Biogen: „Healthy Climate, Healthy Lives“ – Klimaschutz als Unternehmensstrategie

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Wolfram Schmidt, Biogen Deutschland, über Klimaschutz als Unternehmensstrategie
Dr. Wolfram Schmidt über Nachhaltigkeit und Klimaschutz als strategisches Ziel © Biogen
Klimaschutz ist für das international tätige Pharmaunternehmen Biogen zentraler Bestandteil der gesamtstrategischen Entscheidungen. Dr. Wolfram Schmidt, Geschäftsführer der Biogen GmbH in Deutschland, erläutert im Interview, was das in der Praxis bedeutet.

Dr. Wolfram Schmidt ist seit Juli 2018 Geschäftsführer der Biogen GmbH, der deutschen Niederlassung von Biogen. Er ist promovierter Chemiker und war vor seinem Wechsel zu Biogen in verschiedenen Führungspositionen bei Roche, zuletzt als Global Head of Biologics Strategy bei der Roche AG in Basel.

Health  Relations: Dr. Schmidt, Biogen fährt die Initiative „Healthy Climate, Healthy Lives“ global. Bezogen auf Deutschland: Welche Schritte werden derzeit aktiv umgesetzt und sind in den kommenden Jahren geplant?

Dr. Wolfram Schmidt: Das Hauptziel unserer Initiative ist, bis zum Jahr 2040 in allen Biogen-Geschäftstätigkeiten weltweit Emissionen aus fossilen Brennstoffen auf Null zu fahren. Um dies zu erreichen, investiert Biogen 250 Millionen US-Dollar. Als deutsche Niederlassung haben wir andere Hebel als etwa unser US-amerikanischer Mutterkonzern mit Produktions- und Forschungsstätten. Die wichtigsten Stellschrauben in Deutschland sind die Umstellung der gesamten Dienstwagenflotte auf E-Fahrzeuge bis 2025, Reduzierung der Dienstreisen bzw. stärkere Nutzung von Bahnverkehr und nachhaltige Gebäudetechnik und Gebäudemanagement, verbunden mit der Nutzung erneuerbarer Energien. Hier haben wir mit unserem neuen Münchner Bürogebäude, das dem neuesten Stand der Klimatechnik und Energieeffizienz entspricht, schon eine gute Basis geschaffen. Zudem streben wir an, dass sich 80 Prozent der Zulieferfirmen in den nächsten vier Jahren zu fundierten Klimazielen verpflichten. Intern setzen wir auf ein Bonusprogramm, das einen umweltfreundlichen Lebenswandel unserer Mitarbeitenden fördert, zum einen durch Zuschüsse beim Kauf energieeffizienter Produkte, zum anderen durch jährliche Zuschüsse beim Bezug von Ökostrom.

„Als führendes Biotech-Unternehmen können wir nur dann glaubhaft eine führende Rolle in Sachen Gesundheit einnehmen, wenn wir unseren ökologischen Fußabdruck dauerhaft verringern.“

Health Relations: Wie kommt das bei ihren 450 Mitarbeiter:innen an? Und wie bringen diese sich ein?

Dr. Wolfram Schmidt: Hier spielt unser internes Netzwerk „ourImpact“ eine zentrale Rolle. Darin engagieren sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um Einsparpotenziale in allen Abteilungen zu identifizieren, die Aufmerksamkeit für Nachhaltigkeitsthemen bei den Mitarbeitenden zu fördern und neue Ideen zu entwickelt, wie sich sowohl der Arbeitsalltag als auch das Privatleben umweltfreundlich und nachhaltig gestalten lässt. Die Gruppe von Mitarbeitenden aus verschiedenen Abteilungen trifft sich regelmäßig, um diese Ideen zu diskutieren und weiterzuentwickeln. Aktuell erarbeitet das „ourImpact“-Team auch Vorschläge für eine Nachhaltigkeitszertifizierung von Biogen Deutschland.
Wir verzeichnen eine sehr positive Resonanz, unsere Mitarbeitenden ziehen voll mit. Als Geschäftsführer freut es mich, dass sie viele kreative und gute Ideen einbringen. Wir haben dafür auch einen weltweiten Ideenwettbewerb ins Leben gerufen, die Employee Innovation Challenge. Hier können unsere Mitarbeitenden konkrete Verbesserungsvorschläge in den Kategorien „Healthy Climate“ und „Healthy Lives“ einreichen. Die besten Ideen werden international prämiert.

