Digitalisierungsgrad von Krankenhäusern: Checkliste soll Klarheit bringen

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Der Marburger Bund und der Bundesverband Gesundheits-IT – bvitg e.V. wollen Licht ins Dunkel bringen: Wie digital arbeiten Krankenhäuser wirklich? Eine Checkliste soll helfen, den Digitalisierungsgrad von Krankenhäusern zu bestimmen.

Aufholen! Das war die Botschaft, die auch Gesundheitsminister Jens Spahn auf der diesjährigen conhIT verlauten ließ. Damit bringt Spahn auf den Punkt, was in der Gesundheitsbranche ohnehin spürbar ist: Dass Deutschland in Sachen eHealth im internationalen Wettbewerb zurückliegt, ist unbestritten. Auch der Digitalisierungsgrad von Krankenhäusern ist heterogen. Es braucht eine eHealth-Strategie – auch im klinischen Bereich, um die digitalen Strukturen an Kliniken zu verbessern. „Wir fordern schon seit Jahren die Politik zum Handeln auf“, sagt Hans-Jörg Freese, Pressesprecher beim Marburger Bund. „Immerhin hat die Politik das Problem erkannt und Maßnahmen angekündigt. Im Koalitionsvertrag steht, dass Mittel aus dem Strukturfond für Krankenhäuser in die Digitalisierung einfließen sollen. Die Höhe der Summe kennen wir allerdings noch nicht.“

Aufholen. Die Ärzte sind dafür mehr als bereit. Laut einer aktuellen bitkom Studie begreifen sieben von zehn Ärzten digitale Technologien als Chance, da sie Zeitersparnis und bessere Behandlungsmöglichkeiten bieten. Zudem glaubt jeder zweite Arzt an den alltäglichen Einsatz von OP-Robotern im Jahr 2030. Ärzte stehen also digitalen Lösungen im Gesundheitssystem offen gegenüber, wenn sie nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis funktionieren. Genau das ist der Ansatz, den der Marburger Bund und der Bundesverband Gesundheits-IT mit ihrer gemeinsamen Checkliste für den Digitalisierungsgrad von Krankenhäusern verfolgen.

Es soll sich um eine strukturierte Checkliste handeln, die einen umfassenden Einblick in den Digitalisierungsgrad des betreffenden Krankenhauses bieten soll. Klinisch tätige Ärzte können anhand eines intuitiv bedienbaren Online-Befragungstools die digitalen Prozesse an ihrem Arbeitsort erfassen und bewerten. Welche  IT-Nutzungen finden statt, wie gut ist die Usability der Programme, wie sinnvoll und prakisch ist ihre Nutzung? „Wir erarbeiten gerade die Befragung, es ist eine herausfordernde und komplexe Aufgabe, gerade auch, weil sie prozessorientiert ist“, sagt Hans-Jörg Freese.

Die Idee einer solchen Checkliste kommt nicht von ungefähr: In den USA beispielsweise habe es ähnliche Befragungen bereits gegeben, so Freese. Aber in Deutschland sei ein so umfassender Prozess vollkommen neu. Doch es besteht eben Handlungsbedarf. Laut einer Umfrage des Marburger Bundes 2017 vertreten 80 Prozent der Klinikärzte die Meinung, dass durch die Digitalisierung die ärztliche Arbeit im Krankenhaus verbessert werden kann. Deutlich zeichnete sich in der Umfrage aber auch ab, wie unzureichend die Krankenhäuser auf die Digitalisierung vorbereitet sind. Es mangelt unter anderem an benutzerfreundlicher Hard- und Software.

Das Gemeinschaftsprojekt von Marburger Bund und bvitg soll nun also für Transparenz sorgen und aufzeigen, wie es denn nun wirklich um den Digitalisierungsgrad der Krankenhäuser steht. Es sollen fundierte, belastbare Daten gesammelt werden, die es nach Aussage der Projektpartner bisher kaum gebe. Neben dem Sammeln von Daten und dem daraus resultierenden Digitalisierungsgrad von Krankenhäusern steht auch die direkte Handlungsempfehlung für Ärzte im Vordergrund. „Die Daten werden anonymisiert übertragen, das Krankenhaus aber erhält eine individuelle Auswertung, mit deren Hilfe Ärztinnen und Ärzte den Reifegrad der Digitalisierung an ihrem Arbeitsplatz ermessen können“, so Hans-Jörg Freese. Es gehe darum, Mängel zu erkennen und Arbeitsprozesse zu optimieren. „Das Aufnahme- und Entlassungs-Management an Kliniken ist zum Beispiel ein Bereich, in welchem digitale Lösungen den Zeitaufwand massiv reduzieren können. Uns ist es wichtig, dass die Digitalisierung auch wirklich hilft, Arbeitsprozesse für Ärztinnen und Ärzte zu erleichtern.“

Bis zum Herbst 2018 wird an der Checkliste gefeilt. Erst dann beginnt die Befragung. Im Frühjahr 2019, so Freese, wolle man erste Ergebnisse präsentieren. So sei zumindest der Plan. Die Ergebnisse sollen im Anschluss die Basis für weitere Verbesserungen und Veränderungen im digitalen Prozessmanagement an Kliniken sein. „Unsere Idee ist es, dass die Kliniken selber einen Digitalisierungsbeirat ins Leben rufen, der aus Vertreterinnen und Vertretern von Ärztinnen und Ärzten, Vertreterinnen und Vertretern der Pflege und der Geschäftsführung besteht.“

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Hans-Jörg Freese ist Leiter des Referates Verbandkommunikation und Pressesprecher des Marburger Bundes. Foto: Marburger Bund

Doch erst einmal gilt es, die Erhebungspunkte für die Befragung genauestens zu definieren. „Das werden sicherlich mehrere 100 Erhebungspunkte werden und sicherlich wird nicht nur ein Arzt alleine die Fragen beantworten können. Wir stellen uns vor, dass dafür die Ärztinnen und Ärzte einer Klinik fachübergreifend zusammenarbeiten.“  Nach Zeitersparnis klingt das erst einmal nicht. Dennoch kann die Checkliste helfen, für Transparenz zu sorgen und das eigene Bewusstsein für digitale Arbeitsabläufe zu schärfen. Und wer könnte die Usability und das Potential der Digitalisierung an Kliniken besser beurteilen als jene, die täglich damit arbeiten? Wer verändern will, muss Beteiligte mitnehmen und einbeziehen. Entwicklungen sind meist nur dann nachhaltig, wenn sie aus dem System heraus gestaltet werden. Auch vor diesem Hintergrund ist die Checkliste für Kliniken, trotz ihrer Komplexität, eine sinnvolle und zielorientierte Maßnahme. Der Digitalisierungs-Zug rollt. Langsam. Aber er rollt.

Beitragsbild: ©Zffoto – stock.adobe.com

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Freelance Editor mit Schwerpunkt Text & Audio aus Hamburg. Für Health Relations schreibt sie regelmäßig über Trends in der Healthcare-Kommunikation und porträtiert Markenmacher:innen aus der Branche.

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