Nachhaltigkeit in Pharma: Regelungen und Umsetzungsbeispiele

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nachhaltigkeit Pharma
© j-mel /Adobe Stock
Nachhaltigkeit ist ein großes Zukunftsthema für Unternehmen. Nicht nur aus ethischen Gründen, auch gesetzlich herrscht Zugzwang. Die Pharmabranche muss sich auf immer mehr Regularien vorbereiten. Wie gehen Pharmaunternehmen das Thema an? Und wie binden sie ihre Mitarbeitenden ein?

In diesem Artikel lesen Sie:
• Welche Regularien und Rahmenwerke relevant sind
• Was neue Gesetze und Vorhaben für die Pharmabranche bedeuten
• Wie das Pharmaunternehmen Merck das Thema Nachhaltigkeit/ESG angeht
• Welche Maßnahmen und Ziele sich Bayer setzt

Bereits seit 2017 sind börsennotierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden dazu verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht vorzulegen. Nach und nach kommen nun immer mehr Gesetzesvorgaben – auch auf Unternehmen kleinerer Größe – zu. Ein verantwortungsvolles und achtsames Wirtschaften zum integralen Bestandteil der Unternehmensführung zu machen – das wird zum Muss für viele Branchen werden. Aus ethischen, wirtschaftlichen und gesetzlichen Anforderungen.

Welche Regelungen zum Thema Nachhaltigkeit gibt es?

Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals oder kurz: SDG) sind nach wie vor zentrales Ziel der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Hinzu kommen weitere Verpflichtungen, die sich aus dem europäischen Green Deal ergeben. Zwar verkündete die EU-Kommission diese neue „Wachstumsstrategie“ bereits im Dezember 2019. Allerdings werden konkrete Gesetzesvorschläge erst nach und nach erarbeitet und in nationales Recht gegossen. Bis eine EU-Gesetzgebung verabschiedet ist und auf nationaler Ebene in Kraft tritt, können mehrere Jahre vergehen.

Im vergangenen Jahr überarbeitete die EU-Kommission beispielsweise die Berichtspflicht. Genauer: die Richtlinie über die Angabe nichtfinanzieller Informationen – kurz NFRD. Mit dem neuen Gesetzesentwurf, der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), wird die Nachhaltigkeitsberichterstattung nicht nur detaillierter –auch mehr Unternehmen werden von der Veröffentlichung betroffen sein.

Weitere Regularien ergeben sich aus dem 2021 in Kraft getretenen deutschen Lieferkettengesetz. Das Ziel: Unternehmen dazu zu verpflichten, Menschenrechte und Umweltstandards entlang der gesamten Lieferkette einzuhalten.

Nachhaltigkeits-To-dos der Pharmabranche

Wichtig für die Branche ist es, sich schon jetzt einen Überblick zu verschaffen, welche Anforderungen in den kommenden Jahren auf das eigene Unternehmen zurollen. Es gibt viele Stellschrauben, an denen die Geschäftsleitung drehen kann. Hierzu zählen beispielsweise die Umstellung auf erneuerbare Energien oder alternative Kraftstoffe für die Dienstwagenflotte. In der Herstellung und beim Produktdesign wird es auf eine intakte Kreislaufwirtschaft ankommen.

Aber nicht nur Klimaziele spielen eine Rolle. Wichtiger wird es auch, soziale Verantwortung zu übernehmen. Der nachhaltige Wandel muss über sämtliche ESG-Kriterien befeuert werden, also Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und gute Unternehmensführung. Wie gehen Pharmaunternehmen das Thema ESG konkret an?

Nachhaltigkeit bei Merck basiert auf 3 Säulen

Hugh Pullen, Head of Global Policy und External Affairs bei Merck, © Merck
Hugh Pullen, Head of Global Policy und External Affairs bei Merck, © Merck

Auch für das Pharmaunternehmen Merck ist Nachhaltigkeit „kein optionales Extra mehr, sondern Notwendigkeit“, so Hugh Pullen, Head of Global Policy und External Affairs. „Die Erwartungen und Anerkennungen seitens externer Stakeholder, wie Investoren, Regierungen und Patienten, nehmen zu.“

Neu ist damit auch der Ansatz, mit dem die Merck-Gruppe das Thema umsetzt. Man gehe strukturierter vor. Geschäftsziele werden um ökologische, gesellschaftliche und Governance-Aspekte ergänzt. Dementsprechend fußt die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens auf drei Säulen:

  1. Zum einen möchte Merck den menschlichen Fortschritt vorantreiben. Bis 2030 soll das für mehr als eine Milliarde Menschen gelingen. Erreichen will das Pharmaunternehmen das durch nachhaltige Wissenschaft und Technologie. Beispielsweise, indem Medikamente für Patient:innen mit hohem ungedecktem Bedarf entwickelt und bereitgestellt werden. Hinzu kommen Spendenprogramme, die beispielsweise vernachlässigte Tropenkrankheiten eliminieren sollen.
  2.  Nachhaltige Wertschöpfungsketten: Bis 2030 wird Merck – nach eigenen Angaben – „Nachhaltigkeit in allen Wertschöpfungsketten integrieren“. Das betrifft die Produktentwicklung ebenso wie die Logistik. Zulieferer eingeschlossen.
  3. Verkleinerung des ökologischen Fußabdrucks: Bis 2040 will das Pharmaunternehmen Klimaneutralität erreichen und den Ressourcenverbrauch reduzieren. Geplant sind etwa Maßnahmen für eine bessere Energie- und Wassereffizienz, der Umstieg auf umweltfreundlichere Produktionstechnologien oder die Reduktion von Abfall. Beispielsweise wurde jüngst für ein Produkt ein neues Slim Pack eingeführt, eine 40 Prozent kleinere Verpackung mit einem zu 100 Prozent recycelbaren Karton.