Biogen
Biogen ist ein US-amerikanischer Biotechnologiekonzern mit Sitz in Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts. Seit 1997 ist das Pharmaunternehmen mit einer eigenen Niederlassung in Deutschland fest verwurzelt, im nächsten Jahr feiert das Unternehmen sein 25-jähriges Jubiläum. Das Unternehmen beschäftigt rund 450 Mitarbeiter:innen und ist laut eigener Aussage Pionier in den Neurowissenschaften.

Health Relations: Eine globaler, gewinnorientierter Konzern mit internationalen Zulieferern: Wie realistisch ist es da, das Niveau an Klimaschutz, das Sie formulieren, auch wirklich zu halten? 

Dr. Wolfram Schmidt: Hier zitiere ich gern unseren CEO Michel Vounatsos: „Als führendes Biotech-Unternehmen können wir nur dann glaubhaft eine führende Rolle in Sachen Gesundheit einnehmen, wenn wir unseren ökologischen Fußabdruck dauerhaft verringern. Daher sind wir bei Biogen der Meinung, dass der Kampf gegen den Klimawandel ein zentraler Bestandteil unserer langfristigen Unternehmensstrategie sein muss – auch als Investition in die Zukunft.“ Als Biotech-Unternehmen, das sich dem Ziel verschrieben hat, schwere neurologische Erkrankungen zu besiegen, fühlen wir uns verpflichtet, bei der Bekämpfung der verheerenden gesundheitlichen Folgen von Klimawandel und Luftverschmutzung unseren Beitrag zu leisten. Schon vor sieben Jahren wurde Biogen als erstes Biotech-Unternehmen CO2-neutral. Das war ein wichtiger Schritt, reicht aber bei weitem nicht mehr aus. Jetzt geht es darum, das mit der Initiative „Healthy Climate, Healthy Lives“ formulierte Ziel der Netto-Null-Emissionen nicht nur zu halten, sondern zu übertreffen. Stichwort „Go Beyond Net Zero“.

Health Relations: Haben Sie sich für die Initiative eine externe Beratung zur Seite geholt oder wie stellen Sie sicher, dass der Ankündigung von Zielen auch wirklich Taten folgen? 

Dr. Wolfram Schmidt: Da wirksamer Klimaschutz eine globale Mammut-Aufgabe ist, die nur gemeinsam gestemmt werden kann, kooperieren wir mit einer Vielzahl namhafter Organisationen. Die Verpflichtung zu unseren ehrgeizigen Zielen hat die sogenannte Science Based Targets-Initiative als übereinstimmend mit der Zielsetzung der Pariser Klimakonvention anerkannt, wir arbeiten auch mit der NPO „The Climate Group“ oder der NGO „We Mean Business Coalition“ zusammen. Außerdem engagieren wir uns unter anderem im Weltwirtschaftsforum und der UN-Initiative Global Compact. Mit den US-amerikanischen Forschungseinrichtungen „Massachusetts Institute of Technology“ (MIT) und dem „Center for Climate, Health, and Global Environment“ der Harvard T.H. Chan School of Public Health treiben wir die Forschung im Bereich Klimaschutzmaßnahmen und weltweite Gesundheit bzw. Gehirngesundheit weiter voran.

„Unternehmen haben angesichts dieser Herausforderungen eine große Verantwortung, durch ihr Handeln bei der Lösung mitzuarbeiten. Das wird von der Öffentlichkeit, von Kunden, Geschäftspartner und Investoren heute auch erwartet.“

Health Relations: Wie stellen Sie Transparenz her und sicher, gerade vor dem Hintergrund, dass es eine globale Initiative ist in Ländern mit vollkommen unterschiedlichen Voraussetzungen in Sachen Klimaschutz?

Dr. Wolfram Schmidt: Die klare globale Zielvorgabe gilt für alle Länder und Niederlassungen gleichermaßen. Die Maßnahmenpakete und Vorgaben müssen darüber hinaus natürlich auch regionale und nationale Anforderungen erfüllen – wie etwa die Fabrik in Solothurn die Schweizer Vorgaben berücksichtigen muss. Daher adaptieren wir die Aktivitäten auf Länderebene. Es gibt also durchaus länderspezifische Lösungen bei der Umsetzung der globalen Vorgaben, unterm Strich ist aber klar, dass jeder Markt nach festen Vorgaben seinen individuellen Beitrag leisten wird.

