„Zeitgemäßes Recruiting betrifft jeden im Unternehmen“

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© Andrey Popov /Adobe Stock
In Sachen Recruting macht Maja Schäfer, Recruiting-Leiterin bei den DRK Kliniken Berlin, keiner etwas vor. Sie betreibt einen Recruiting-Blog, hat Chatbots eingeführt und hat das Thema auch bei der Führungsebene platziert.

Health Relations:  Sie betreiben einen eigenen Recruiting-Blog. Welche Themen decken Sie genau darin ab?

Die DRK Kliniken Berlin haben ein ausgezeichnetes Karriereportal etabliert.
Maja Schäfer ist Leiterin Strategisches Recruitment bei den DRK Kliniken Berlin © DRK Kliniken Berlin

Maja Schäfer: Im Blog gibt es Artikel zu jedem wichtigen Recruiting-Thema. Egal welche Frage ich als Recruiter habe, es werden Antworten geboten: Macht Active Sourcing im Gesundheitswesen Sinn? Wie integriere ich ausländische Pflegekräfte nachhaltig in die Teams? Wie funktioniert die Anbindung der Stellenanzeigen an Google Jobs? Mitarbeiterempfehlungsprogramme, ChatBots, Performance Job Marketing beziehungsweise Programmatic Job Advertising sind nur eine kleine Auswahl weiterer Themen. Das Besondere ist, dass nicht, wie in vielen anderen HR-Blogs, Agenturen oder externe Berater schreiben. Denn die wissen zwar viel, haben aber oft eher einen utopischen Blick und sind auch nicht auf die Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen spezialisiert. Ich bin Strategin und Praktikerin mitten aus der Krankenhausszene, und bei mir geht es darum, was möglich ist, auch wenn die Branche, das Budget oder die Stakeholder Rahmenbedingungen setzen.

Health Relations: Schulen Sie damit auch Ihre Mitarbeiter?

Maja Schäfer: Einige interessierte Mitarbeitende zum Beispiel aus der Ärzteschaft, der Pflege oder dem
Labor folgen mir auf Twitter, LinkedIn, XING und Facebook und bleiben so über meine neuen Blogeinträge auf dem Laufenden. Da aber bei den DRK Kliniken Berlin alle Recruitingfäden in meinem Team zusammenlaufen, schule ich inhouse lieber persönlich. Weil die Fachabteilungen natürlich sehr beschäftigt sind, arbeiten wir aber auch mit Videotutorials.  Meine Super-Recruiterin Katarzyna Marek-Pokorny berät Chefarzt- und PDL-Büros geduldig am Telefon und  erklärt, warum Bewerber heute keine vollständigen Mappen mehr versenden oder wieso sich das Recruiting-Team als Vermittler zwischen Bewerber und Fachbereich schaltet, wenn der Prozess nicht ruckzuck geht. Ich beobachte allerdings, dass das Interesse an meinem Blog nach und nach steigt, weil die Führungskräfte, als ich vor einem Jahr bei den DRK Kliniken Berlin anfing, noch gar keinen Überblick hatten, was zeitgemäßes Recruiting eigentlich alles beinhaltet. Erst nach dem Gewinn des HR Excellence Awards 2020 wird vielen klar, dass ich ein komplexes Zukunftsthema im Unternehmen angepackt habe.

„Ich bin Strategin und Praktikerin mitten aus der Krankenhausszene, und bei mir geht es darum, was möglich ist, auch wenn die Branche, das Budget oder die Stakeholder Rahmenbedingungen setzen.“

Health Relations: Warum ist das Thema Recruiting nicht nur für die HR-Abteilung wichtig?

Maja Schäfer: Zuallererst ist Recruiting ein Management-Thema. Ich beobachte viele Unternehmen, die
versuchen, im Klein Klein Veränderungen zu bewirken. Die Unternehmenskommunikation modernisiert die Karriereseite, ein Sachbearbeiter aus der Personalabteilung wird in eine Fortbildung für zeitgemäßes Recruiting geschickt oder mit EU-Fördermitteln wird befristet an neuen Ideen gearbeitet. Doch am Ende ändert sich wenig nachhaltig, weil das Thema nicht strategisch angegangen wurde. Ich habe mich vor einem Jahr für einen Wechsel zu den DRK Kliniken Berlin entschieden, weil hier die Erkenntnis, wo das Thema anzusiedeln ist, auf fruchtbaren Boden gefallen ist: Direkt unterhalb der Geschäftsführung, als eigene Abteilung auf Augenhöhe mit der Leitung Unternehmenskommunikation und der Leitung Personal.

