Darum sollten Agenturen offen für Kooperationen sein

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Kristian Meinken ist, Geschäftsführer der pilot, erklärt, warum Agenturen offen für Kooperationen bereit sein sollten.
Kristian Meinken ist Geschäftsführer der pilot Agentur. ©pilot
Warum ist es für Healthcare-Agenturen sinnvoll, Kooperationen einzugehen? Kristian Meinken, Geschäftsführer bei der Hamburger Agenturgruppe pilot erklärt im Interview, wie sein Unternehmen das umsetzt und welche Vorteile die Kunden davon haben.

In den letzten Jahren hat sich der Markt der Healthcare-Kommunikation stark gewandelt:  Ein verändertes Konsumentenverhalten und das Eindringen von Tech-Riesen wie Amazon und Google in den Markt zwingen Agenturen zum Umdenken. Kristian Meinken setzt für seine Agentur angesichts dieser Herausforderungen  auf offene Setups, um die Kundenwünsche passgenauer umzusetzen.

Health Relations: Welche Herausforderungen müssen Agenturen heute bewältigen?

Kristian Meinken: Der tief greifende Wandel, den wir im Markt schon seit geraumer Zeit erleben, wird durch die Corona-Pandemie noch einmal zusätzlich beschleunigt. E-Commerce erfährt seit dem Shutdown einen enormen Boom, was zu einem dauerhaft veränderten Konsumentenverhalten führt – die Mediennutzung wird ohnehin immer fragmentierter. Diesen Herausforderungen muss sich der gesamte Markt stellen. Für die Mediaagenturen bedeutet das wiederum, dass unsere Arbeit immer kleinteiliger und fokussierter wird. Es geht darum, die Fülle an Daten, die wir derzeit zur Verfügung haben, richtig zu interpretieren, um zu wissen, welche Maßnahmen sich wann lohnen und welche man besser weglässt – das ist sozusagen die Kunst der Stunde.

Health Relations: Und wie sollte man diese Kunst am besten ausüben?

Kristian Meinken: Wie andere das handhaben, kann ich nicht beurteilen. Ich kann nur sagen, wie wir es bei pilot machen: Wir fokussieren uns einerseits ganz deutlich auf die Werbewirkung und richten die komplette Strategie daran aus. Daneben öffnen wir uns immer da für die Zusammenarbeit mit anderen Spezialisten, wo wir gemeinsam die jeweilige Anforderung des Kunden noch zielgenauer bearbeiten können. Mit offenen Setups können Media, Kreation, Technologie und weitere Spezialagenturen nämlich aufs Effektivste zusammenspielen.

Health Relations: Das hat aber doch Auswirkungen auf das Marketing. Welche Bereiche ändern sich gerade am deutlichsten?

Kristian Meinken: In Sachen Werbewirkung lösen wir uns dabei allmählich von den dominierenden Faktoren Markenbekanntheit und Image und graben zusehends tiefer. Ein Deep Dive in die Psyche der Verbraucher sozusagen, in ihre Einstellungen und Haltungen. Denn diese prägen ganz wesentlich das Konsumentenverhalten. Das kann durchaus dazu führen, dass so mancher Mediaplan ein wenig entschlackt werden kann. Man muss nicht jedem Medienmoment nachlaufen, nur dem richtigen. Wenn ich weiß, in welchem Moment der Mediennutzung ich mit welcher Message meine Zielgruppe exakt erreiche, dann wirkt die Kommunikation auch.

„Man muss nicht jedem Medienmoment nachlaufen, nur dem richtigen.“

Health Relations: Sie sagten es eben: Corona hatte eine Katalysator-Wirkung – auch auf den Pharmamarkt und schlussendlich auf die Entwicklungen des Pharmamarketings. Welche Entwicklungen hat die Pandemie am stärksten vorangetrieben?

Kristian Meinken: Wir machen die Erfahrung, dass OTC-Unternehmen ihre Mediabudgets zunehmend flexibler einsetzen. Jetzt mehr denn je. Jahrespläne sind obsolet geworden – die Kampagnen werden immer dynamischer an aktuelle Veränderungen angepasst. Da müssen wir uns auch in der Beratung im Pharmabereich einstellen, nicht nur während Corona.

Health Relations: Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

Kristian Meinken: Das erfordert von uns als Agentur eine dezidierte Herangehensweise, denn die Analyse und Interpretation von Daten spielt auch im B2C-Gesundheitsmarkt eine immer wichtigere Rolle. Das sind beispielsweise Informationen zu Verbrauchereinstellungen, zur Werbewirkung der aktuellen Kampagne, Umsatzdaten, Werbedaten, RKI-Material oder Wetterprognosen. Flexible Buchungssystematiken ermöglichen es dem Kunden dann jederzeit, auf eine veränderte Datensituation zu reagieren und beispielsweise den Werbedruck auch unmittelbar innerhalb eines Flights nachzujustieren.

„Jahrespläne sind obsolet geworden – die Kampagnen werden immer dynamischer an aktuelle Veränderungen angepasst.“

Health Relations: Kommen wir noch einmal auf Ihre Aussage, dass Sie mit offen für Kooperationen sind, aber wie genau sollten diese im Pharmabereich aussehen?

Kristian Meinken: Wir sind überzeugt, dass die „neue Normalität“ zusätzliche Chancen für die OTC-Marken birgt. Nehmen Sie nur den Versandhandel sowie den boomenden E-Commerce-Bereich. Hersteller wollen mit ihren Produkten vermehrt auf den Shopping-Plattformen präsent sein – über Werbung, aber auch im Shop-Angebot selbst. Somit sind Kooperationen im Retail-Bereich überlebenswichtig. Große Marktplätze bieten hier beispielsweise die Option, über die eigene Advertising Plattform auf alle relevanten Werbenetzwerke zuzugreifen und diese mit anonymisierten Käuferdaten zu verknüpfen. Das sind sehr präzise Informationen über Kaufverhalten und Kaufinteressen – was dem Kunden extrem wertvolle Insights liefert. Aber nicht nur die Kauf-, sondern auch die Suchmuster der Nutzer erlauben uns ein datengestütztes Finetuning. Mit entsprechenden Kooperationen können wir aus den gewonnenen Daten eine engmaschige „Digital Customer Journey“ aufbauen, die mittlerweile ein zentrales Element für die Mediaplanung und -strategie erfolgreicher Kampagnen ist.

Health Relations: Die Vorteile solcher Kooperationen für die Kunden sind klar, aber wo bleiben die Agenturen in diesem Prozess? Welche Aufgaben erfüllen sie?

Kristian Meinken: Auch wenn agiles Handeln den Markt prägt, müssen OTC-Unternehmen kontinuierlich ihre Marken pflegen. Daran hat auch die Corona-Krise nichts geändert und das dürfen wir bei den vielen kurzatmigen Maßnahmen nicht aus den Augen verlieren. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen das Thema Gesundheit nochmals an Stellenwert gewinnt und die von vielen Verbrauchern als belastend wahrgenommen wird, müssen Marken Präsenz zeigen und Halt und Orientierung geben. Ansonsten besteht die Gefahr, aus dem Relevant-Set der Verbraucher zu verschwinden. Und da sind die alten Tugenden der Agenturen gefragt: Für die langfristige Markentreue das Große und Ganze nicht aus den Augen zu verlieren. Das gelingt mit kluger, feinfühliger Kommunikation, die sich direkt an den sensibilisierten Bedürfnissen der Verbraucher ausrichtet.

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