Health Relations: Welche Schritte sind aus Ihrer Sicht die größte Herausforderung – und haben den größten Impact auf Ihre täglichen Prozesse und Ihr Geschäftsmodell?

Dr. Wolfram Schmidt: Die größte Herausforderung ist, über alle unsere Geschäftstätigkeiten Emissionen aus fossilen Brennstoffen auf Null zu fahren. Das gilt natürlich insbesondere für unsere Produktionsstätten. Ganz konkret wird das am Beispiel unserer neuen „Next Generation“ Bio-Tech-Produktionsanlage im Schweizer Kanton Solothurn: Dort arbeiten wir daran, bis 2040 ohne Erdgas oder andere fossile Brennstoffe zu produzieren – etwa durch den Einsatz von elektrischen Wärmepumpen und Dampfgeneratoren oder Technologien zur Nutzung der Erdwärme. Eine weitere Herausforderung ist die Notfallversorgung der Produktionsanlagen, die üblicherweise durch Generatoren mit Treibstoff abgesichert wird. Wir suchen gezielt nach alternativen Lösungen, die mit Lithium-Ionen-Batterien oder natürlichem Wasserstoff betrieben werden.

„Uns allen ist klar: Das ist kein befristetes Projekt, sondern ein dauerhafter dynamischer Prozess und Teil unserer Firmenphilosophie.“

Health Relations: Inwieweit erhoffen Sie sich positive Auswirkungen auf Ihr Business als Pharmaunternehmen?

Dr. Wolfram Schmidt: Biogen ist seit über 40 Jahren Pionier auf dem Gebiet der Neurowissenschaften und
entwickelt innovative Therapien für schwere neurologische und neurodegenerative Erkrankungen. Auch beim Klimaschutz nehmen wir eine Vorreiterrolle ein: Biogen engagiert sich mit der Initiative „Healthy Climate, Healthy Lives“ auf globaler Ebene, da Klimakrise und Luftverschmutzung die größte Bedrohung für die Gesundheit der Weltbevölkerung sind. Daher geht es hier um viel mehr als um positive Auswirkungen auf unser Business. Unternehmen haben angesichts dieser Herausforderungen eine große Verantwortung, durch ihr Handeln bei der Lösung mitzuarbeiten. Das wird von der Öffentlichkeit, von Kunden, Geschäftspartner und Investoren heute auch erwartet. Auch für junge Talente ist es ein immer wichtigeres Argument bei der Wahl des Arbeitgebers, dass sich das Unternehmen auch nachhaltig engagiert.

Health Relations: Schauen wir auf die Kommunikation: Über den jährlichen Nachhaltigkeitsbericht heraus: Wie kommunizieren Sie die Initiative in Deutschland? Ist dafür eine Kampagne geplant?

Dr. Wolfram Schmidt: Die Initiative ist ein wichtiges Element unserer Corporate Kampagne „Forschung für das, was im Leben zählt“. Dazu gehören eine ganze Reihe von externen Maßnahmen wie Website-Artikel, Aktivitäten in Social Media und in klassischen Medien mit Interviews und Patienten-Testimonials. Ziel ist es dabei auch, eine bessere Aufklärung über den wichtigen Zusammenhang von Luftverschmutzung, Gesundheit und Hirngesundheit zu leisten und andere Unternehmen zu motivieren, bei Klima- und Umweltschutzinitiativen mitzumachen. Ganz wichtig auch die Kommunikation nach innen: Die erfolgreiche Umsetzung dieser Initiative steht und fällt mit dem Engagement der Beschäftigten. Da es die Mitarbeitenden von Biogen sind, die die Klimastrategie umsetzen und leben sollen, gilt es, alle für die Thematik zu sensibilisieren und darüber hinaus so früh wie möglich in den Prozess miteinzubeziehen, um so gemeinsam zum Erfolg beizutragen. Uns allen ist klar: Das ist kein befristetes Projekt, sondern ein dauerhafter dynamischer Prozess und Teil unserer Firmenphilosophie.

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