Partnerschaften und Mitarbeitende sind wichtige Erfolgskriterien

Um seine ambitionierten Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, setzt das Unternehmen auf strategische Partnerschaften. Seit April 2022 arbeitet Merck beispielsweise im Rahmen von „GoGreen Plus“ gemeinsam mit DHL an einem klimaneutralen Versand von Medikamenten. Der Pilot konzentriert sich vorerst auf den asiatisch-pazifischen Raum. Innerhalb von zwei Monaten konnten – laut Unternehmensangaben – bereits 270 Tonnen CO2-Emissionen reduziert werden.

Ein weiteres wichtiges Erfolgskriterium ist die Einbeziehung der Mitarbeitenden. Über gezielte Maßnahmen will Merck eine nachhaltige Kultur im gesamten Unternehmen fördern:

  • Die Healthcare-Führungskräfte sind für die Nachhaltigkeitsziele ebenso verantwortlich wie für andere Geschäftsziele.
  • Durch eine interne Kommunikationskampagne für alle Führungskräfte wird ein gemeinsames Verständnis dafür entwickelt, was Nachhaltigkeit für Merck bedeutet.
  • Fortbildungen und Umsetzungsworkshops befähigen Schlüsselkräfte dazu, Nachhaltigkeitsziele in der eigenen Arbeit umzusetzen.
  • Darüber hinaus gibt es einen Anreizplan: Leitende Angestellte werden für die Erfüllung der Nachhaltigkeitsziele belohnt.

Nachhaltigkeit bei Bayer: Konkrete Ziele bis 2030

Der Vorstandsvorsitzende ist bei Bayer zugleich Chief Sustainability Officer. Die Relevanz nachhaltiger Themen für den Konzern ist damit augenscheinlich.

Neben Klimazielen rückt auch bei Bayer die gesellschaftliche Verantwortung weiter in den Fokus. Über verschiedenste Maßnahmen will der Konzern mehr Menschen Zugang zu Gesundheitsvorsorge und Nahrungsmittelsicherheit verschaffen. Konkrete Ziele bis 2030 in diesem Bereich sind:

  • Bayer möchte 100 Millionen Kleinbauern in Ländern mit geringem bis mittlerem Einkommensniveau dabei unterstützen, mehr hochwertige Nahrungsmittel zu produzieren.
  • Die Division Consumer Health will 100 Millionen Menschen in unterversorgten Regionen in ihrer alltäglichen Gesundheitsversorgung unterstützen.
  • Die Division Pharmaceuticals will 100 Millionen Frauen in Ländern mit geringem bis mittlerem Einkommen Zugang zu moderner Empfängnisverhütung verschaffen.

Change-Programm soll Umdenken bei den Mitarbeitenden fördern

Auch Bayer setzt in seiner Nachhaltigkeitsstrategie auf seine Belegschaft. Generell gilt: Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen regelmäßig prüfen, wie sie in ihrem Bereich zu den Nachhaltigkeitszielen beitragen können. „Für Beschäftigte im Consumer Health-Geschäft kann zum Beispiel das Thema umweltfreundliche Verpackung sehr wichtig sein. Bei anderen Produkten geht es dann eher um den Zugang zu Medikamenten. Wieder für andere steht die ressourcenschonende Produktion im Fokus“, erklärt ein Pressesprecher.

Ein umfassendes Change-Programm soll den Mitarbeitenden dabei helfen, umzudenken. Beispielsweise hat das Unternehmen ein globales Netzwerk sogenannter „Sustainability Champions“ aufgebaut und unterstützt sie dabei, Nachhaltigkeit vor Ort zu implementieren. Ein anderes Team hat daran gearbeitet, die Geschäftsaktivitäten zu analysieren, um hieraus einen auditierbaren Berichtsprozess zu entwickeln. Die Verantwortung auf Managementebene wird zusätzlich gefördert, indem die langfristige Vergütung an die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele gekoppelt wird.

Auch Partnerschaften und Kooperationen sind ein wichtiger Pfeiler in der Nachhaltigkeitsstrategie des Konzerns. So arbeitet Bayer im Bereich alltäglicher Gesundheitsversorgung beispielsweise mit der NGO Vitamin Angels zusammen. Hiermit möchte das Unternehmen gegen die Unterversorgung von Vitaminen und Mineralstoffen, vor allem bei Frauen und Kindern in bestimmten Regionen, vorgehen. Ebenso gibt es Kooperationen, zum Beispiel mit dem United Nations Population Fund (UNFPA), um Zugang zu Familienplanung zu ermöglichen.

Fazit: Nachhaltigkeit als Kernthema in Pharmaunternehmen

Nachhaltigkeit ist branchenübergreifend ein zukunftsweisendes Thema. Viele Pharmaunternehmen haben sich ambitionierte Ziele gesetzt und bereits Maßnahmen eingeleitet. Mit Change-Programmen, Anreizen oder Trainings wollen sie nachhaltiges Handeln und Denken bei Mitarbeitenden fördern. Auch Partnerschaften können ein Treiber für nachhaltiges Engagement sein.

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