Health Relations: Was braucht es, damit gutes Recruiting funktioniert?

Maja Schäfer: Es  müssen ein paar zentrale Bedingungen gegeben sein: Das Recruiting für alle Berufsgruppen muss an einer Stelle gebündelt werden, die Position muss von einer Person ausgefüllt werden, die Kompetenzen in Kommunikation, Marketing, IT, Personalmanagement und Innovation/Change Management hat. Es müssen mutige Entscheidungen getroffen werden, die nicht allen passen. Bei den DRK Kliniken Berlin war das zum Beispiel die Entscheidung, dass in der Bewerberkommunikation geduzt wird. Oder die Entscheidung für WordPress: Für ein Karriereportal ist nämlich überhaupt nicht relevant, dass es unbedingt dasselbe Content-Mangement-System und Look &  Feel   enthält wie die Corporate Website, nur damit es intern einfacher zu bedienen ist. Es sollte das CMS erhalten, das eine Anbindung an Google Jobs und das im individuellen Fall eingesetzte Bewerbermanagementsystem sowie das Storytelling durch ein gut bedienbares Blog-Modul am einfachsten macht. Es sollte sogar ganz unbedingt ein überraschendes, anderes Look & Feel haben als die Unternehmenswebsite haben! Solche Entscheidungen kann ein Recruiter auf Sachbearbeiter-Ebene nicht durchsetzen. Ansonsten betrifft zeitgemäßes Recruiting natürlich jeden im Unternehmen: Die Mitarbeitenden im Sekretariat, die die Bewerber zuerst am Telefon haben, die Pflegekräfte, die als Arbeitgebermarkenbotschafter fungieren, und die Entscheider, die die Einstellungen durchführen. Jeder kann an seiner Stelle in Sachen Candidate Experience viel falsch – oder richtig – machen.

Maja Schäfer und ihre Kollegin Katarzyna Marek-Pokorny (links) erstellen Videotutorials, um die Mitarbeiter an den DRK Kliniken Berlin in Sache Recruiting zu schulen.

Health Relations: Sie sind kürzlich für ihr Karriereportal ausgezeichnet worden, betreiben den Blog und haben jetzt sogar einen Recruiting Chatbot. In Sachen Recruiting sind Sie auf den neuesten Stand,
zeigt sich das auch in Ihren Bewerberzahlen?

Maja Schäfer:  Wir erhalten sowohl deutlich mehr Bewerbungen von Personen mit passenden Qualifikationen als auch mehr Bewerbungen von Personen, denen wir erklären, wie sie die passenden Qualifikationen erreichen können. Neue Zahlen sind folgende: Unser Standort Köpenick meldet 55 Prozent weniger offene Stellen in den Pflege- und Funktionsteams im Vergleich Januar 2020 und Dezember 2020. Unser Standort Westend meldet 30 Prozent mehr Einstellungen in den Pflege- und Funktionsteams im Vergleich 2019 zu 2020. Im Jahr 2020 ist es durch Maßnahmen der  Pflegedienstleitung gelungen, die Fluktuation drastisch zu senken, sodass über die geringere Kündigungsrate und die höhere Einstellungsrate 46 Prozent der Neueinstellungen zur echten Aufstockung des Pflegepersonals dienten und nicht nur zum „akuten Feuerlöschen“. Ich frage mich, warum es so schwer zu glauben ist, dass man mit einer guten Recruitingstrategie mit Emotionalität, Erreichbarkeit, Transparenz und damit einer gelungenen Candidate Experience, mehr – brauchbare! – Bewerbungen bekommen kann?

Health Relations: Was müssen Krankenhäuser Ihrer Meinung nach ganz grundsätzlich besser machen?

Maja Schäfer: Zuallererst sollten sie eine positive Einstellung entwickeln. Erfolgreiches Pflegekräfte-Recruiting ist auch in der aktuellen Situation möglich. Die Personalvermittler und Leasingdienstleister in der Branche machen es uns doch vor. Wenn diese Kompetenzen direkt in den Krankenhäusern aufgebaut werden, können wir das teure Geschäft mit Leasing und Vermittlung austrocknen und das Geld lieber in eine Optimierung der Pflege stecken. Wenn wir alle mehr authentisch-positives Personalmarketing machen, wird es trotz aller selbstverständlich verbesserungswürdigen Rahmenbedingungen auch wieder mehr Menschen geben, die sich für Krankenhausberufe interessieren. Die Pandemie spielt uns dabei auch in die Karten. Kürzlich wurde eine Studie der Funke Mediengruppe veröffentlicht, die besagt, dass die Pflege wieder attraktiver für junge Menschen wird.

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