Ein Fallbeispiel zeigt, wie mithilfe einer fünfstufigen Konfliktbewältigung selbst eine seit Jahren schwelende Auseinandersetzung erfolgreich beigelegt wurde. Die Eckdaten: Die Differenzen bestanden seit mindestens vier Jahren und zogen sich inzwischen durch alle Ebenen des Klinikteams; zahlreiche Mitarbeiter sind aufgrund des schlechten Arbeitsklimas bereits abgewandert. Als die Situation weiter zu verhärten drohte, strebte der Chefarzt mit Unterstützung der Personalabteilung die Lösung des Konflikts an. In fünf Schritten bereinigte das Team die Disharmonie schließlich erfolgreich und langfristig.

(1) Auftragsklärung

„Mal eben eine Lösung finden“ geht nicht: Bei so lange währenden Streitigkeiten lässt sich die Ursache nicht in der Pause zwischen zwei Operationen identifizieren. Daher stand am Anfang die Frage, wie hoch die Bereitschaft aller Beteiligten ist, tatsächlich Zeit und Kraft in die Konfliktlösung zu investieren.

(2) Einzelgespräche zur Situationsanalyse

Sobald Auftrag und Ziel feststehen, gilt es, sich einen Überblick zu verschaffen. Es liegt in der Natur von Konflikten, dass diese emotional stark aufgeladen sind – eine objektive Beurteilung durch die Kontrahenten ist daher kaum möglich. Um die Sichtweisen je nach Perspektive und Rolle in der Auseinandersetzung zu erfassen, wurden Interviews mit den involvierten Personen geführt. Wie stellt sich die Unstimmigkeit aus Sicht des Einzelnen dar? Wie lange besteht er? Wer ist beteiligt? Was wurde bisher mit welchem Ergebnis unternommen?

(3) Bereitschaft zur Konfliktlösung

Die involvierten Teammitglieder wurden mit den Ergebnissen der Interviews konfrontiert. Ziel dieser Stufe ist es, die Konsequenzen des Konflikts ins Bewusstsein zu rufen und ein Gesamtbild der Situation zu vermitteln. Denn eine friedliche Lösung kann nicht per „dienstlicher Anweisung“ diktiert werden. Dann ist die Gefahr groß, dass Einzelne sich raushalten oder nur vorgeben, sich um eine Lösung zu bemühen, um möglichst schnell wieder zu ihrem Tagesgeschäft zurückkehren zu können. Die Folge: Der Streit schwelt weiter und bricht schließlich wieder auf. Mit den Mitarbeitern wurde daher ein „Konfliktlösungsvertrag“ vereinbart: Alle Teilnehmer unterschrieben auf einem großen Plakat, das für jeden sichtbar aufgehängt wurde.

(4) Workshops zur Konfliktlösung

Workshops stehen im Zentrum der nächsten Lösungsstufe. Die Teilnehmer diskutierten unter anderem darüber, was ihnen als Team mit Blick auf die Kernkonfliktfelder gut und weniger gut gelingt. In der Runde entstand so erstmals eine faire und lebhafte Diskussion zwischen allen Beteiligten, die die wirklichen Hintergründe der Differenzen zu Tage förderte. So wurden die Auslöser des Disputs nicht nur diskutierbar, sondern die Teilnehmer trafen auch konkrete Vereinbarungen für das zukünftige Verhalten und die Zusammenarbeit. Um die erfolgreiche Umsetzung zu garantieren, verpflichteten sich sogenannte „Themenverantwortliche“, zu beobachten, ob die Absprachen auch eingehalten wurden.

(5) Dranbleiben und weitermachen

Für alle gemeinsam erarbeiteten Vereinbarungen wurde ein sechsmonatiger Zeitraum zur Umsetzung festgelegt. Währenddessen prüfte das Team, ob die Absprachen zu den gewünschten Verbesserungen im Alltag führen oder ob weitere Justierungen nötig sind. Alle vier Wochen erfolgte in einem kurzen Meeting eine Reflexion über die aktuelle Zusammenarbeit. Fazit: Durch den Gesamtprozess verbesserte sich die Kommunikation zunehmend. Unter den Mitarbeitern stieg nach jahrelangem Kleinkrieg zudem die Bereitschaft, auch kritische Themen und Ereignisse offen zu besprechen und Kollegen direkt anzusprechen, um Vorkommnisse zu klären.

 

 

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